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Tagebuch im Rückblick

Mein liebes Tagebuch

Rückblick auf das Jahr 2018

Das quälende Schweigen zum Honorargutachten, ein alles beherrschender, verzweifelter und letztlich verlorener Kampf ums Rx-Versandverbot, eine vergessene Digitalisierung und keine Ideen zum Apothekenhonorar – das wird die ABDA-Bilanz 2018 prägen. Wenn man genau hinschaut, zeichnet sich schon im März ab, dass für die Politik ein Rx-Versandhandels­verbot nicht wirklich die alleroberste Priorität hat – im Gegensatz zu unserer Berufsvertretung, die über diesen Kampf alles andere vergaß. Es war ein Jahr, von dem wir uns Apothekerinnen und Apotheker viel erwarteten, aber maßlos enttäuscht wurden. | Von Peter Ditzel

Januar 2018

Gleich zu Jahresbeginn bahnt sie sich an, die Schweigestrategie der ABDA zum Honorargutachten. Die ABDA hatte sich darauf verständigt, offiziell zum 2HM-Honorargutachten, vom Bundeswirtschaftsministerium in Auftrag gegeben, nichts zu sagen. Das Gutachten habe derart viele falsche Prämissen, die unweigerlich zu falschen Schlussfolgerungen führen – dies könne keine Grundlage für eine echte politische Auseinandersetzung sein. Also, im Klartext: Das Papier ist Schrott und deswegen reden wir erst gar nicht drüber. Mein liebes Tagebuch, dass diese Strategie des Totschweigens nicht aufgehen kann, mutmaßten nicht nur wir. Wie sagte doch der ABDA-Präsident Anfang des Jahres in seinem PZ-Interview auf die Frage, was er sich von 2018 verspricht: „Angesichts der schwierigen aktuellen Situation erwarte ich für 2018 nicht allzu viel …“ Mein liebes Tagebuch, dass dies so kommen sollte, dazu hat die ABDA wohl auch ihr Scherflein beigetragen.

Was Nettes aus dem Winterskiort Schladming vom Pharmacon: „Apotheker können niemals Egoisten sein“, hat Andreas Kiefer, unser Präsident der Bundesapothekerkammer, vor winterlichem Alpenpanorama gesagt. Das geht doch runter – eben, wie Glühwein. Man kann das so sehen: Wer Apotheker ist, muss sich so aufopfern und selbst ausbeuten – da bleibt für Egoismus kein Raum mehr. Na ja, fast kein Raum mehr, zumindest nicht viel Raum. Als Apotheker hat man das Gemeinwohl im Visier! Allein schon die Botendienste (umsonst), die Rezepturen (nicht kostendeckend), der Kontrahierungszwang (ein Muss) und die Dienstbereitschaft (allzeit bereit, unterbezahlt auch nachts) – wo in aller Welt bliebe da Zeit für Egoismen?

Und was weniger Nettes aus Schladming: Die angesetzte berufspolitische Diskussion wurde vergeigt. Die Teilnehmer durften schriftlich Fragen einreichen (lebendiger geht’s einfach nicht, gell?), die dann das hohe Podium beantwortete. Das gefiel einigen Apothekerinnen und Apothekern nicht, sie wollten eine echte Diskussion, einen Austausch von Argumenten, doch das war „oben“ unerwünscht, vor allem als die Sprache aufs Honorargutachten kam. Und so blieb ein schaler Nachgeschmack. Viele Apotheker hätten sich ein Signal gewünscht: Wir sind bei Euch, wir kämpfen für Euch.

Digitalisierung – das Schlagwort wird uns das ganze Jahr über verfolgen. Während die ABDA am Jahresanfang nur eine Absichtserklärung, einen „Letter of Intent“, mit den Berufsverbänden der Ärzte und der Zahnärzte unterzeichnet, um deutlich zu machen, wo’s da lang gehen soll, legen die Ärzte schon los. Die Landesärztekammer Baden-Württemberg erlaubt die Fernbehandlung im Modellversuch. Und damit kommt das E-Rezept durch die Hintertür. Und bei Apothekers sieht Digitales so aus: Der erste digitale Rezept-Briefkasten wird im baden-württembergischen Neidlingen aufgehängt. Immerhin, besser als nichts.

Februar 2018

Übrigens, auch von einigen Apothekerkammern erntete die ABDA viel Kritik für ihre Schweigestrategie zum Honorargutachten und zum passiven Kommunikationsverhalten. Doch die ABDA war für andere Argumente nicht zugänglich mit der Begründung: Wer über das Gutachten oder einzelne Punkte daraus diskutiere, erkenne dessen „inakzeptable Logik“ automatisch an. Deshalb dürfe man die Diskussion über das Papier nicht fördern, sondern müsse sie beenden. Aber trotz hartnäckigen Schweigens zum Honorargutachten muss unsere liebe Standesvertretung bald feststellen, dass es sich dadurch nicht in Luft auflöst, es existiert, es liegt auf den Tischen des Wirtschafts- und Gesundheitsministeriums, es liegt obenauf in den Regierungen der Länder, die Gesundheitspolitiker aller Parteien haben es in ihrer Schublade, auch die Krankenkassen haben es nicht in den Schredder geworfen. Und es poppt immer wieder auf.

Das Versandverbot für verschreibungspflichtige Arzneimittel (Rx) – mein liebes Tagebuch, wie oft musstest Du in diesem Jahr dieses Thema über Dich ergehen lassen. Beginnen wir im Februar: Es gab Hoffnungsschimmer fürs Rx-Versandverbot, manche sprachen sogar von einem „Feiertag“ für Apotheker. Als nämlich mit dem neuen Koalitionsvertrag bekannt wurde, dass das Bundesgesundheitsministerium an die CDU gehen soll und dass sich die Koalition fürs Rx-Versandverbot einsetzen will, war das Aufatmen groß. Dieser Kernsatz im Koalitionspapier ging runter wie Öl: „Wir stärken die Apotheke vor Ort: Einsatz für Verbot des Versandhandels mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln.“ Was gibt es Schöneres! Auf dem Papier. Noch-Bundesgesundheitsminister Gröhe macht sogar noch Hoffnung: Er wirbt dafür, dass er das Rx-Versandverbot in den Koalitionsvertrag gebracht hat. Doch dafür kassiert er viele ablehnende Posts, Kommentare und Bemerkungen im Netz – die Menschen draußen in der realen und virtuellen Welt verstehen das leider nicht – hat ihnen wohl auch niemand so richtig erklärt, warum das gut sein soll.

Ein Novum für unsere Berufsvertretung: Sie lädt rund 60 berufspolitisch interessierte Apothekerinnen und Apotheker nach Berlin, damit sie sich ein Bild davon machen können, wie Berufspolitik funktioniert. Also, mein liebes Tagebuch, das ist eine gute Initiative, die wiederholt werden soll. Vielleicht wächst ja das Interesse an der Berufspolitik – wäre gut, sonst ändert sich nie was.

Ende Februar: Jens Spahn wird Gesundheitsminister der neuen Groko. Was Apothekers ihm mit auf den Weg geben: Die Apotheken sind vor Ort und digital, und Päckchen verschicken hat nichts mit Digitalisierung zu tun. Und alles Weitere steht ja schon im Koalitionsvertrag.

März 2018

Verbandschef Fritz Becker macht derweil deutlich: „Wir brauchen den Versandhandel nicht, um die Versorgung auf dem Land sicherzustellen“, denn man habe Rezeptsammelstellen, man fange jetzt zudem mit digitalen Rezeptsammelstellen an, und man habe die Botendienste. Und überhaupt, mit dem OTC-Versand hätten die Apotheken ihren Frieden gemacht, und beim Rx-Versandverbot gehe es in erster Linie um die Gleichpreisigkeit. Mein liebes Tagebuch, so isses. Einfache Botschaften, die man jetzt einfach mit Herrn Spahn besprechen muss.

Die Grünen wollen sich mit einem Rx-Versandverbot nicht abfinden. Die SPD liebt es zwar auch nicht, will es aber mittlerweile – zähneknirschend – nicht blockieren. So richtig fest an unserer Seite scheint nur noch die Union zu stehen. Karin Maag, gesundheitspolitische Sprecherin der Unionsfraktion, weiß, was Deutschland an seinem Apothekensystem hat: „Aus meiner Sicht sollten wir die Überlebensfähigkeit unserer eigenen Apotheken sichern, bevor wir uns um das Wohl der ausländischen Versandapotheken kümmern.“ Und sie weiß, dass Digitalisierung nichts mit Päckchenversand zu tun hat – selten genug in unserer Zeit, in der die meisten Digitalisierung mit Versandhandel gleichsetzen.

Doch schon im März fragen Gesundheitspolitiker, ob es richtig ist, dass sich die ABDA aufs Rx-Versandverbot fixiert. Vielleicht sollten die Apotheker auch mal daran denken, was wäre wenn. Wenn nach zwei, drei Jahren feststehen sollte, dass ein Rx-Versandverbot nicht durchsetzbar ist, wäre viel Zeit verloren, meint die gesundheitspolitische Sprecherin der SPD, Sabine Dittmar. Doch davon will die ABDA nichts wissen.

Immer häufiger, immer öfter blitzt Skepsis in den Äußerungen der Gesundheitspolitiker zum Rx-Versandverbot auf: Es steht zwar im Koalitionsvertrag und der CDU ist es, wie Karin Maag glaubhaft versichert, durchaus ernst damit. Nur, mein liebes Tagebuch, so gaaaaanz oberste Priorität hat das Thema nun auch nicht. Sie meinte, ein Entwurf zu einem Verbot sei „im Herbst dieses Jahres wahrscheinlich“. Mein liebes Tagebuch, Politikerworte!

Nur in Bayern ist wie so oft die Welt noch in Ordnung: Auch unter dem neuen bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder bleibt Melanie Huml Gesundheitsministerin. Und das Schönste: Sie mag Apotheker. Sie ist eine engagierte Fürsprecherin der Apotheke vor Ort und eine Verfechterin des Rx-Versandverbots.

Anders sieht es auf oberster Ebene aus, im Bundesgesundheitsministerium. Da heißt es als Antwort auf eine entsprechende Anfrage der Grünen zum Rx-Versandverbot: „Der Meinungsbildungsprozess über die Umsetzung der Koalitionsvereinbarung ist zu diesem Punkt noch nicht abgeschlossen.“ Mein liebes Tagebuch, das schlägt dem Fass den Boden aus. Unglaublich!

Honorargutachten: ABDA-Präsident Schmidt rechtfertigt das große Schweigen auf der hessischen Kammerversammlung: Er sei einfach davon überzeugt, es sei besser, öffentlich nicht darüber zu reden. Denn das Gutachten wolle eine Systemveränderung und das könne nicht unsere Diskussionsgrundlage sein. Es sei nicht Aufgabe der obersten Standesorganisation, mit allen Apothekern in Kontakt und Austausch zu treten – das sei Sache der Kammern und Verbände. ABDAs Aufgabe sei es, den Berufsstand nach außen zu vertreten. Der Erfolg messe sich nicht an interner Kommunikation. Mein liebes Tagebuch, macht er es sich damit nicht zu einfach? So gewinnt man nicht das Vertrauen der Basis. Außerdem: Worauf wir nach wie vor keine Antwort bekommen, und schon gar nicht von Schmidt, ist die Frage, wie denn nach ABDA-Meinung das Apothekenhonorar der Zukunft aussehen soll? An dieser Frage arbeitet zwar bereits seit Jahren die Arbeitsgemeinschaft Honorar der ABDA, aber Ergebnisse gibt’s wohl nicht.

April 2018

Tja, rückblickend hat sie da wohl Recht. Sabine Dittmar, gesundheitspolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion, angesprochen auf das Thema Apotheken-Honorar, meint: „Ich glaube nicht, dass da viel passiert.“

Und dann erste Äußerungen von Gesundheitsminister Spahn im Gesundheitsausschuss des Bundestags zum Rx-Versandverbot. Man muss zuhören und schon weiß man, was er von seiner Realisierbarkeit hält: Nichts, aber auch gar nichts. Er will eigentlich gar nicht. Da ist kein Funken von Zuversicht und Begeisterung zu spüren, wie wir sie von seinem Vorgänger bei diesem Thema kennen. Spahn will den Versandhandel. Und schon im April bereitet er den Weg vor, den er gehen möchte: Das eigentliche Problem im Apothekenmarkt sehe er in der Honorierung, die Honorarstruktur sei „reformbedürftig“, meint er und er wolle zeitnah mit den Apothekern darüber sprechen – er erwarte Antworten und Vorschläge zum Honorar-Thema. Es war eine Einladung an die ABDA, endlich ihre Vorstellungen zusammenzutragen und anzubieten. Es hätten die Vorstellungen sein können, die wohl die ABDA-Honorartruppe hätte erarbeiten sollen – aber da kam nichts.

Aus Kreisen des Bundesgesundheitsministeriums ist immer wieder zu hören: Das Versandverbot hat keine Priorität. Mein liebes Tagebuch, während wir warten und warten und warten, pflastern ausländische Versender die Werbewände mit Plakaten zu, die weis­machen wollen, dass Rezepte am besten in die Niederlande sollen, und werfen mit Rabatten für Rezepte um sich.

Immer offener ist von Gesundheitspolitikern zu hören: Es wird nichts mit dem Rx-Versandverbot. CDU-Gesundheitspolitiker Michael Hennrich: „Ein Aussitzen hilft uns nicht weiter. Wir müssen umdenken und neue Wege finden.“ Was sich bisher nur andeutete, wird immer offensichtlicher: Keiner, nicht mal die schwärzesten CDUler, glaubt noch im tiefsten Herzen an ein Rx-Versandverbot.

Und nur, damit es auch jeder mitkriegt: „Bisher haben wir noch keine konkreten Pläne zum Rx-Versandverbot“, sagt Karl Lauterbach, SPD-Gesundheitspolitiker.

Pharmazeutischer Fortschritt zeichnet sich dagegen in Niedersachsen ab. Das Bundesland bereitet ein Gesetz vor, an allen Krankenhäusern Apotheker auf Station einzuführen. Niedersachsens Kammerpräsidentin Magdalene Linz meint: „Die Stationsapotheker sind ein Meilenstein für den Apothekerberuf.“ Natürlich gibt es Bedenken, wo der Mehrbedarf an Pharmazeutinnen und Pharmazeuten herkommen soll. Und es gibt erste Hinweise: Der Apotheker auf Station muss bundesweit kommen.

Wirtschaftsforum der Apotheker in Potsdam. Rund 2,3 Mio. Euro Umsatz machte eine durchschnittliche Apotheke im vergangenen Jahr. Gar nicht so schlecht, könnte man meinen, aber das sagt nur wenig über die wirtschaftliche Lage aus, denn 62 Prozent der Apotheken liegen unter diesem Durchschnitt. Außerdem gibt es eine große Spreizung zwischen großen und kleinen Apotheken. Und Umsatzsteigerungen haben nicht unbedingt mit einer Verbesserung der wirtschaftlichen Situation einer Apotheke zu tun. Gerade im Apothekenbereich: Denn hier steigen die Umsätze vor allem durch höhere Arzneimittelpreise.

Mai 2018

„Einfach unverzichtbar“ – unter diesem Motto steht eine neue ABDA-Kampagne, die die Bedeutung der Vor-Ort-Apotheke für die Gesellschaft herausstellen soll. Es ist eine Kampagne, die endlich mal frischer, jünger daherkommt, mein liebes Tagebuch – und das wurde auch mal Zeit.

Allen Unkenrufen zum Trotz hält die ABDA am Rx-Versandverbot fest, sie hat sich daran festgebissen und schaut nicht nach links und rechts – und nicht nach vorne. Zum Rx-Versandverbot gebe es keine Alternative, ist unsere Standesführung überzeugt, und sie betet dieses Credo herunter wie eine tibetanische Gebetsmühle. Ohne Rx-Versandverbot, so kommt es mittlerweile über, wird es keine Zukunft der Apotheke mehr geben. Wirklich, mein liebes Tagebuch? Ist das so? Haben wir Forderungen in der Schublade, wie unseren Apotheken geholfen werden kann? Sollten wir für die Zukunft stärker auf Zusatzhonorare setzen? Oder auf Fonds­lösungen? Oder über ganz andere Lösungen nachdenken? Mein liebes Tagebuch, kein Unternehmen der Wirtschaft würde nur auf eine einzige Strategie setzen …

Manche sehen die ABDA wie eine Löwin um ihre Jungen fürs Versandverbot kämpfen. Andere sind überzeugt, dass die Löwin wohl nur Milchzähne hat, die beim Zubeißen ausfallen. Apotheker Christian Redmann beispielsweise will sich nicht auf das Engagement verlassen, sondern setzt sich mit seiner Petition „Versandhandelsverbot für rezeptpflichtige Arzneimittel – Stellungnahme zum Koalitionsvertrag“ selbst dafür ein, dass das Rx-Versandverbot erhalten bleiben muss. Immerhin, einige aus dem ­ABDA-Olymp unterschrieben die Petition sogar, setzen sich aber öffentlich nicht dafür ein.

Es scheint ein letztes Aufbäumen in Richtung Rx-Versandverbot zu sein: Karin Maag, gesundheitspolitische Sprecherin der CDU, und Michael Hennrich, Gesundheitspolitiker der CDU, appellieren an Spahn, das Thema nicht auszusitzen. Dabei ist allen bewusst, dass es mehr als anspruchsvoll sein dürfte, ein rechtssicheres Verbot zu erarbeiten.

Derweil bekräftigt die „liebe“ FDP, dass sie Apothekenketten will, die Apotheken­liberalisierung. Und gegen das Rx-Versandverbot ist sie sowieso. Na denn, bye-bye FDP.

Der Glaube der ABDA ist unerschütterlich. Auf dem Pharmacon in Meran tönt der Präsident der Bundesapothekerkammer: „Die Große Koalition wird alles dafür tun, das Rx-Versandverbot umzusetzen“, ist sich Andreas Kiefer noch im Mai ganz sicher, „ich bin nach wie vor der Meinung, wir setzen uns mit unseren Argumenten durch.“ Und damit das nicht einfach so ungeschützt im Raum steht, hat er sich noch den Juristen und ehemaligen Verfassungsrichter Udo Di Fabio an seine Seite geholt, der als Verfassungsrechtler „kein Problem damit hätte, den Rx-Versandhandel zu verbieten“. Mein liebes Tagebuch, können wir uns jetzt zufrieden zurücklehnen und das schöne Südtirol (zumindest gedanklich aus der Ferne) genießen? Wird alles gut?

Weiterhin ist nichts zu einem neuen Honorarsystem von unserer ABDA zu hören. Schon seit sieben Jahren sucht eine Arbeitsgemeinschaft der ABDA danach und findet – nichts! Mein liebes Tagebuch, vermutlich wird Bundesgesundheitsminister Spahn der ABDA schon bald kräftig einheizen, denn für ihn hat ein neues Honorarmodell Priorität – sogar noch vor irgendeiner Rx-Versandverbots-Diskussion.

In der Digitalisierung gehen die Ärzte voran: Sie wollen die Telemedizin und Online-Rezepte, aber so richtig und mit voller Wucht. Und die ABDA, hat sie die Digitalisierung „vergessen“? Oder schaut sie einfach nur weg, wenn in Baden-Württemberg bereits ein Versorgungsmodell Teleclinic anläuft, bei dem Privatversicherte bereits ein Online-Rezept erhalten? Bei diesem Versuch konnte man immerhin erreichen, dass die Online-Rezepte nur an Vor-Ort-Apotheken weitergeleitet werden, wo sie eingelöst werden. Mein liebes Tagebuch, ich habe ernsthaft die Sorge, wir Apothekers werden von der Entwicklung abgehängt werden. Sogar DrEd, eine Online-Praxis mit Sitz in England, darf nun offiziell im Rahmen eines Modellprojekts Patienten aus Deutschland fern­behandeln.

So ganz hat unser ABDA-Präsident dann doch nicht seine Stimme verloren. In der Apotheken-Umschau analysiert Schmidt, warum so viele Apotheker keine Perspektive mehr in einer Existenz als Selbstständige sehen, nämlich wegen des scharfen Wettbewerbs, aber vor allem auch wegen der politischen Rahmenbedingungen. Sein Fazit: „Kein Wunder, dass junge Kollegen kein Vertrauen mehr in die Zukunft haben“, beklagt Schmidt die Situation. Ja, ja, alles richtig, mein liebes Tagebuch, aber mal Hand aufs Herz: Wo soll denn das Vertrauen herkommen?

Warme Worte aus Berlin im Mai – zumindest hört man endlich mal wieder was von der ABDA. Nein, nicht zum Honorarmodell und nicht zum Honorargutachten, sondern zum Richtfest des neuen Eigenheims. Mit einem super-coolen Event feiert unsere Berufsvertretung ihr bescheidenes Apothekerhäuschen in Berlin. Der Einzugstermin für die 35-Mio.-Immobilie steht fest: März 2019. Wir können’s kaum erwarten, ein Haus mit „Begegnungsflächen“ für einen „ebenso traditionsbewussten wie modernen Verband, der sich nach außen öffnet“. Auf der Richtfest-Party meinte Fritz Becker, das Haus werde repräsentativ mit Understatement und schlichter Eleganz wirken und passe daher gut zu den Apothekern. Allein das Gestaltungskonzept der Innenräume soll „die Einigkeit der Mitglieder“ widerspiegeln. Mir bebt das Herzelein. So viel Harmonie im Apothekerhaus!

Juni 2018

Immer wieder kommt es hoch, das vermaledeite 2HM-Gutachten des Bundeswirtschaftsministeriums zur Apothekenhonorierung. Dieses Mal holen es die Krankenkassen aus der Schublade. Eine Milliarde Euro – so viel will der GKV-Spitzenverband am Apothekenhonorar sparen mit Hinweis auf das Gutachten. Eine Milliarde Euro – mein liebes Tagebuch, mit solchen Einsparungen putzt man den Apothekenmarkt aber so was von leer – damit gibt es keine flächendeckende Versorgung mehr, damit kann man eine geordnete Arzneimittelversorgung, wie wir sie heute kennen, in den Wind ­schreiben. Immerhin, der Beschluss des GKV-Papiers bewirkt, dass sich die ABDA endlich mal zu einer Reaktion zum GKV-Papier bemüßigt fühlt: „Das ist nicht nur patientenfeindlich, sondern auch völlig absurd, denn das System ist hocheffizient,“ macht Fritz Becker, Chef des Deutschen Apothekerverbands, deutlich. Und Hans-Peter Hubmann vom Bayerischen Apothekerverband kennt aufgrund dieses AOK-Beschlusses kein Pardon mehr: „Lösen Sie diesen Spitzenverband auf“, tönt er populistisch auf dem Bayerischen Apothekertag.

SPD-Gesundheitspolitikerin Sabine Dittmar nimmt vor dem Hintergrund der AOK-Forderungen die ABDA in die Pflicht: „So ein Papier hätte ich auch gerne einmal von der ABDA. Ich kenne keine ausgearbeiteten Vorschläge aus den Reihen der ABDA, wie man sich das Honorar vorstellt.“ Mein liebes Tagebuch, wie wahr.

Die TGL-Vorsitzende Heidrun Hoch macht auch darauf aufmerksam, dass man nicht nicht kommunizieren kann und fragt, welche Botschaft die ABDA durch ihr Schweigen überbringen will. Die Politik fordere schon lange Vorschläge von den Apothekern ein, „aber warum liefert die ABDA nicht?“, so Hoch. Mein liebes Tagebuch, gute Frage!

Da die ABDA im Juni immer noch schweigt, wagt die Kammer Schleswig-Holstein eine Resolution gegen das Schweigen der ABDA zu verabschieden. Schweigen im Gesundheitswesen sei noch nie eine erfolgreiche Strategie gewesen, so der Delegierte Ulrich Ströh.

Zur Digitalisierung mahnen mittlerweile sogar Gesundheitspolitiker Vorschläge von der ABDA an, z. B. Bayerns Gesundheitsministerin Huml. Das Fernbehandlungsverbot, die Telemedizin, haben auch Konsequenzen für die Apotheker, ruft sie den Pharmazeuten zu. Und sie erwartet schon einen Vorschlag, wie man die Apotheker beteiligen kann: „Man kann nicht immer nur Nein sagen.“ Mein liebes Tagebuch, das sieht sie vollkommen richtig. Aber, mein Gott, das Dumme ist nur, dass sie von dieser unserer derzeitigen Führung leider nichts erwarten kann.

Die ABDA denkt da lieber darüber nach, wie sie mehr Geld für ihren Haushalt von den Kammern und Verbänden bekommt. Insgesamt 560.000 Euro will sie sich mehr von ihren 34 Mitglieds­verbänden holen, was an der Basis und in einigen Kammerversammlungen nur mit Staunen, Kopfschütteln und Protest quittiert wird. Was die ABDA will: Es sollen z. B. mehr Mitarbeiter eingestellt werden, der Immobilien-Bereich (wer hätte das gedacht!) wird mehr Euro verschlingen (Miete fürs Lindencorso und der anstehende Umzug in den Neubau) und die Abteilung Öffentlichkeitsarbeit soll mehr bekommen für den Bereich Online-Kommunikation (mein liebes Tagebuch, wir wussten gar nicht, dass schweigende Kommunikation so teuer sein kann).

Für den brandenburgischen Kammerpräsident Jens Dobbert stellt sich das Verhalten unserer Berufsvertretung so dar wie man es landauf, landab wahrnimmt: Seit sich die ABDA-Führung mit dem Bundesgesundheitsminister Jens Spahn getroffen habe, „könnte man glauben, sie existiert nicht mehr“. Und beim Thema Digitalisierung und Telematik hat Dobbert den Eindruck, die ABDA verschlafe die Entwicklungen. Mein liebes Tagebuch, prägnanter kann man es kaum ausdrücken.

Mitte Juni, Spahn auf Facebook: Zwar nichts Konkretes, aber ein bisschen zwischen den Zeilen hört man heraus, wo’s lang gehen soll. Jedenfalls gibt er sich volksnah und offen – im Gegensatz zu so manch anderen Organisationen. Was man dieses Mal erfuhr: Bis zum Deutschen Apothekertag will er ein „Gesamtpaket“ vorstellen, ein Paket mit einer Reform für die PTA-Ausbildung, fürs Apothekenhonorar und eine Regelung zum Versandhandels-Konflikt.

Ab und an dann ein Lebenszeichen aus dem Lindencorso, dieses Mal im Vorfeld der ABDA-Mitgliederversammlung: Man habe Verständnis für die Unruhe an der Basis, heißt es aus Berlin, daher wolle man ein Signal senden, dass eine Lösung des Versandhandelskonflikts in den nächsten Monaten (!) präsentiert werden könne, gemeinsam mit dem BMG. Na, mein liebes Tagebuch, das klingt nett – und vielleicht ein erster Schritt zur Selbsterkenntnis und Besserung?

Ihm reicht es aber nicht, wenn die ABDA erst im Herbst eine politische Lösung im Versandhandelskonflikt vorlegen will: Lutz Engelen, Kammerpräsident von Nordrhein. Er erwartet schon jetzt konkrete Antworten aus Berlin auch zu den Themen Dynamisierung des Honorars, digitale Strukturen, Ausbau pharmazeutischer Leistungen. Einheizen will er der ABDA, aber sie nicht abschaffen, wie er im DAZ.online-­Interview sagte. Engelens Heizperiode sollte nicht allzu lange dauern.

Auch Kai-Peter Siemsen, Hamburgs Kammerpräsident, betrachtet die ABDA mit Argus-Augen. Kritisch sieht er die fehlende Selbstreflexion der ABDA, fehlende Konzepte für gesellschaftliche Herausforderungen, die Hinterzimmer-Diplomatie ohne Erfolge. Sein Vergleich angesichts der geforderten Erhöhung der Mitgliederbeiträge: „Die ABDA ist wie eine Würgeschlange.“ Siemsen kündigte an, dass die Kammer Hamburg gegen den Haushaltsentwurf stimmen werde. Auch viele andere Kammern sind nicht mehr willens, diesen Selbstbedienungsladen zu finanzieren.

Das war‘s dann also: „Die aufgeregte Phase ist jetzt zu Ende“ – sagte der ABDA-Präsident nach der Mitgliederversammlung. Die Mehrheit hatte dem umstrittenen ABDA-Haushaltsentwurf zugestimmt. Mehr Geld (über eine halbe Million Euro) für mehr Personal, fürs neue Häuschen und ein neues Datenpanel. Etwa drei, vier aufrührerische Kammern sollen zwar in der erstmals geheimen Abstimmung gegen den Haushaltsentwurf gestimmt haben, aber irgendwie war der Rest ordentlich auf Spur gebracht worden. Mein liebes Tagebuch, wir fragen: Was kommt nach der „aufgeregten Phase“? Die somnambule Phase? Wo sind die frischen Ideen, wo ist die neue Denke, die uns ins digitale Zeitalter führt?

Man glaubt es kaum, es gibt noch Wunder: Völlig überraschend, wie aus heiterem Himmel schickt die ABDA ein Zeichen: Wir haben verstanden! Wir arbeiten an einem großen Telemedizin-Projekt mit dem Ziel das E-Rezept zu nutzen. Potzblitz, mein liebes Tagebuch, welch eine Meldung. War die ABDA aufgewacht?

Juli 2018

Der Deutsche Apothekerverband (DAV) hat eingesehen, dass die vereinbarten Preise für Rezeptur­inhaltsstoffe schon seit Jahren nicht mehr marktgerecht sind. Er hat seinen Beschluss wahr gemacht und die Anlagen 1 und 2 der Hilfstaxe gekündigt. Wow, der traut sich was, der DAV, oder? Mal unter uns, mein liebes Tagebuch: Warum der DAV so lange mit einer Kündigung der Hilfstaxe gewartet und damit toleriert hat, dass die Apotheken bei der Taxierung von Rezepturen drauflegen, kann man irgendwie nicht verstehen. Jetzt muss verhandelt werden, endlich.

Die Monopolkommission legt ein Gutachten vor und beschäftigt sich darin – wieder einmal – mit dem Apothekenmarkt. Die alte Leier: mehr Wettbewerb um jeden Preis oder zumindest das, was sie unter Wettbewerb versteht, als da wären freie Rx-Preise, Gewährung von Rabatten, fixes Apothekerhonorar in erster Linie für Beratung, Versand, Versand und noch mal Versand. Mein liebes Tagebuch, diese Ignoranz der apothekerlichen Arbeit ist mehr als ärgerlich. Das lässt die ABDA sogar für einen Augenblick ihre Stimme wiederfinden: „Die Vorschläge der Monopolkommission sind nicht zu Ende gedacht und hätten weitreichende, negative Konsequenzen“, haucht der Präsident und das war’s dann schon.

Die Bayern haben die Ruhe weg. Es genügt ihnen, wenn ihr Verbandsvorsitzender das Stillhalte­abkommen mit dem Bundesgesundheits­minister mit den Worten kommentiert: „Wäre die Entwicklung für die Apotheker bedrohlich, würden wir sicher nicht ruhig bleiben.“ Und er appelliert an seine Verbandsmitglieder, mehr Vertrauen in die Verbandsspitze zu haben, denn „es besteht keine alarmistische Stimmung“. Mein liebes Tagebuch, das nennt man bayerische Gemütlichkeit – oben brennt das Dach und nach unten meldet man: Schön, dass es so kuschelig warm ist.

Im Juli geht’s los: Unsere ABDA legt den Turbogang ein. Oder tut zumindest so. Der ABDA-Präsident überrascht mit einem Übergangsprojekt, mit dem man dem offiziellen E-Rezept zuvorkommen möchte („wir wollen schnell sein damit … wir streben die inhaltliche Führerschaft an“). Und schwupps antichambriert die ABDA sogar schon mit einer Projektskizze beim Bundesgesundheitsministerium, wie man sich ein E-Rezept vorstellen und es einführen könnte.

Eine neue Sprachregelung im Rx-Versandverbotskonflikt: Auch CDU-Stimmen wie Karin Maag akzeptieren „wirkungsgleiche Regelungen“, wenn’s denn nun mit dem Verbot nicht klappt. Und noch immer kommt Beschwichtigendes von der CSU – vor der Landtagswahl: „Wir setzen uns für ein Verbot des Versandhandels mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln ein und wollen die Apotheken vor Ort stärken.“ Man hat‘s wieder mal gesagt. Derweil rückt Spahn immer weiter weg vom Rx-Versandverbot. In einem Interview mit der Apotheken-Umschau sagt er, dass ein Versandverbot nicht die oberste Priorität für ihn habe. Er möchte lieber „alles versuchen, um einen fairen Wettbewerb herzustellen“.

Den Lunapharm-Skandal um die gestohlenen griechischen Krebsmedikamente nutzt die ABDA, die sofortige Streichung der verpflichtenden Importquote für rezeptpflichtige Arzneimittel aus dem Ausland zu fordern. Mein liebes Tagebuch, das zeigt, es gibt noch Hoffnung, dass die ABDA nicht ganz abgetaucht ist.

August 2018

Spahn bleibt dabei, er will die PTA-Ausbildung reformieren, nur wie? Wie im Koalitionsvertrag vereinbart, will er das Schulgeld für Gesundheitsberufe streichen. Gut so. Ein Knackpunkt dürfte die Ausbildungsdauer werden: Adexa und BVpta wollen sie von 24 auf 30 Monate verlängern. Das aber will die ABDA nicht, die ebenfalls mitreden will. Mein liebes Tagebuch, mit gesundem Menschenverstand lässt sich das nicht nachvollziehen. Warum sollte man einer pharmazeutischen Fachkraft, wie sie die PTA ist, eine fundierte, 30-monatige Ausbildung verweigern? Ausbildungsstoff gibt es doch wahrlich genug. Die Anforderungen sind gestiegen! ABDA, überleg mal! Ein Kompromiss kommt von der TGL Nordrhein: Sie möchte eine Verlängerung der praktischen PTA-Ausbildung auf ein Jahr, ein überlegenswerter Vorschlag.

Es verdichtet sich: Das E-Rezept kommt, sagt unsere ABDA, Ende Juni 2020 soll’s schon da sein. Zuvor müssen nur noch ein paar Kleinigkeiten geregelt werden. Beispielsweise müssen die Ärzte von unserem E-Rezept überzeugt werden. Und die Krankenkassen. Und die Politik muss im Zeitplan mitspielen. Dann muss bis dahin die Infrastruktur stehen, ein paar Server müssen eingerichtet und vielleicht noch ein paar Apps programmiert werden. Und alles muss zur offiziellen Telematikinfrastruktur, der gesetzlich vorgegebenen Datenautobahn für die Digitalisierung im Gesundheitswesen, passen. Und vor allem, alle Marktbeteiligten sollten dann schon akzeptieren, dass ein E-Rezept so aussieht, wie wir uns das vorstellen, nämlich: Die freie Apothekenwahl muss erhalten bleiben. Alles super ambitioniert, mein liebes Tagebuch, ABDA goes digital.

Die baden-württembergischen Ärzte gehen derweil voran und testen die Telemedizin, die tapferen Apothekers im Land machen mit und bieten das passende E-Rezept an. Recht so. Einer muss damit anfangen, aufhalten lässt sich das alles eh nicht mehr. Kammer und Verband von Baden-Württemberg wollen ein Testprojekt entwerfen, um Test­region für das ABDA-E-Rezept zu werden. Das Wichtigste dabei: Die freie Apothekenwahl muss erhalten bleiben.

September 2018

Im Herbst dämmert es auch den Letzten, die bisher guten Mutes waren: Die Politik ist weiter denn je davon entfernt, ein Rx-Versandverbot anzustreben. Aus dem BMG ist zu hören, man befinde sich noch immer im Meinungsbildungs­prozess. Im Koalitionsvertrag stehe zwar, dass man sich für ein Verbot des Rx-Versands einsetzen wolle, aber schon an der inzwischen verstrichenen Zeit könne man ablesen, dass es dagegen starke juristische Bedenken gebe, sagt die Parlamentarische Staatssekretärin Sabine Weiss.

Bayern steht dagegen wie eine Eins hinter dem Rx-Versandverbot, nach wie vor. Das haben die gesundheitspolitischen Sprecher aller CDU/CSU-Landtagsfraktionen nach einem Treffen beschlossen und in ihrer „Bayerischen Erklärung“ niedergeschrieben. Das nennt man Prinzip Hoffnung. Die gesundheitspolitischen Sprecher setzen sich auch für ein Verbot von Arzneimittel-Reimporten ein. Fein, fein.

Doch aus Berlin kommen da andere Töne. Beim Rx-Versandverbot will er derzeit nicht aktiv werden, sagt unser Bundesgesundheitsminister. Auch bei der Abschaffung der Importförderklausel ist kein großes Engagement von ihm zu sehen. So sieht’s aus.

Unsere ABDA, sie fragt uns Apothekers! Endlich. Unsere Berufsvertretung will eigene Daten zum Apothekenmarkt erheben. Ein Datenpanel soll aufgebaut werden. Mit Online-Umfragen unter allen Apotheken will man verlässliche Zahlen zur tatsächlichen wirtschaftlichen Lage der Apotheken generieren, Zahlen, die für die politische Arbeit, für Vertragsverhandlungen, für die interne Meinungsbildung und die Öffentlichkeitsarbeit ausgewertet werden sollen. Was treibt die ABDA dazu an? Bisher trauten weder Politik noch Krankenkassen den von der ABDA vorgelegten Zahlen. Das gipfelte darin, dass das Bundeswirtschaftsministerium bei der Agentur 2HM das Honorargutachten in Auftrag gab – was dabei herauskam, ist bekannt.

Oktober 2018

Der Apothekertag steht bevor, Krisensitzung des ABDA-Gesamtvorstands im Vorfeld. Wie soll es nun im Rx-Versandhandelskonflikt weitergehen? Für welche Richtung soll sich die ABDA stark machen? Festkleben am Rx-Versandverbot? Oder darf auch schon mal an Alternativen gedacht werden? Mein liebes Tagebuch, es darf, zumindest ein bisschen. Na, immerhin traut man sich mal daran zu denken, dass es nicht so kommen könnte, wie man es sich wünscht. Aber andererseits bleibt die ABDA-Hauptlinie nach wie vor bestehen: die Herstellung der Gleichpreisigkeit, der einheitliche Abgabepreis bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln (ist noch immer die gültige Beschlusslage bei der ABDA) – und das geht aus Sicht der Standesvertretung nun mal am besten mit dem Rx-Versandverbot. Und dennoch hört man die kritischen Stimmen, die zu bedenken geben, dass die Chancen für dieses Versandverbot in der Tat schlecht stehen, politisch wie juristisch. Die überwiegende Mehrheit der Kammer- und Verbandsvorstände spricht sich dann in einer geheimen, schriftlichen Abstimmung dafür aus, auf ein Rx-Versandverbot zu verzichten.

Auf der Pressekonferenz zum Apothekertag räumt die ABDA nun offen ein, dass ihre Hauptforderung – die Umsetzung des Rx-Versandverbots – wohl nicht Wirklichkeit wird. Mein liebes Tagebuch, alles andere wäre ja auch mega-naiv. Dennoch klebt man natürlich an der offiziellen Forderung, dass das Vorhaben aus dem Koalitionsvertrag „politisch adressiert“ werde, stellt sich aber zugleich auf Alternativvorschläge ein. Das Missliche dabei ist nur: Spahn selbst hat keine Alternativvorschläge. Und das Allermisslichste dabei: Die ABDA hat auch keine – zumindest offiziell nicht. Und vermutlich auch nicht wirklich inoffiziell. Man werde sich aber einer „Maßnahme gleicher Wirkung“ nicht verschließen, wie der ABDA-Präsident sich beim Wortschatz des Bundesheimatministers Seehofer bediente. Die Floskel „Maßnahme gleicher Wirkung“, mein liebes Tagebuch, ist so unkonkret wie nur was und bleibt letztlich eine Worthülse, denn: Man hat keine solche Maßnahme.

Der Apothekertag: Apothekerverbands-Chef Fritz Becker wiederholt laut und deutlich seine Forderung, die Importquote für Rx-Arzneimittel sofort zu streichen. Dann wohl gesetzte Worte des ABDA-Präsidenten über dies und das, standing ovations – aber leider „vergisst“ Schmidt, über ein Rx-Versandverbot zu sprechen, das die ABDA doch so vehement von Spahn einfordert (der Minister war bei Schmidts Rede im Saal zugegen!). Auch andere Forderungen, beispielsweise nach Honorierung von Dienstleistungen oder Honoraranpassungen erwähnt Schmidt mit keiner Silbe.

Und dann kommt Spahn – aber außer seinen warmen Worten hat er nichts dabei. Lasst uns reden, diskutieren wir miteinander, ruft er den Pharmazeuten grinsend zu. Denn: „Ich debattiere gern, deswegen bringe ich Ihnen heute auch kein fertiges Konzept mit.“ Ach so, mein liebes Tagebuch, und wir dachten, er schafft Klarheit, wie es mit dem Rx-Versandverbot weitergeht, was man anstatt machen könnte und wie es mit der Honorarfrage aussieht.

Der Hauptgeschäftsführer Schmitz spricht dann noch viel von Gleichpreisigkeit und der ABDA-Präsident schwört die Hauptversammlung erneut aufs Versandverbot ein, man glaubt es kaum. Immerhin verständigt man sich in letzter Minute darauf, dass eine Arbeitsgruppe Vorschläge zur Lösung des Versandhandelskonflikts erarbeiten solle. Und dann poppt doch noch das Honorargutachten auf – die Apothekerkammer Saarland fordert ein Gegengutachten. Doch dafür sei es nun zu knapp, heißt es von oben, das Datenpanel soll es richten, für die Zukunft.

Endlich das Finale, Schmidt ganz offen: „Im kommenden Jahr werden wirklich große Veränderungen auf uns zukommen.“ Und er räumt ein, dass „wir mit unserer klassischen Haltung nicht mehr weiterkommen“. Wie wahr, mein liebes Tagebuch, letztlich auch ein Eingeständnis, dass die Schweige­strategie nichts brachte, dass das eiserne Beharren auf dem Rx-Versandverbot mit Spahn sichtlich nicht zu machen ist und überhaupt die Erkenntnis: „Wir haben ein unglaubliches Maß an Reformbedarf.“

Kaum hatte Bundesgesundheitsminister Spahn laut darüber nachgedacht, ob es nicht aus verschiedenen Gründen sinnvoll sein könnte, wenn Apotheker in bestimmten Fällen auch impfen dürften – und schon zucken die Hausärzte: Wir Ärzte wollen Arzneimittel abgeben. Mein liebes Tagebuch, das sollte man nicht ernst nehmen, aber die ABDA tut es und beschwichtigt: Wir lassen die Finger davon.

Apothekers „Gedenktag“: der 19. Oktober. Vor zwei Jahren verkündete der Europäische Gerichtshof sein Urteil zur Aufhebung der Rx-Preisbindung und zementierte damit den unfairen Wettbewerb zwischen deutschen Vor-Ort-Apotheken und ausländischen Versendern.

Es ist verabschiedet, das Gesetz, mit dem Niedersachsen den Apotheker auf Station einführt. Mein liebes Tagebuch, ab 1. Januar 2022 soll es dann in niedersächsischen Krankenhäusern flächendeckend Stationsapotheker geben, gut weitergebildet im Fachgebiet Klinischer Pharmazie. Ein Meilenstein. Vielleicht auch bundesweit?

November 2018

Gegen Ende des Jahres reift mit jedem Tag die Erkenntnis: Das Rx-Versandverbot kommt nicht mehr. Spahns Credo: Versandverbote passen nicht in die Zeit. Endlich fängt unsere oberste Spitze ganz offiziell an, darüber nachzudenken, welche Alternativen, welche Substitute es noch geben könnte. Die Suche nach einem Ersatz läuft an, an dessen Ende ein Verlustausgleich für uns Apothekers, sprich Geld, steht. Also, ganz offiziell: Man darf, auch bei der ABDA, über einen Plan B statt eines Rx-Versandverbots diskutieren, aber nicht zu laut. ABDA-Präsident Friedemann Schmidt zeigt sich auf Kammerversammlungen, die er besucht, offen dafür. Selbst wenn die eine oder andere Kammer (z. B. Nordrhein und Hessen) noch immer mit einer Resolution am Rx-Versandverbot kleben. Sie sollten Schmidt zuhören, der fragt: Löst ein Beharren auf dem Versandverbot unsere Probleme? Tut es natürlich nicht, mein liebes Tagebuch. Denn der unfaire Wettbewerb mit den ausländischen Versendern ist nur eine der vielen Widrigkeiten, denen wir uns gegenübersehen, als da sind: fehlende Anpassung unseres Honorars, ausstehende Einbindung der Apotheker in honorierte Präventionsleistungen, die honorierte Weiterentwicklung unserer beruf­lichen Tätigkeiten, die Überbürokratisierung. Außerdem stehen Telemedizin und das E-Rezept vor der Tür. Und auf allen Kammerversammlungen wird fleißig nach Lösungen gesucht, wie man Gleichpreisigkeit oder einen Ausgleich herstellen könnte.

Ende November ist es so weit: das Ende des Schweigens. Die ABDA spricht wieder mit Apothekern: Wir haben Fehler gemacht, das Apothekerhonorar und die Digitalisierung vernachlässigt. Und: Schminkt Euch das Rx-Versandverbot ab, ist nicht mehr realistisch, wir setzen auf Dienstleistungs­honorare oder ein ganz neues Maßnahmenpaket. Auf der Mitgliederversammlung der Apothekerkammer Westfalen-Lippe sagt ABDA-Präsident Schmidt selbstkritisch: „Wenn man eine Umfrage unter den Verbänden machen würde, bekämen wir sicherlich den Preis der verschlossenen Auster.“ Mein liebes Tagebuch, dem ist nichts hinzuzufügen. Ja, und dann das Eingeständnis: Es war ein Fehler, sich in den letzten Monaten nur aufs Rx-Versandhandelsverbot zu konzentrieren. Das Apothekenhonorar, die Honorierung pharmazeutischer Dienstleistungen, die Digitalisierung seien dadurch hinten runtergefallen. Erfrischende Offenheit auch beim Thema Datenpanel: Schmidt selbst hat die Befragung abgebrochen, da das Procedere zu kompliziert sei. Und Desillusionierung beim Fixhonorar: Derzeit gibt’s keine Chance auf eine Erhöhung, deswegen wolle man die Vergütung pharmazeutischer Dienstleistungen zusätzlich zum Fixum. Drei Lösungsansätze sieht er am politischen Himmel, nämlich den Versand zu regulieren, ohne ihn zu verbieten oder die Folgen des Versands zu kompensieren oder Türen zu öffnen, die in eine bessere Zukunft führen. Und was heißt das nun genau? Vermutlich wird es wohl auf irgendetwas in Richtung zusätz­liche Honorierung, wie auch immer hinauslaufen. Der Festzuschlag pro Packung soll bleiben, er wird aber auch nicht mehr, das machen die Politiker nicht mit. Zusätzlich wolle man sich für neue Dienstleistungshonorare einsetzen.

Ein Überraschungs-Coup des Bundesgesundheitsministers: Spahn kündigt an, höchstpersönlich zur ABDA-Mitgliederversammlung am 11. Dezember kommen zu wollen.

Ein Irrwitz des EU-Parlaments: Es verbietet den Rx-Versand für Tierarzneimittel! Klar, das ist erst mal positiv, man möchte einem übermäßigen Antibiotika-Gebrauch in der Tierhaltung und damit neuen Resistenzbildungen vorbeugen. Aber was ist mit verschreibungspflichtigen Humanarzneimitteln? Ist es weniger gefährlich, wenn die Human-Antibiotika und alle anderen Rx-Arzneimittel versandt werden? Sind die Tiere und die Nahrungskette schützenswerter als unmittelbar die Menschen selbst?

Beim E-Rezept scheint Land in Sicht, Spahn dreht auf. Spätestens 2020 soll es so weit sein, sagt der Bundesgesundheitsminister und will die Selbstverwaltung verpflichten, Regeln für das E-Rezept zu vereinbaren.

Dezember 2018

Das Digitale kommt – erst einmal in Form von Absichtserklärungen. Nach Noweda mit Burda jetzt auch Wort & Bild mit Noventi mit Rowa mit Gehe mit Sanacorp – ein Zukunfts- oder Digitalpakt jagt den anderen. Was verbirgt sich hinter diesen großen Worten? Bei Noweda und Burda soll es eine digitale Bestellplattform sein, der sich jede Apotheke anschließen kann, um dann mit Click & Collect dabei zu sein, unterstützt durch eine neue Kundenzeitschrift, die das alles publik machen soll. Da können Mitbewerber natürlich nicht ruhig sitzen bleiben. Gehe und Sanacorp, Rowa und Noventi und die Apotheken Umschau schließen einen Digitalpakt. Sie werden vermutlich auch an einer digitalen Bestellplattform arbeiten. Man kann sich nun fragen, mein liebes Tagebuch, wie viele große digitale Konzepte und Bestellplattformen unser Land, unsere Branche verträgt. Mal positiv betrachtet: Vielleicht hilft uns das, kraftvoll gegen den ausländischen Arznei-Versandhandel anzutreten. Und gleichzeitig digitaler zu werden.

Apothekers digitale Aktivitäten sehen derzeit so aus, dass weiterhin elektronische Briefkästen als Rezeptsammelstellen aufgehängt werden. Mein liebes Tagebuch, schön, aber leider schon von gestern. Wenn man richtig in die Zukunft denkt, werden sie nichts bringen, wenn das E-Rezept da ist. Dann gibt’s Terminals, in die der Patient seine E-Card mit dem gespeicherten E-Rezept steckt oder – noch bequemer – er hat ein Lesegerät zu Hause, steckt dort seine Karte rein und kann sein E-Rezept an jede Apotheke schicken, die er möchte.

Ach ja, Apotheker auf Station. Da dachten wir schon, das Bundesgesundheitsministerium möchte den Apotheker auf Station bundesweit einführen, aber nein, Spahn ließ wissen: Ein weiterer Bedarf an spezifischen bundesgesetz­lichen Regelungen zum Einsatz von Stationsapothekern bestehe nicht. Wenn ein Bundesland das will, kann es das in eigener Regie einführen. Mein liebes Tagebuch, wir werden sehen, ob der Enthusiasmus für den Apotheker auf Station von Niedersachsen auf die anderen Bundesländer übergreift.

Mitte Dezember ein kleiner Trommelwirbel: Die Mitgliederversammlung des Deutschen Apothekerverbands beschließt die mit den Kassen ausgearbeitete überarbeitete Hilfstaxe und einen neuen Rahmenvertrag. Die neue Hilfstaxe soll marktübliche Preise für die Rezeptursubstanzen bringen. Außerdem soll bei der Importquote die Auswahl von Arzneimitteln, die dafür infrage kommen, viel kleiner werden. Und es soll weitere Verbesserungen und Erleichterungen für Apotheker geben, wenn Rezepte geändert werden müssen. Endlich ein Schritt nach vorne.

2018 - die Niederlassungsfreiheit feiert ein stilles Jubiläum

1958 verkündete das Bundesverfassungsgericht ein Urteil, das auch in den heutigen Diskussionen rund um den Apothekenmarkt immer wieder zitiert wird. Es geht um die Niederlassungsfreiheit im deutschen Apotheken­wesen. Das „Apotheken-Urteil“ definierte erstmals, inwiefern der Staat in die Berufsfreiheit seiner Bürger eingreifen darf. Doch ist die Niederlassungsfreiheit noch zeitgemäß? Oder sollten Apotheken wieder nach Bedarf zwischen Stadt und Land verteilt werden?

Im Schwerpunkt in der DAZ 19 haben wir ab S. 42 zurückgeblickt. Karl-Heinz Röber (1915 – 1999) war es, der den entscheidenden Anstoß dafür gab, dass sich Apotheker in Deutschland frei niederlassen dürfen. Als Flüchtling aus der DDR kam der Apotheker in den 1950er-Jahren nach Traunreut in Oberbayern und plante, sich selbstständig zu machen. Doch die Apothekenbetriebserlaubnis bekam er nicht. Es gebe genug Apotheken in der Um­gebung, ließ ihn die oberbayerische Regierung wissen. Röber klagte und bekam 1958 vor dem Bundesverfassungsgericht Recht: Artikel 12 des Grundgesetzes garantiere jedem Bürger die Berufsfreiheit. Der Staat dürfe dabei die Hürden durch Zulassungsvoraussetzungen nicht zu hoch setzen. Das „Apotheken-Urteil“ ging in die Geschichte ein.

Der 11. Dezember, ein Tag, der Hoffnungen wie ein Kartenhaus zusammenstürzen lässt. Spahn besucht die ABDA-Mitgliederversammlung und bringt seine Vorschläge zur Lösung des Versandhandelskonflikts mit: Kein Rx-Versandverbot, keine Gleichpreisigkeit. Die ausländischen Versender dürfen weiterhin Rabatte auf Rx-Arzneimittel geben. Die Rabatte sollen allerdings auf 2,50 Euro gedeckelt werden. Für diese Kröte sollen die Apotheker Extra-Honorare bekommen, insgesamt in Höhe von 375 Mio. Euro, z. B. für eine verdoppelte Notdienstpauschale und Honorare für pharmazeutische Dienstleistungen u. a. Mein liebes Tagebuch, ein vergiftetes Angebot mit vielen Unbekannten. Wie und ob die Boni-Deckelung für die ausländischen Versender EU-rechtlich überhaupt machbar ist, hat Spahn nicht verraten. Und ob die Millionen Euro für die neuen Honorare die politischen Hürden nehmen, ist vollkommen offen. Das einzige, was die Apothekers mit diesem Angebot wissen: Es gibt kein Rx-Versandverbot und keine Gleichpreisigkeit. Skepsis und große Bedenken an der Basis, aber auch in Kammern und Verbänden. Soll man dazu Ja sagen, ist das Angebot besser als nichts? Oder lassen wir uns damit all unsere Glaubwürdigkeit, unsere Ziele, für die wir zwei Jahre gekämpft haben, abkaufen? Und was wäre die Alternative, wenn wir dazu Nein sagen? ABDA-Präsident Schmidt meinte: „Das Angebot auszuschlagen, wäre aus meiner Sicht nicht zu verantworten.“ Am 17. Januar 2019 will sich die ABDA-Mitgliederversammlung entscheiden, wie sie mit dem Angebot umgehen wird. |

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