Arzneimittel und Therapie

Die E-Zigarette – ein falscher Freund

Hinweise auf ein erhöhtes Risiko für chronische Lungenerkrankungen

In einer kürzlich publizierten US-amerikanischen Studie wurde gezeigt, dass die Nutzung von E-Zigaretten ein unabhängiger Risikofaktor bei der Entwicklung von chronischen Atemwegserkrankungen sein könnte. „Dual Use“ – also die gleichzeitige Nutzung von E- und herkömmlichen Zigaretten – stelle dabei ein besonders hohes Risiko dar.

Als die ersten E-Zigaretten 2007 auf den Markt kamen, wurden sie von Suchtmedizinern als große Hoffnung gesehen. Das „Dampfen“ (oder „Vapen“) galt als risikofreie Alternative zur herkömmlichen Zigarette und als schneller Einstieg in die Tabak- und Nicotin-Entwöhnung. Dass die Nutzung der E-Zigarette viel gesundheitsschädlicher ist als zunächst angenommen, zeigen jedoch immer mehr Ergebnisse aus Forschung und Klinik. In einer US-Studie wurden nun erstmals mögliche Langzeitfolgen des E-Zigarettenkonsums untersucht. Dazu wurden Daten der longitudinalen PATH-Studie (Population Assessment of Tobacco and Health) ausgewertet [1]. Zwischen 2013 und 2016 wurden 32.320 erwachsene Raucher, Nichtraucher, ehemalige Raucher und Nutzer von E-Zigaretten zu ihren Rauchgewohnheiten und ihrer Gesundheit befragt. Die Ergebnisse zeigen: Nutzer von E-Zigaretten, die zu Beginn der Befragung keine Lungenerkrankung (Asthma, chronisch-obstruktive Lungenerkrankung [COPD], Emphysem oder chronische Bronchitis) hatten, wiesen in den darauffolgenden zwei Jahren ein erhöhtes Risiko für eine Lungenerkrankung auf. Nutzer von E‑Zigaretten hatten laut der Studie ein 1,3-fach erhöhtes Risiko im Vergleich zu Personen, die nie geraucht oder gedampft haben. Bei Rauchern von herkömmlichen Zigaretten war das Risiko um das 2,6-Fache erhöht. Beim „Dual Use“ – der häufigsten Konsumform – wurde sogar ein 3,3-fach erhöhtes Risiko ermittelt.

Foto: Catalin Pop – stock.adobe.com

Viele Nutzer von E-Zigaretten rauchen gleichzeitig noch normale Zigaretten.

Studie mit Schwächen

Prof. Dr. med. Michael Pfeifer, Pneumologe am Universitätsklinikum Regens­burg und Präsident der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin e. V. (DGP), begrüßt die Studie, auch wenn er Kritikpunkte anmerkt: „Die aktuelle Studie sollte vor allem als Hinweis dafür gesehen werden, dass die Nutzung von E-Zigaretten zu einem erhöhten Risiko für chronische Lungenerkrankungen führen könnte. Mehr sagt die Studie jedoch nicht aus.“ Die Studie besteche zwar durch ihre hohe Zahl an Studienteilnehmern, als problematisch erachtet Pfeifer jedoch die Auswertung der Ergebnisse. Die Beurteilung, ob ein Studienteilnehmer in den letzten zwei Jahren Anzeichen für eine Erkrankung der Atemwege zeigte, erfolgte ausschließlich durch Fragebögen, welche die Befragten zu Hause selbst ausfüllen konnten. Eine Frage aus den Fragebögen sah zum Beispiel so aus: „Hat Ihnen ein Arzt, eine Krankenschwester oder eine andere medizinische Fachkraft in den letzten zwölf Monaten mitgeteilt, dass Sie an einer der folgenden Erkrankungen der Lungen- oder Atemwege leiden: COPD, chronische Bronchitis, Emphysem und Asthma?“ Fragen wie diese waren mit ja oder nein zu beantworten. Eine klinische Sicherung der Diagnose gab es dabei nicht. Weitere Limitationen wurden auch von anderen Wissenschaftlern sowie den Autoren der Studie selbst angemerkt. So entwickeln sich chronische Lungenerkrankungen wie COPD über einen Zeitraum von mehreren Jahren. Dass zu Beginn der Studie bei einigen Teilnehmern schon eine beginnende Erkrankung vorlag, könne nicht ausgeschlossen werden. „Dennoch zeigt die Studie erneut das gefährliche Potenzial der E-Zigarette“, so Pfeifer. Dass ähnliche Ergebnisse auch in deutschen Studien gezeigt werden würden, hält Pfeifer für sehr wahrscheinlich. Dabei verweist der Mediziner auch auf die große Wissenslücke, die es zu diesem Thema zu füllen gilt. „Die Langzeitfolgen und die dahinter liegenden Wirkmechanismen, die den Lungenschaden hervorrufen, müssen dringend erforscht ­werden. Zurzeit ist es noch zu früh, Einzelfaktoren zu benennen.“

„Die Studie zeigt erneut das gefährliche Potenzial der E-Zigarette.“

Prof. Dr. med. Michael Pfeifer, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin e. V.

Riskantes Vitamin-E-Acetat

Ein Risikofaktor für schwere respiratorische Komplikationen, die allerdings nicht Gegenstand der aktuellen Studie waren, wurde Ende letzten Jahres in den USA aufgedeckt. Hier kam es im Herbst 2019 zu ungewöhnlichen Störungen der Atemfunktion bis hin zu Todesfällen durch Lungenversagen bei jungen Menschen unter 35 Jahren. Die als EVALI (engl. e-cigarette, or vaping, product use associated lung injury) beschriebene Krankheit warf viele Fragen auf [2]. Durch eine Studie, in der die bronchoalveolare Lavage von 51 Patienten untersucht wurde, konnte ein mögliches Toxin ermittelt werden: Vitamin-E-Acetat [3]. Das Vitamin-E-Derivat wurde bei 94% der EVALI-Patienten gefunden. Bei Tetrahydrocannabinol (THC)-Produkten wird es oft als Streckmittel zugesetzt. So wurden dann auch bei 47 von 50 EVALI-Patienten THC oder THC-Metabolite in der BAL identifiziert bzw. der Gebrauch von THC-Produkten berichtet. Dass weitere Substanzen für EVALI verantwortlich sind, ist nicht auszuschließen.

Was ist schädlich an der E-Zigarette?

Dass die E-Zigarette weniger gesundheitsschädlich ist als die herkömmliche Zigarette, steht außer Frage: Durch die fehlende Verbrennung bleibt die Bildung vieler kanzerogener Stoffe wie Formaldehyd aus. Doch was ist es, das der Lunge schadet? Einige der Inhaltsstoffe, die aus dem Aerosol der E-Zigarette gedampft werden, stehen im Verdacht, toxische Wirkungen zu entfalten. Dazu gehören zum Beispiel Propylenglycol, welches als Feuchthaltemittel ein Hauptbestandteil der Liquids ist, und Glycerin. Die Erwärmung dieser Stoffe führt zur Bildung von Acrolein. Ein Stoff, der auch beim Rauchen herkömmlicher Zigaretten entsteht und in starker Verbindung mit chronischen Entzündungsreaktionen der Lunge steht [11, 12]. Diacetyl und Acetylpropionyl werden als Aromastoffe für buttrigen Karamell-Geschmack verwendet. Sie sind in der Lebensmittelproduktion ­zugelassen. Doch beim Inhalieren könnten sie womöglich Lungenschäden verursachen [13]. Verschiedenen Aldehyden wie Zimtaldehyd (Zimtaroma) oder Benzaldehyd (Kirscharoma) werden zytotoxische und genotoxische Wirkungen zugeschrieben [14]. Auch Metalle aus den Heizspiralen werden beim Verdampfen aufgenommen [15]. Auch wenn die genauen Mechanismen noch aufgedeckt werden müssen, zeigt sich ein klarer Trend, dass viele dieser Stoffe die Immunantwort der Lunge ­beeinflussen.

Steigender Konsum

Vor allem bei Jugendlichen wird die Nutzung der E-Zigarette immer beliebter. Dass die E-Zigarette den Einstieg ins Rauchen fördert, ist bereits vielfach belegt [4, 5]. Obwohl in vielen US-Bundesstaaten das Mindestalter für den Kauf von Nicotin-haltigen und -freien Produkten für das Dampfen von 18 auf 21 Jahre hochgesetzt wurde, nimmt der Gebrauch weiter zu. Bereits Kinder im Alter von elf Jahren greifen regelmäßig zur E-Zigarette. Zwischen 2017 und 2019 stieg die Nutzung der E-Zigarette bei High-School-Schülern von 11,7% auf 27,5% [6, 7]. Um dieser Entwicklung entgegenzuwirken, soll ab Anfang Februar der Verkauf von fast allen Aromastoffen (Ausnahme: Tabak und Menthol) in den USA verboten werden [8]. Dies gilt allerdings nur für fertige Patronen. Tanks, die selbst gefüllt werden, sind von der neuen Regelung ausgeschlossen. In Deutschland können E-Zigaretten seit 2016 ab einem Alter von 18 Jahren gekauft werden. Zuvor waren Nicotin-freie E-Zigaretten frei erhältlich. Laut Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung ist auch in Deutschland die Zahl der jugendlichen Nutzer steigend [9]. Obwohl der Anteil der rauchenden Jugendlichen und jungen Erwachsenen in den letzten Jahren insgesamt deutlich zurückgegangen ist, nahm die Prävalenz des E-Zigaretten-Konsums signifikant zu. 12,4% der deutschen Jugend­lichen haben schon einmal eine E‑Zigarette probiert, bei den 18- bis 25-Jährigen sind es 26,7%. Prof. Pfeifer hat hier eine klare Meinung: Neben einem Werbeverbot für E-Zigaretten sei es besonders wichtig, nur Substanzen zu verkaufen, die klar definiert und zugelassen sind. Genau genommen sollte ein Inhalationsprodukt wie die E-Zigarette unter das Arzneimittelgesetz fallen. In einer Pressemeldung von Dezember 2019 fordert die DGP ein schnelleres Werbeverbot für Tabak- und E-Zigaretten [10]. Für herkömmliche Zigaretten ist ein Werbeverbot auf Außenflächen für 2020 vorgesehen, für E-Zigaretten jedoch erst für 2024. |

Literatur

[1] Bhatta DN, Glantz SA. Association of e-cigarette use with respiratory disease among adults: a longitudinal analysis. Am J Prev Med 2019; doi: 10.1016/j.amepre.2019.07.028

[2] Hartnett KP et al. Syndromic Surveillance for E-Cigarette, or Vaping, Product Use-Associated Lung Injury. N Engl J Med 2019; doi: 10.1056/NEJMsr1915313

[3] Blount BC et al. Vitamin E Acetate in Bronchoalveolar-Lavage Fluid Associated with EVALI. N Engl J Med 2019; doi: 10.1056/NEJMoa1916433

[4] E-Cigarette Use Among Youth and Young Adults. A Report of the Surgeon General Department of Health and Human Services, Centers for Disease Control and Prevention, National Center for Chronic Disease Prevention and Health Promotion, Office on Smoking and Health, eds. Atlanta, GA: 2016

[5] Soneji S et al. Association Between Initial Use of e-Cigarettes and Subsequent Cigarette Smoking Among Adolescents and Young Adults: A Systematic Review and Meta-analysis. JAMA Pediatr 2017;171(8):788-797

[6] Cullen KA et al. E-cigarette use among youth in the United States. JAMA 2019; doi: 10.1001/jama.2019.18387

[7] Surgeon General’s advisory on e-cigarette use among youth. The e-cigarette epidemic among youth. https://e-cigarettes.surgeongeneral.gov; Abruf am 9. Januar 2020

[8] Food and Drug Administration (FDA). FDA finalizes enforcement policy on unauthorized flavored cartridge-based e-cigarettes that appeal to children, including fruit and mint. Pressemitteilung vom 2. Januar 2020. www.fda.gov; Abruf am 9. Januar 2020

[9] Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA). Rauchen bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen in Deutschland. Ergebnisse des Alkoholsurveys 2018 und Trends. BZgA-Forschungsbericht vom September 2019. www.bzga.de; Abruf am 9. Januar 2020

[10] Neue Studie zeigt: E-Zigaretten schaden langfristig ähnlich wie Tabak – DGP fordert schnelles Werbeverbot für Tabak- und auch E-Zigaretten. Pressemitteilung der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin e. V. (DGP) vom 18. Dezember 2019. https://pneumologie.de; Abruf am 9. Januar 2020

[11] Moretto N et al. Acrolein effects in pulmonary cells: relevance to chronic obstructive pulmonary disease. Ann N Y Acad Sci 2012;1259(1):39–46

[12] Garcia-Arcos I et al. Chronic electronic cigarette exposure in mice induces features of COPD in a nicotine dependent manner. Thorax 2016;71(12):1119–1129

[13] Farsalinos KE et al. Evaluation of electronic cigarette liquids and aerosol for the presence of selected inhalation toxins. Nicotine Tob Res 2015;17(2):168–174

[14] Behar RZ et al. Distribution, quantification and toxicity of cinnamaldehyde in electronic cigarette refill fluids and aerosols. Tob Control 2016;25(suppl 2):ii94–ii102

[15] Olmedo P et al. Metal Concentrations in e-Cigarette Liquid and Aerosol Samples: The Contribution of Metallic Coils. Environ Health Perspect 2018;126(2):027010

Laura Kneller, MSc

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