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P2Y12-Antagonisten

Antagonisten des Adenosindiphosphat-Rezeptors P2Y12 (ADP-Rezeptor-Antagonisten) vermindern in ähnlicher Intensität die Aktivierung von Thrombozyten wie ASS. In den letzten Jahren wurde die Wirksamkeit von Clopidogrel hinterfragt und zwei neue Antagonisten wurden zugelassen.

Clopidogrel

Clopidogrel-Resistenz. Seit Jahren wird eine Neutralisierung der Wirkung von Clopidogrel (Plavix®, Iscover®, Generika) durch Hemmung von CYP2C19 und bei Poor-Metabolizern diskutiert. Clopidogrel ist ein Prodrug, das unter anderem durch CYP2C19 aktiviert wird (Tab. 4). Die Gefahr einer Neutralisierung mit Wirkungsverlust besteht bei:

  • Komedikation mit CYP2C19-Inhibitoren. Wichtigstes Beispiel ist Omeprazol und Esomeprazol, unter deren Komedikation Therapieversagen von Clopidogrel beschrieben wurde. Alternativen sind Pantoprazol und die anderen Protonenpumpeninhibitoren (PPI) (Tab. 5).
  • CYP2C19-Poor-Metabolizern: Bei ungefähr zwei Prozent der kaukasischen Bevölkerung ist dieses Enzym homozygot verändert und somit nicht oder nur schwach aktiv. Bei diesen Menschen ist die Inzidenz für kardiovaskuläre Ereignisse unter Clopidogrel um das Drei- bis Vierfache erhöht. Eine generelle Umstellung auf die neuen P2Y12-Antagonisten wird dadurch nicht gerechtfertigt, zumal Studien auch eine gute Wirkung von Clopidogrel unabhängig vom CYP2C19-Metabolismus beschreiben. Bei einem nachgewiesenen CYP2C19-Poor-Metabolizer-Status sollte jedoch sicherheitshalber auf einen anderen Gruppenvertreter umgestellt oder eingestellt werden.

Prasugrel und Ticagrelor

Prasugrel (Efient®). Der große Unterschied zu Clopidogrel ist die von CYP2C19 unabhängige Aktivierung, denn Prasugrel wird durch Esterasen und mehrere andere CYP-Enzyme aktiviert. Seine Indikation ist die Clopidogrel-Resistenz, die jedoch noch immer kontrovers diskutiert wird. Bisher wurden keine Non-Responder unter Prasugrel beschrieben. Prasugrel sollte bei Patienten ≥ 75 Jahren oder unter 60 kg Körpergewicht nur in reduzierter Dosierung von 5 mg eingesetzt werden; es ist bei anamnestischer transitorischer ischämischer Attacke (TIA) oder Schlaganfall kontraindiziert.

Ticagrelor (Brilique®). Im Gegensatz zu den beiden anderen Gruppenvertretern gehört Ticagrelor nicht zu den Thienopiperidinen und hemmt den P2Y12-Rezeptor reversibel. Seine Wirkdauer entspricht also seiner Plasma-HWZ von acht bis zehn Stunden. Das bedeutet auch, dass mit einer Unterbrechung der Einnahme die Wirkung rasch verloren geht. Ticagrelor wird zweimal täglich eingenommen.

Ticagrelor blockiert auch die Aggregation von transfundierten Thrombozyten, so dass operative Eingriffe bis zu 36 Stunden nach Ticagrelor-Gabe unterbleiben sollten. Eine häufige Nebenwirkung sind Dyspnoen, möglicherweise die Folge einer (paradoxen) Adenosin-artigen Wirkung.

Indikationen der P2Y12-Antagonisten

Bei Herzinfarkt gehört Clopidogrel mit einer Initialdosis von 300 bis 600 mg zur Akutmedikation. Als Monotherapie wird Clopidogrel zur Sekundärprävention von atherothrombotischen Ereignissen eingesetzt. Im klinischen Alltag werden P2Y12-Antagonisten nur zusammen mit ASS oder als Monosubstanz bei ASS-Unverträglichkeit verordnet. Bei Phenprocoumon-Unverträglichkeit sind die P2Y12-Rezeptor-Antagonisten mit ASS die zweite Wahl bei Vorhofflimmern.

Prasugrel und Ticagrelor werden mit ASS bei Myokardinfarkt mit ST-Strecken-Hebung (ST-Elevated Myocardial Infarction = STEMI) oder Myocardinfarkt ohne ST-Strecken-Hebung (Non-ST-Elevated Myocardial Infarction = NSTEMI) eingesetzt, sie sind auch im Rahmen einer perkutanen Koronarintervention (PCI) beziehungsweise Stent zugelassen (Tab. 6).

Vergleich der P2Y12-Antagonisten

Prasugrel ist eine stärkere Alternative zu Clopidogrel. Prasugrel (+ASS) verglichen mit Clopidogrel (+ASS) vermeidet wirksamer nicht-tödliche Herzinfarkte (zusätzlich 2,2%/Jahr weniger, NNT = 45), wovon vor allem Diabetiker profitieren; Risikopatienten erleiden dafür mehr Blutungen (zusätzlich 1%/Jahr mehr, NNH = 100).

Ticagrelor hemmt am stärksten und schnellsten die Thrombozytenaggregation und ist indiziert, wenn eine gute Steuerbarkeit bzw. kurze Wirkdauer erwünscht ist. Cave: ASS kann eventuell die Effektivität von Ticagrelor abschwächen. Ticagrelor (+ASS) senkt verglichen mit Clopidogrel (+ASS) auch die Mortalität (zusätzlich 1,4% Jahr weniger Tote pro Jahr , NNT = 71).

Klinischer Stellenwert der P2Y12-Antagonisten

Vergleich mit ASS. In der Monotherapie gilt Clopidogrel bei atherosklerotischen Erkrankungen dem ASS als nicht-überlegen sowohl hinsichtlich der Wirkung wie der Blutungsgefahr, daher wird es in der Regel nur bei ASS-Unverträglichkeit oder mit ASS eingesetzt. Beim Schlaganfall senken beide die Reinfarktrate ähnlich effektiv. Eine aktuelle Studie aus China hat an einer stark selektionierten Patientenpopulation eine Überlegenheit der dualen Thrombozyten-Aggregationshemmung (TAH) gegenüber ASS allein gezeigt [25].

Clopidogrel + ASS (duale TAH) bei Stent. Nach einem Stent reduziert Clopidogrel zusätzlich zu ASS die Rate an Reinfarkten beziehungsweise Stentthrombosen gegenüber einer ASS-Monotherapie. Diese duale Thrombozyten-Aggregationshemmung ist eine Hauptindikation der P2Y12-Antagonisten. Bei beschichteten Stents (sog. drug eluting oder DE-Stents), bei denen die Einheilung und Endothelialisierung verzögert abläuft, wird zwölf Monate eine duale Thrombozyten-Aggregationshemmung durchgeführt; 30 Prozent der späteren Stentthrombosen lassen sich auf eine vorzeitige Beendigung der dualen Thrombozyten-Aggregationshemmung zurückführen. Bei hohem Blutungsrisiko wird die duale Thrombozytenaggregationshemmung bei DE-Stents auf drei bis sechs Monate (abhängig von der Beschichtung) verkürzt. Bei den unbeschichteten, sogenannten Bare-Metal-Stents, ist duale Thrombozyten-Aggregationshemmung für vier Wochen ausreichend. Anschließend erfolgt immer eine lebenslange ASS-Monotherapie. Wird nur eine perkutane transluminale koronare Angioplastie (PTCA) ohne Stent durchgeführt („Ballondilatation“), erfolgt eine duale Thrombozyten-Aggregationshemmung noch für zwei bis vier Wochen [7].

Clopidogrel + ASS (duale TAH) beim akuten Koronarsyndrom ohne Stent. Bei Patienten mit akutem Koronarsyndrom, aber ohne Stent und unabhängig von einer initialen Behandlung, wird eine duale Thrombozyten-Aggregationshemmung für zwölf Monate empfohlen. Die Datenlage dafür ist nur mäßig: eine duale Thrombozyten-Aggregationshemmung senkt gegenüber einer ASS-Monotherapie die Zahl der absoluten Ereignisse um zwei Prozent pro Jahr bei erhöhtem Blutungsrisiko.

P2Y12-Antagonisten bei Rauchern

Eine aktuelle Metaanalyse [6] zeigt eine besonders gute Wirkung von Clopidogrel bei Rauchern, weniger bei Nichtrauchern. Prasugrel und Ticagrelor sind im Vergleich zu Clopidogrel bei Rauchern nochmals wirksamer.

! Bei Clopidogrel ist eine Komedikation mit CYP2C19-Inhibitoren wie Omeprazol zu vermeiden.

! Die irreversiblen Inhibitoren Clopidogrel und Prasugrel hemmen die Thrombozytenaggregation noch zirka drei bis vier Tage nach dem Absetzen.

! Beim reversiblen Antagonisten Ticagrelor muss die Compliance sichergestellt werden.

! Eine routinemäßige Neueinstellung auf Prasugrel oder Ticagrelor muss gegen den hohen Preis und ein im Vergleich zu Clopidogrel eventuell erhöhtes Blutungsrisiko abgewogen werden.

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