Arzneimittel und Therapie

Plättchenhemmung „light“ statt dual

Therapie kann nach kurzer Zeit ohne ASS fortgeführt werden

Duale Thrombozytenaggregationshemmung ist derzeitiger Therapiestandard nach perkutaner Koronarintervention. Wie lange solch eine Therapie sinnvoll ist, ist unklar. Aktuelle Studien liefern Hinweise, dass eine verkürzte duale Plättchenhemmung von Vorteil ist – und dass es im Anschluss bessere Optionen als eine ASS-Monotherapie gibt.

Eine mehrmonatige duale Thrombozytenaggregationshemmung (dual antiplatelet therapy, DAPT) ist derzeit der Therapiestandard nach der Implantation medikamentenbeschichteter Stents. Dadurch sollen Stentthrombosen verhindert und das Risiko weiterer kardiovaskulärer Komplikationen reduziert werden. Kombiniert wird Acetylsalicylsäure (ASS) mit einem P2Y12­Inhibitor (z. B. Clopidogrel, Prasugrel, Ticagrelor). In der Regel wird eine Kombinationstherapie über einen Zeitraum von sechs bis zwölf Monaten empfohlen. Die Dauer der dualen Hemmung muss jedoch unter Abwägung kardiovaskulärer Risiken einerseits und einem erhöhten Blutungsrisiko andererseits bestimmt werden und kann dementsprechend variieren [1]. Nach Beendigung der Kombinationstherapie wird die Behandlung mit ASS für gewöhnlich lebenslang fortgesetzt.

Foto: Chaikom – stock.adobe.com

Das Blutungsrisiko kann durch die frühzeitige Umstellung von einer dualen Plättchenhemmung auf eine Monotherapie mit einem P2Y12-Inhibitor wie Ticagrelor bei Patienten nach einer perkutanen Koronarintervention (PCI) reduziert werden.

Neue Strategie unter der Lupe

Im Rahmen von mehreren klinischen Prüfungen wurde nun eine neue Strategie beleuchtet. Und zwar, ob eine Fortsetzung der Therapie mit einem P2Y12-Rezeptor-Antagonisten – anstelle der gängigen Monotherapie mit ASS – nach einer vergleichsweise kurzen Kombinationstherapie gegenüber der üblichen dualen Thrombozytenaggregationshemmung Vorteile aufweist.

In Japan wurden 3045 Patienten, denen in perkutaner Koronarintervention (PCI) Everolimus-beschichtete Stents implantiert wurden, randomisiert den Behandlungsgruppen DAPT mit ASS und Clopidrogel über zwölf Monate vs. DAPT über einen Monat und anschließender Monotherapie mit Clopidrogel zugeteilt [2]. In ähnlicher Weise wurden in einer koreanischen Studie 2993 Patienten nach Implantation Everolimus- oder Sirolimus-beschichteter Stents zunächst drei Monate dual mit ASS und einem der P2Y12-Inhibitoren Clopidogrel, Prasugrel oder Ticagrelor therapiert. Anschließend wurde auch hier in einem Studienarm die DAPT über zwölf Monate fortgesetzt, während im Vergleichsarm nur die Therapie mit dem P2Y12-Inhibitor weitergeführt wurde [3].

Kürzer ist besser

In Japan erwies sich die einmonatige DAPT als nicht unterlegen bzw. sogar als überlegen gegenüber der zwölfmonatigen dualen Hemmung. Ein Ereignis des primären Endpunkts (kardiovaskulärer Tod, Myokardinfarkt, Schlaganfall, Stentthrombose, Blutungen) trat bei 2,36% der Patienten unter der einmonatigen DAPT und bei 3,70% der Patienten mit zwölfmonatiger Kombinationstherapie ein. Im sekundären Endpunkt „Häufigkeit schwerwiegender und nicht schwerwiegender Blutungen“ war die einmonatige DAPT der zwölfmonatigen DAPT ebenfalls überlegen (0,41% vs. 1,54%).

In Korea traten unter zwölfmonatiger dualer Hemmung bei 2,5% der Patienten schwere kardiale und zerebrovaskuläre Ereignisse auf, unter dreimonatiger DAPT und Fortsetzung der Therapie mit P2Y12-Inhibitor bei 2,9% der Patienten. Statistisch konnte kein Unterschied zwischen den Gruppen festgestellt werden. Auch in dieser Studie zeigte sich also eine Nichtunterlegenheit einer verkürzten DAPT. Darüber hinaus traten signifikant weniger Blutungen unter dreimonatiger (2,0%) vs. zwölfmonatiger DAPT (3,4%) auf.

Perkutane Koronarintervention

Verengungen oder Verschlüsse der Herzkranzgefäße führen zu einer Minderversorgung des Herzmuskels. Zur Wiederherstellung des Blutflusses wird bei einer perkutanen Koronarintervention (PCI) ein Katheter über einen Draht bis zur Verengung des Herzkranzgefäßes vorgeschoben. Ein am Ende des Drahts befindlicher Ballon wird in Höhe der Verengung gefüllt und so die Verengung geweitet (Ballondilatation). Das Einsetzen eines Gittergerüsts (Stent) soll die Revaskularisation möglichst langfristig erhalten.

Es muss nicht immer ASS sein

Eine Verkürzung der dualen Plättchenhemmung mit anschließender Monotherapie mit einem P2Y12-Inhibitor reduziert demnach Blutungskomplikationen nach Stent-Implantation, ohne das kardiovaskuläre Risiko zu erhöhen. Bei vergleichbaren Studien unter Fortführung der Therapie mit ASS wurde ebenso kein erhöhtes kardio­vaskuläres Risiko ermittelt [4]. Aller­dings konnte hier keine Reduktion im Blutungsrisiko festgestellt werden.

Sowohl die koreanische als auch die japanische Studie weisen jedoch Limitierungen wie eine fehlende Verblindung auf, und auch die Übertragbarkeit der Daten aus ostasiatischen Studienpopulationen auf weitere Ethnien ist nicht zwingend gegeben.

Aussagekräftige Ergebnisse hat kürzlich die groß angelegte TWILIGHT-Studie geliefert [5]. Sie ist in elf Ländern an insgesamt 187 Studienorten durchgeführt worden. Ein Team um Roxana Mehran von der Icahn School of Medicine at Mount Sinai, New York, hatte untersucht, ob Patienten, die nach perkutaner Koronarintervention (PCI) ein hohes Risiko für ischämische und hämorrhagische Komplikationen tragen und eine dreimonatige duale Therapie mit Ticagrelor und Acetylsalicylsäure (ASS) absolviert haben, von einer Mono­therapie mit dem P2Y12-Inhibitor Ticagrelor pro­fitieren. Zwischen Juli 2015 und ­Dezember 2017 sind rund 9000 Pa­tienten nach erfolgreicher PCI mit mindestens einem Medikamenten-frei­setzenden Stent in die Studie auf­genommen worden. Davon konnten nach einer dreimonatigen Behandlung mit Ticagrelor (zweimal täglich 90 mg) und ASS (81 bis 100 mg täglich) insgesamt 7119 Patienten im Verhältnis 1 : 1 randomisiert werden. In den folgenden zwölf Monaten erhielten alle Patienten weiterhin Ticagrelor. Zusätzlich erhielt die eine Hälfte der Teilnehmer wie bisher ASS, die andere jedoch ein Placebo.

Genotypisieren oder nicht?

cst | Seit Längerem wird diskutiert, ob vor dem Beginn einer Therapie mit einem P2Y12-Inhibitor der CYP2C19­Genotyp bestimmt werden sollte. Der Hintergrund: Clopidogrel wird durch das Cytochrom-P450-Enzym in seinen aktiven Metaboliten umgewandelt. Die Wirkung kann durch Mutationen im CYP2C19-Gen herabgesetzt werden. Der Anteil der heterozygoten Träger mit solch einer Loss-of-function­Mutation liegt je nach Popu­lation zwischen 24 und 47%. Zwei defekte Allele (poor metabolizer) liegen bei rund 2,5% der Personen mit euro­päischer Abstammung vor.

Aufgrund der besseren antithrombotischen Wirksamkeit werden in Leitlinien bevorzugt Ticagrelor und Prasugrel empfohlen - diese sind jedoch mit einem erhöhten Blutungsrisiko verbunden. In einer randomisierten, offenen Studie wurde nun untersucht, ob Herzinfarkt-Patienten, die nach einer PCI mit Stentimplantation eine duale plättchenhemmende Therapie erhalten sollen, von einer Bestimmung des CYP2C19-Genotyps profitieren. Dazu wurden 2488 Patienten in zwei Gruppen randomisiert: Die eine Hälfte wurde routinemäßig zwölf Monate lang mit Ticagrelor oder Prasugrel behandelt, bei der anderen Hälfte wurde zunächst eine Genotypisierung durchgeführt. Patienten ohne Mutation erhielten Clopidogrel, bei den übrigen Patienten wurde Ticagrelor oder Prasugrel eingesetzt. Im Hinblick auf thrombotische Ereignisse zeigte sich kein Unterschied zwischen den beiden Gruppen. Blutungen traten bei Patienten, deren Therapie anhand des Gen-Tests ausgewählt wurde, jedoch seltener auf. Wie in einem Kommentar zu der Studie zu lesen ist, lassen sich durch genetische Testverfahren somit leicht jene Patienten identifizieren, für die Clopidogrel die beste – und kostengünstigste – Behandlungsoption darstellt.

[Literatur:

Roden DM. N Engl J Med 2019;381(17):1677-1678; Claassens DMF et al. N Engl J Med 2019;381(17):1621-1631 ]

Weniger Blutungen unter Ticagrelor-Monotherapie

Primärer Studienendpunkt war das erste Auftreten einer klinisch relevanten Blutung im Zeitraum eines Jahres nach Randomisierung. Für die Beurteilung der Blutungen wurde eine Skala von 0 (= keine Blutung) bis 5 (= tödliche Blutung) nach Definition des Bleeding Academic Research Consortium (BARC) zugrunde gelegt. Wichtigster sekundärer Endpunkt der Studie war ein kombinierter Endpunkt aus Tod, nicht tödlichem Myokardinfarkt oder nicht tödlichem Schlaganfall.

In der Ticagrelor/Placebo-Gruppe wurde der primäre Endpunkt von 141 Patienten (4,0%) erreicht. In der Tica­grelor/ASS-Gruppe waren es 250 Patienten (7,1%). Daraus resultiert ein 44% niedrigeres Risiko für Blutungen des BARC-Typs 2, 3 und 5 unter einer Tica­grelor-Monotherapie im Vergleich zur Kombinationstherapie mit ASS (Hazard Ratio [HR] 0,56; 95%-Konfidenzintervall [KI] 0,45 bis 0,68). In Bezug auf koronare Ereignisse zeigte sich kein Unterschied zwischen den Behandlungsgruppen (HR 0,99; 95%-KI 0,78 bis 1,25). Die Inzidenz für Tod, Myokardinfarkt oder Schlaganfall betrug jeweils 3,9%. Das Risiko für ischämische Ereignisse war unter der Monotherapie somit nicht erhöht.

Zusammenfassend stellen die Studienautoren fest, dass bei Hochrisiko­patienten nach einer PCI und einer dreimonatigen dualen antithrombo­zytären Therapie der Wechsel zur Tica­grelor-Monotherapie mit einem klinischen Nutzen verbunden ist. |

Literatur

[1] Neumann FJ et al. 2018 ESC/EACTS Guidelines on myocardial revascularization. Eur Heart J 2019;40(2):87–165

[2] Watanabe H et al. Effect of 1-Month Dual Antiplatelet Therapy Followed by Clopidogrel vs 12-Month Dual Antiplatelet Therapy on Cardiovascular and Bleeding Events in Patients Receiving PCI: The STOPDAPT-2 Randomized Clinical Trial. JAMA 2019;321(24):2414-2427

[3] Hahan JY et al. Effect of P2Y12 Inhibitor Monotherapy vs Dual Antiplatelet Therapy on Cardiovascular Events in Patients Undergoing Percutaneous Coronary Intervention: The SMART-CHOICE Randomized Clinical Trial. JAMA 2019;321(24):2428-2437

[4] Ziada KM, Moliterno DJ. Dual Antiplatelet Therapy: Is It Time to Cut the Cord With Aspirin? JAMA 2019;321(24):2409-2411

[5] Mehran R et al. Ticagrelor with or without Aspirin in High-Risk Patients after PCI. N Engl J Med 2019; doi:10.1056/NEJMoa1908419

Apotheker Dr. Peter Meiser, Apothekerin Dr. Daniela Leopoldt

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