Foto: vchalup - stock.adobe.com

Arzneimittel und Therapie

Mehr Dampf als Wirkung?

Der Erfolg von E-Zigaretten bei der Tabakentwöhnung ist umstritten

E-Zigaretten erleben derzeit einen Boom und werden oftmals als harmlos eingestuft. Doch sind sie das tatsächlich? Welchen Stellenwert haben sie bei der Tabakentwöhnung und sind sie effektiver als gängige Nicotinersatz-Therapien? Mit diesen Fragen befassen sich derzeit mehrere Publikationen.

In E-Zigaretten wird eine aromatisierte, meist Nicotin-haltige Flüssigkeit (Liquid) erhitzt und das dabei entstehende Aerosol inhaliert. E-Zigaretten der ersten Generation sehen meist wie Zigaretten aus, haben eine geringe Leistung und ein geringes Füllvolumen. Geräte der zweiten Generation verfügen über einen Tank und einen aufladbaren Akku. E-Zigaretten der dritten Generation sind in ihrer Leistung regulierbar und haben in der Regel ein größeres Fassungsvermögen. Hauptbestandteile der Liquids sind Propylenglykol und/oder Glyzerin, Aromen und Nicotin. Beim Erhitzen entsteht ein Aerosol, das aus feinsten Flüssigkeitspartikeln besteht. Je nach Art des Liquids können darin Formaldehyd, Acetaldehyd, Acrolein, reaktive Sauerstoffverbindungen und Metalle enthalten sein [1].

E-Zigaretten und Nicotin-­Ersatzpräparate im Vergleich

Die Wirksamkeit von E-Zigaretten als Raucherentwöhnungsmittel im Vergleich mit Nicotinersatz-Therapien wurde in einer vom englischen Gesundheitsdienst unterstützten Studie untersucht. Knapp 900 Raucher erhielten drei Monate lang entweder eine Nicotinersatz-Therapie ihrer Wahl (z. B. Pflaster, Kaugummi, Spray) oder E-Zigaretten (Geschmacksrichtung und Nicotin-Gehalt nach Wahl); die Probanden wurden zusätzlich verhaltenstherapeutisch unterstützt. Nach einem Jahr waren 18% der Probanden, die E-Zigaretten erhalten hatten, von den Tabakzigaretten losgekommen, mithilfe von Nicotinersatz-Produkten waren es lediglich 9,9% (p < 0,001). Im Hinblick auf die Nicotin-Abstinenz sehen die Ergebnisse anders aus: Von den Teilnehmern der E-Zigaretten-Gruppe, die es geschafft hatten, auf Tabakzigaretten zu verzichten, waren 80% nach einem Jahr noch regelmäßige Konsumenten von E-Zigaretten. Von den Teilnehmern, die Nicotin­ersatz-Produkte erhalten hatten, setzten nur noch 9% weiterhin Nicotinersatz-Produkte ein. Das heißt also, die Mehrheit der E-Zigaretten-Gruppe stieg von Tabakzigaretten auf E-Zigaretten um [2]. Dieses Ergebnis beschäftigte die Kommentatoren dieser Studie, da die langfristigen gesundheitlichen Auswirkungen von E-Zigaretten derzeit noch nicht eingeschätzt werden können. Sie weisen darauf hin, dass der Dampf von E-Zigaretten zwar weniger schädlich sei als Tabakrauch, er aber dennoch eine Reihe von Toxinen enthalte. Auch sei der Einfluss zu bedenken, den Konsumenten von E-Zigaretten auf Kinder und Jugendliche ausüben und deren späteres Suchtverhalten dadurch verstärkt werden könne. So sei ein schneller Anstieg von „Verdampfern“ unter Jugendlichen zu verzeichnen und daher bestehe die Gefahr, dass eine neue Generation Nicotin-Süchtiger heranwachse. Ihre Empfehlung lautet daher, E-Zigaretten als Ausstiegshilfe nur dann kurzfristig einzusetzen, wenn Nicotinersatz-Präparate plus Verhaltenstherapie keinen Erfolg gezeigt hätten [3].

Fakten zu E-Zigaretten

  • Nutzen und Schaden von E-Zigaretten werden kontrovers diskutiert.
  • Die Schadstoffbelastung ist geringer als beim Tabakrauchen.
  • Das Abhängigkeitspotenzial ist wahrscheinlich geringer als beim Tabakrauchen.
  • Bei der Inhalation werden potenziell gesundheitsschäd­liche Stoffe aufgenommen.
  • Die Inhalation kann zu Atemwegreizungen führen; das langfristige Gesundheitsrisiko ist nicht bekannt.
  • E-Zigaretten sind im Vergleich zum Tabakrauchen und zu einer Entwöhnung mit Arzneimitteln relativ kostengünstig.
  • Studien zeigen einen Nutzen bei der Tabakentwöhnung.
  • Die Belastung durch „Passivdampfen“ ist derzeit nicht einzuschätzen.
  • Die unsachgemäße Anwendung kann zu Verbrennungen führen.

Nicotin-freie oder Nicotin-haltige E-Zigaretten zur Entwöhnung?

Der Umstieg von Tabakzigaretten auf Nicotin-haltige E-Zigaretten erhöht die Chancen, mit dem Tabakrauchen aufzuhören. Zu dieser Aussage kommen unter anderem eine Cochrane-Analyse sowie systematische Reviews. Die Cochrane-Analyse konnte auf die Daten von rund 650 Teilnehmern zurückgreifen, bei denen die Tabakentwöhnung mit Nicotin-haltigen E-Zigaretten und Nicotin-freien E-Zigaretten mit einander verglichen wurde. Nach sechs bis zwölf Monaten Anwendung hatten mithilfe Nicotin-freier E-Zigaretten 4% der Probanden das Tabakrauchen eingestellt, mit Nicotin-haltigen E-Zigaretten waren es 9% [4].

Ein systematischer Review und die darauf bauende Metaanalyse vermuten, dass Nicotin-haltige E-Zigaretten im Hinblick auf die Tabakentwöhnung erfolgversprechender sind als Nicotin-freie E-Zigaretten; die hierzu vorliegenden Daten sind indes von limitierter Evidenz [5].

Was motiviert mehr: Geld oder E-Zigarette?

Foto: shariel – stock.adobe.com

In mehr als 50 US-amerikanischen Betrieben wurde untersucht, welche Maßnahmen zur Tabakentwöhnung am erfolgversprechendsten sind: Finanzielle Anreize, pharmakotherapeutische Maßnahmen (Nicotinersatz, Bupropion oder Vareniclin) oder E-Zigaretten. Der größte Erfolg (eine 2- bis 2,9%ige Abstinenzrate) war durch finanzielle Anreize zu erzielen, E-Zigaretten (1%) und Entwöhnungshilfen (0,5%) waren weniger effektiv [9].

Lungenärzte warnen: E-Zigaretten sind kein Weg aus der Sucht

Auch die Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP) wirft einen kritischen Blick auf E-Zigaretten als Entwöhnungsmittel und kommt zum Fazit „wer E-Zigaretten raucht, ist keineswegs abstinent – er ersetzt lediglich die eine Abhängigkeit durch eine andere.“ Sie weist ferner darauf hin, dass die gesundheit­lichen Folgen eines langfristigen Konsums von E-Zigaretten derzeit noch nicht absehbar seien. Tierversuche und einige Studien deuten darauf hin, dass Dampf das Gewebe in den Bronchien und Lungenbläschen krankhaft verändere. Ein nicht zu vernachlässigender Aspekt sei auch, „dass die Tabakkonzerne ihren Markt durch die E-Ziga­rette erweitert haben, um eine größere Zielgruppe an sich zu binden“ [10].

E-Zigaretten zum Einstieg oder Ausstieg?

Aufgrund der zunehmenden Zahl Heranwachsender, die E-Zigaretten konsumieren, stellt sich die Frage, ob das Verdampfen mit einer Zunahme des Konsums von Tabakzigaretten einhergeht. In einer prospektiven Studie wurde untersucht, inwieweit eine Nutzung von E-Zigaretten mit dem Einstieg oder der Zunahme des Konsums von Tabakzigaretten einhergeht. Es zeigte sich, dass jegliche Nutzung von E-Zigaretten in einem Zusammenhang mit einem in der Folgezeit ermittelten Konsum von Tabakzigaretten stand. In die gleiche Richtung, jedoch weniger stark ausgeprägt, zeigten die Ergeb­nisse für einen Anstieg bzw. eine Eskalation des Tabakkonsums [6].

Einen anderen Ansatz wählte eine US-amerikanische Studie, die einem möglichen Zusammenhang zwischen der zunehmenden Popularität von E-Zigaretten und einer Veränderung der populationsweiten Raucher-Ausstiegsrate in den USA nachging. Ihre wichtigste Aussage deutet darauf hin, dass die gestiegene Nutzung von E-Zigaretten mit einer höheren populationsweiten Ausstiegsrate assoziiert war [7].

Die unterschiedlichen Aussagen dieser zwei Studien machen deutlich, dass es keine einfachen Antworten auf die Frage geben kann, ob E-Zigaretten in der Gesamtbetrachtung eher nützlich oder schädlich sind. Die Befürchtung steht im Raum, dass bei steigender Zahl heranwachsender Konsumenten von E-Zigaretten später entweder ein Wechsel zum Tabakkonsum stattfindet oder eine größere Kohorte Nicotin-süchtiger Erwachsener entsteht. Von Seiten der FDA wird daher gefordert, den Vertrieb aromatisierter E-Zigaretten einzuschränken, um den Einstieg in das Dampfen zu erschweren [8]. |

Literatur

[1] Fakten zum Rauchen: E-Zigaretten. Informationen des Deutschen Krebsforschungszentrums, Heidelberg, 2018, www.dkfz.de/de/tabakkontrolle/download/Publikationen/FzR/FzR_2018_E-Zigaretten.pdf?m=1544522759

[2] Hajek P et al. A randomized trial of E-cigarettes versus nicotine-replacement therapy. N Engl J Med 2019; DOI: 10.1056/NEJMoa1808779

[3] Borelli B et al. E-Cigarettes to assist with smoking cessiation. N Engl J Med 2019, DOI: 10.1056/NEJMe1816406

[4] Hartmann-Boyce J et al. Electronic cigarettes for smoking cessation. Cochrane Database Syst Rev 2016;(9):CD010216

[5] El Dib R et al. Electronic nicotine delivery systems and/or electronic non-nicotine delivery systems for tobacco smoking cessation or reduction: a systematic review and meta-analysis. BMJ 2017;7(2):e012680

[6] Conner M et al. Do electronic cigarettes increase cigarette smoking in UK adolescents? Evidence from a 12-month prospective study Tob Control 2017; DOI: 10.1136/tobaccocontrol-2016-053539

[7] Zhu SH et al. E-cigarette use and associated changes in population smoking cessation: evidence from US current population surveys BMJ 2017;358:j3262, DOI: 10.1136/bmj.j3262

[8] Drazen J et al. The dangerous flavors of E-cigarettes. N Engl J Med 2019; DOI:10.1056/NEJMe1900484.

[9] Halpern S et al. A pragmatic trial of E-cigarettes, incentives, and drugs for smoking cessation. N Engl J Med 2018;378:2302-2310

[10] Pressemitteilung der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin e.V. vom 15. Februar 2019

Apothekerin Dr. Petra Jungmayr

Das könnte Sie auch interessieren

Lungenprobleme bei Nutzern von E-Zigaretten – eine Spurensuche

Gefährliche Mixturen

Hinweise auf ein erhöhtes Risiko für chronische Lungenerkrankungen

Die E-Zigarette – ein falscher Freund

Interaktionen erkennen und vermeiden

Gecheckt: Tabakrauch

E-Zigaretten und Nicotinersatztherapie im Vergleich

Alternativen zum Glimmstängel

Ein Rauchstopp ist machbar – mit professioneller Unterstützung

Mission (im)possible

Cochrane-Review zum Rauchstopp

E-Zigaretten helfen nur wenig

Bei oraler Applikation ist die Suchtfrage absolut nebensächlich

Medizinisches Cannabis

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.