Pandemie Spezial

Schwere COVID-19-Fälle gemeinsam versorgen

Interview mit einer Krankenhausapothekerin

Die Aufrechterhaltung der Arzneimittelversorgung in Krankenhäusern trotz Lieferengpässen sicherzustellen, treibt derzeit alle Krankenhausapotheker um. Einen über diese elementaren Maßnahmen hinausgehenden Beitrag, können infektiologisch geschulte Apotheker bei der Behandlung schwer erkrankter COVID-19 Patienten leisten. Interdisziplinär zusammengesetzte Teams profitieren dabei von der Expertise der Arzneimittelexperten.
Foto: privat

Jutta Dedy

Wir sprachen mit Jutta Dedy, stellvertretende Leiterin der Krankenhausapotheke des Universitätsklinikum Essen und seit 2005 Mitglied des klinikinternen Antibiotika-Beratungsservice.

DAZ: Frau Dedy, hat sich der Tagesablauf in der Krankenhausapotheke geändert?

Dedy: Mit Beginn der Pandemie wurden in unserer Apotheke sämtliche Prozesse daraufhin überprüft, durch welche Maßnahmen wir sicherstellen können, dass wir einerseits das Übertragungsrisiko im Team minimieren, andererseits auch im Falle von Personalausfällen zentrale Dienstleistungen zuverlässig anbieten können. So wurden Schichtmodelle eingeführt, Homeoffice ermöglicht und rechtzeitig erweiterte Vertretungsregelungen etabliert, und nicht zuletzt Grundregeln des „social distancing“ in den Arbeitsalltag integriert. Unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter tragen das mit hohem Engagement mit.

DAZ: Welche Maßnahmen wurden krankenhausintern ergriffen, um sich auf eine Infektionswelle vorzubereiten?

Dedy: Es wurde ein gemeinsames Konzept für alle Häuser der Universitätsmedizin Essen erstellt und Abteilungen festgelegt, die schwerpunktmäßig in die Behandlung der COVID-19-Patienten eingebunden sind und solche, die weiterhin Patienten mit anderen Krankheitsbildern behandeln. Um ausreichend Bettenkapazität einschließlich Beatmungsplätzen sicherzustellen, wurden elektive Eingriffe verschoben. Die Kapazität an Beatmungsplätzen wurde vergrößert und frei werdendes Personal entsprechend geschult. Auch die Zentrale Notaufnahme wurde deutlich erweitert. So können von der Aufnahme an die Patienten strukturiert betreut werden.

DAZ: Welchen Beitrag hat die Krankenhausapotheke geleistet?

Dedy: Die Krankenhausapotheke hat sich frühzeitig mit den Stationen abgestimmt, bei welchen Präparaten ein Mehrbedarf zu erwarten ist und eine Bevorratung in die Wege geleitet. Insbesondere mussten die Stationen mit neuen Beatmungsplätzen in ihrer Vorbereitung unterstützt werden. Von außen her am deutlichsten wahrnehmbar ist sicher die Eigenherstellung von Hautdesinfektionsmitteln, durch die die drohenden Desinfektionsmittelengpässe abgewendet werden konnten.

DAZ: Durch Ihre langjährige Tätigkeit auf der Intensivstation und als Expertin für das Antibiotic Stewardship (ABS) verfügen Sie über umfangreiche infektiologische Erfahrungen. Wie können Sie den Teammitgliedern aus der Ärzteschaft, der Pflege, Mikrobiologie und Hygiene derzeit am besten helfen?

Dedy: Von Anfang an haben alle Stationen, die in die Therapie der COVID-19-Patienten eingebunden sind, eng zusammengearbeitet und gemeinsame Konzepte entwickelt, hier war das ABS-Team beteiligt. Auf den Intensivstationen, die COVID-19-Patienten behandeln, haben wir die Frequenz der ABS-Visiten erhöht, um den Erfahrungsaustausch mit den behandelnden Ärzten noch zu intensivieren.

DAZ: Traten bereits bei den in Ihrer Klinik behandelten COVID-19-Patienten bakterielle Superinfektionen auf?

Dedy: Bei der Aufnahme gab es, anders als von der Influenza bekannt, nur bei einer Minderheit der Patienten bakterielle Superinfektionen. Im Verlauf insbesondere des Intensivaufenthalts treten auch bakterielle Infektionen auf, wie wir sie von anderen Intensivpatienten kennen, diese werden nach den üblichen Standards behandelt.

DAZ: Haben Sie Erfahrungen in Bezug auf Lieferschwierigkeiten Anästhesie-relevanter Medikamente gemacht?

Dedy: Bislang ist es uns glücklicherweise möglich gewesen, die Lieferschwierigkeiten zu kompensieren und die Versorgung sicherzustellen. Wir haben ein engmaschiges Verbrauchsmonitoring etabliert und stehen in engem Austausch mit unseren Intensivmedizinern, um sie stets aktuell zu informieren und ihnen die Möglichkeit zu geben, ihre Therapiekonzepte gegebenenfalls anzupassen. Auch die Möglichkeiten der Eigenherstellung werden geprüft bzw. schon genutzt. Bei verschiedenen Präparaten ist die Lage zweifellos angespannt. Es gibt erhebliche Bemühungen seitens der einzelnen Krankenhäuser, der Verbände und auf politischer Ebene, um die Versorgung sicherzustellen.

DAZ: Vielen Dank für das Gespräch! |

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