Tagebuch im Rückblick

Mein liebes Tagebuch

Rückblick auf das Jahr 2019

Von Peter Ditzel | 2019 – schauen wir zurück auf die Bilanz, auf die Höhen und Tiefen eines berufspolitischen Jahres. Das Schönste zuerst: Unsere ABDA ist glücklich, sie hat ihr neues Haus bezogen. Vermutlich alles vom Feinsten (einen Tag der offenen Tür gab’s noch nicht). Das war’s auch schon mit den Highlights. Der Rest des Jahres: quälendes Ringen um ein Rx-Versandverbot, das die ABDA letztlich aufgegeben hat; eine Gleichpreisigkeit, die in den Sternen steht; ein Apotheken-Stärkungsgesetz, das in der EU- und in der parlamentarischen Maschinerie festhängt; massive Lieferengpässe, die uns den Alltag erschweren; große Sorgen, was uns die Digi­talisierung bringt und wie’s mit dem E-Rezept weitergeht; und immer noch eine sinnlose Importförderung. Vielleicht auf der Habenseite: mehr Möglichkeiten mit dem Botendienst und ein kleines Plus beim Nachtdienst­honorar. Das war’s.
Foto: Andi Dalferth

Januar 2019

Da liegt es nun vor uns, das bitter-süße Spahn-Paket einer Apothekenreform. Zugegeben, es sind nette Sachen drin, wie z. B. honorierte pharmazeutische Dienstleistungen (großer Jubel bei der ABDA!) oder ein paar Geldköder wie z. B. mehr Geld für den Nachtdienst. Aber das Paket enthält noch toxische Elemente, z. B. eine Boni-Erlaubnis (mit einer Obergrenze von 2,50 Euro) für ausländische Versender. Und das Paket enthält kein Versandverbot für verschreibungspflichtige Arzneimittel (Rx-Versandverbot) – das will er nicht, unser Bundesgesundheitsminister, auf keinen Fall. Spahns Vorgabe an uns Apothekers: Nehmt das Paket so oder gar nicht. Ein starkes Stück, mein liebes Tagebuch. Unterm Strich ist das alles eine Zumutung, zumal dies alles nur Absichtserklärungen sind. Einige Apotheker gehen sogar dagegen auf die Straße. Und weil sich sogar die ABDA bereits ganz leise vom Rx-Versandverbot (RxVV) verabschiedet, poppt auch bei der CSU die Überlegung auf: Wenn sogar die ABDA das Rx-Versandverbot aufgibt, dann tut’s die CSU auch. Unser ABDA-Präsident Friedemann Schmidt führt derweil der „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ (FAZ) seine gediegene Offizin ohne Kommissionierer, aber mit Handklingel auf der Theke vor. Und die FAZ vergleicht das dann mit den High-Tech-Anlagen beim Versandhaus DocMorris – unfair, aber so läuft das nun mal. Da hilft auch nicht, dass Schmidt zu erklären versucht, warum die Vor-Ort-Apotheken niemals mit den Versendern konkurrieren können (weil sie sich die Rabatte nicht leisten könnten).

Währenddessen bereitet die ABDA ihre große Mitgliederversammlung vor: Wie wollen wir mit dem Spahn-Paket umgehen – annehmen, ablehnen oder gibt’s vielleicht doch noch einen Mittelweg?

Es müssen mehrere Steine gewesen sein, die dem ABDA-Präsidenten vom Herzen gefallen sind, als er nach der Sitzung vollkommen erleichtert vor die ABDA-Kamera tritt und das einstimmig verabschiedete Eckpunktepapier verkündet, das uns in die nächsten Jahre retten soll: Ein starkes Nein zu den Spahnschen Boni, ein striktes Boni-Verbot für alle, das ist es. Basta. Und ein Ja zu mehr Honorar für Nachtdienst und zu bezahlten Dienstleistungen. So könnt’s was werden, sagt die ABDA. Spahn jedenfalls wertet das gleich als Zustimmung und freut sich, dass die Apotheker erst mal nicht am RxVV festhalten. Allerdings ist von Teilnehmern der Mitgliederversammlung auch zu hören: Sollte Spahn bei den von der ABDA gewünschten Eckpunkten nicht mitmachen, dann holen wir Apotheker unser Druckmittel Nr. 1 hervor: die Forderung eines RxVV.

Apropos pharmazeutische Dienstleistungen: 240 Mio. Euro will Spahn dafür locker machen. Um welche Dienstleistungen es sich da im Einzelnen handelt, bleibt allerdings nebulös – bis heute. Rudimentär heißt es dazu nur Medikationsanalyse, Arzneimitteltherapiesicherheit (AMTS), Prävention und die Erfassung definierter Gesundheitsparameter. Laut Schmidt arbeitet die ABDA bereits an einer Definition solcher Leistungen – aber nach außen dringt da nichts.

Spahn macht derweil im Januar immer wieder deutlich: Er will den Versandhandel.

Weil’s alle Jahre so schön ist: Auch in diesem Jahr gibt’s auf der berufspolitischen Veranstaltung in Schladming alles, nur keine echten Diskussionen und keinen Meinungsaustausch – es sind die berufspolitischen Kuschelrunden auf den Pharmacon-Kongressen der Bundesapothekerkammer wie seit eh und je. Dabei hätte es angesichts des Spahn-Pakets diskutable Themen en masse gegeben. Immerhin, unsere ABDA-Spitzen bekennen: Wir haben schweren Herzens die Forderung nach einem Rx-Versandverbot auf­gegeben – aber wir freuen uns riesig über die Aussicht auf bezahlte pharmazeutische Dienstleistungen. Mein liebes Tagebuch, ob uns da wirklich das Herz aufgeht?

Februar 2019

Die Zusammenarbeit der Pharmagroßhandlung Noweda mit dem Burda-Verlag trägt Früchte: Der Burda-Titel „Focus“ bringt den Meinungsbeitrag von Noweda-Chef Michael Kuck: „Wir brauchen die Vor-Ort-Apotheken!“ Das ist Öffentlichkeitsarbeit vom Feinsten.

Weniger glücklich ist der Securpharm-Start am 9. Februar, ein Start, wie von vielen erwartet: bescheiden. Häufige Fehl­alarme beim Scannen der Arzneimittel, Fehlalarme, die uns Nerven kosten. Zum Glück tragen erst wenige Packungen den neuen „D-Code“. Was sagt die ABDA dazu? Alles wird gut – auch wenn sie sich bisher zu diesem Thema wortkarg eingeigelt hatte.

Überhaupt, die ABDA und der digitale Wandel – zwei, die lange keine Notiz voneinander nahmen, vielleicht sogar zwei, die sich nicht so recht mögen, aber doch zusammenkommen müssen. In den letzten beiden Jahre setzt die ABDA ihre ganze Kraft in die Verhinderung des Rx-Versandes und verliert die Digitalisierung aus dem Blick (selbst ABDA-Präsident Schmidt räumt da Versäumnisse ein) – da fiel schon mal das eine oder andere Zukunftsthema hinten runter und uns jetzt auf die Füße, z. B. das E-Rezept, ein Thema, bei dem niederländische Arznei-Versandhäuser schon kräftig aufrüsten. Mein liebes Tagebuch, da bleibt uns nur die Hoffnung, dass ABDA und Digitales jetzt schnellstens nicht nur eine Zweck-, sondern eine Herzensangelegenheit werden. Wenn wir beim E-Rezept abgehängt würden, dann gute Nacht.

Ein Lieblingskind unseres Bundesgesundheitsministers: der Botendienst. Er möchte zusammen mit der Apothekerschaft mehr draus machen – mit allen, die Botendienste anbieten wollen. Er sieht in den Botendiensten mehr Potenzial, gegen den Versand­handel zu punkten. Ehrlich gesagt, mein liebes Tagebuch, das sehe ich auch, da ist mehr drin.

Ein Aufreger im Februar: Achim Wambach, Chef der Monopolkommission, will den Apothekenmarkt deregulieren: Es gebe keinen Grund für eine Rx-Preisbindung, sie schade nur, die Arzneimittelpreisverordnung gehöre abgeschafft. Den Versandhandel will er aktivieren und Abgabeautomaten zulassen und Ärzte sollen dispensieren dürfen. Forget it!

Totgesagte leben länger: Das Rx-Versandverbot feiert Wiederauferstehung, zumindest bei Unionspolitikern. Der nordrhein-westfälische Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann und andere machen mächtig Stimmung pro RxVV. Das ermuntert den jungen Pharmaziestudenten Benedikt Bühler (CDU-Mitglied), mit einer Facebook-Aktion („#Mit­UnsNicht“) für das Rx-Versandverbot zu werben.

Einen anderen Weg will Lutz Engelen, Präsident der Apo­thekerkammer Nordrhein, gehen. Er fordert, den niederländischen Versender DocMorris von der GKV-Versorgung auszuschließen. Der mit der GKV geschlossene Rahmenvertrag gebe das her, meint er. Das kann man so versuchen, mein liebes Tagebuch, wird aber nicht funktionieren – es bleiben Nadelstiche, mehr nicht.

März 2019

Die Importförderklausel muss endlich weg. Das Land Brandenburg brachte einen Antrag zur Streichung dieser anachronistischen Klausel in den Bundesrat ein. Tut sich da was? Es gibt Hoffnung. Mit dem Gesetz für mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung (GSAV) soll bekanntlich eine Änderung der Importregelung kommen – die aber leider nicht auf eine Abschaffung hinausläuft. Spekuliert wird, dass das Saarland hinter einer Beibehaltung der Importförderklausel steckt. Was kein Wunder wäre: Der Firmensitz von Kohl­pharma, einer der größten Importeure, liegt im Saarland.

Der Knaller: Die EU-Kommission setzt Deutschland unter Druck, endlich die Preisbindung bei Rx-Arzneimitteln für die Arzneiversandhäuser aus Holland abzuschaffen. Die Versender aus dem EU-Ausland seien dadurch benachteiligt. Das EuGH-Urteil müsse ohne Wenn und Aber umgesetzt werden. Sollte Deutschland nicht innerhalb von zwei Monaten spuren, gibt’s eine Klage vor dem EuGH. Oh Gott, was tun? Die Haltung der EU hält die ABDA für „bedauerlich“, erklärt ABDA-Präsident Schmidt, sie sei aber nicht neu. Er, Schmidt, halte es nicht für einen Zufall, dass sich die Kommission jetzt zu Wort melde. Denn diese Klageandrohung komme just dann, als die Gespräche über eine Reform der Arzneimittelversorgung laufen. Die ABDA-Forderung: Wir brauchen eine schnelle und belastbare Lösung für die Wiederherstellung der Gleichpreisigkeit. So ist es, mein liebes Tagebuch, aber wie? Und was machen Fraktionsvertreter der Union daraus? Sie verständigen sich darauf, dass für uns Apotheker die angekündigte Honoraraufstockung von 375 Mio. Euro um einiges geringer ausfallen soll. Und dafür soll es statt eines Rx-Versandverbots ein komplettes Rx-Boni-Verbot geben. Fragt sich nur, ob mit einem Rx-Boni-Verbot im SGB V die Gleichpreisigkeit dann wirklich rechtssicher möglich ist? Diese Frage wird uns noch länger geschäftigen. Auch SPD-Politiker Karl Lauterbach geht nicht davon aus, dass ein Rx-Boni-Verbot im Sozialgesetzbuch vor juristischen EU-Angriffen sicher sei.

Pharmazeutische Dienstleistungen sollen von den Kassen honoriert werden, hat Spahn versprochen. Aber welche Dienstleistungen sollen’s denn sein, und welches Honorar soll’s dafür geben? Auf jeden Fall weniger als mal angekündigt. Und um welche Dienstleistungen es sich handeln wird, liegt nach wie vor im Nebulösen, auch bei der Bundesapothekerkammer. Grippeschutz-Impfungen in Apotheken will sie allerdings nicht – noch nicht, wie sich später zeigen wird.

Es kommt Bewegung in die Reform des Apothekenwesens: Spahn legt sein Eckpunktepapier Version 2.0 auf den Tisch. Inhalt: Ein Rx-Boni-Verbot kommt ins Sozialgesetzbuch – Spahn ist überzeugt, das sei rechtlich sicher und durchsetzbar, sagt er auf dem Westfälisch-Lippischen Apothekertag. Was auch im Spahn-Papier steht: Der Honorartopf, aus dem die pharmazeutischen Dienstleistungen honoriert werden sollen, fällt kleiner aus, ebenso wie die angekündigte Aufstockung der Notdienstpauschale. Außerdem soll der Botendienst ein bisschen an den Versandhandel angeglichen werden: Die Beratung soll auch ohne „unmittelbaren persönlichen“ Kontakt, aber stattdessen per Telepharmazie erfolgen können. Was sagt die ABDA dazu? Ja, aber. Ja zur Absicht, den einheitlichen Rx-Abgabepreis herzustellen, ein Aber zum Honorarangebot: eindeutig zu wenig. Das neueste Spahn-Papier scheint die Apothekerlager zu teilen. Während ABDA und Apothekerverbände das Papier im Prinzip begrüßen, regt sich in einigen Kammern Widerstand: Sie glauben nicht daran, dass die Gleichpreisigkeit mit dem Spahnschen Vorschlag machbar sei, sie wollen das RxVV.

Sorry, mein liebes Tagebuch, so ein paar entfernte Ähnlichkeiten zwischen der englischen Brexit- und der ABDA-Politik gibt es schon, oder? Beide wissen nicht so recht, was sie wollen, und das Hin und Her zwischen No Deal, hartem Brexit oder doch Mays Brexit-Deal oder vielleicht irgendwelchen Alternativen ähnelt ein bisschen dem Gerangel um das Nein zum Rx-Versandverbot oder doch nicht, um den Ort des Rx-Boni-Verbots (AMG oder SGB) bis hin zur Frage, ob uns das geschrumpfte Honorar für Dienstleistungen die Aufgabe des Rx-Versandverbots wert ist. Immerhin: Das Ja zur Gleichpreisigkeit steht, fragt sich nur noch: Wie ist sie rechtssicher erreichbar? Und dann gibt’s da noch das Nein der ABDA zu Änderungen beim Botendienst: Bloß keine alten Zöpfe abschneiden! Mein liebes Tagebuch, ja, ja, die ABDA und ihre alten Zöpfe.

Und täglich grüßt das Murmeltier: Die Forderung nach dem Rx-Versandverbot taucht immer wieder auf, z. B. bei Bayerns Gesundheitsministerin Melanie Huml. Das wiederum ermuntert die Bayerische Apothekerkammer, es ebenfalls gemeinsam mit anderen Kammern zu fordern. Doch die RxVV-Befürworter können sich nicht durchsetzen. Der ABDA-Gesamtvorstand einigt sich darauf: Wir gehen nicht auf Konfrontationskurs zu Spahn. Will heißen: Die ABDA fordert nicht erneut das Rx-Versandverbot, aber erhebt durchaus neue Forderungen und Verbesserungsvorschläge. Das gefällt dem Pharmaziestudenten Benedikt Bühler gar nicht. Sein Brief an den ABDA-Präsidenten: Er kann diese ABDA-Politik nicht verstehen, „weil Sie damit die Vernichtung der Apotheke vor Ort sehenden Auges hinnehmen“.

April 2019

Fritz Becker, Chef des deutschen Apothekerverbands, sieht im Spahnschen Apotheken­reform-Paket einen „guten Kompromiss“. Also, er ist zufrieden mit dem Boni-Verbot und zufrieden mit der angekündigten Honorierung pharmazeutischer Dienstleistungen (Becker: „Ein Traum geht in Erfüllung“). Allerdings sagt er auch: Das geschrumpfte Honorar, das im Spahn-Paket für Apothekers Träume zur Verfügung stehen soll, „ich sage das ganz frank und frei, das ist uns zu wenig“.

Pharmazeutische Dienstleistungen, mein liebes Tagebuch, sind wohl eine Herausforderung, da wurde unsere ABDA wohl im Schlaf überrascht. Und als der Wecker klingelt, reibt sie sich die Äuglein und fragt sich: Welche Dienstleistungen dürfen’s denn sein? Denn einen abgestimmten Katalog hat sie nicht in der Schublade – es kommt ja alles so plötzlich! Ergo treffen sich die Kammerspitzen flugs zu einem Werkstatt-Gespräch, um honorierungsfähige pharmazeutische Dienstleistungen zu definieren und zu diskutieren. Ob etwas und was dabei herausgekommen ist, erfährt der gemeine Apotheker nicht. Mein liebes Tagebuch, auch 2019 hadert unsere Berufsvertretung mit Offenheit und Transparenz.

Und wieder schießt die AOK gegen die Apotheker: Der Chef des AOK-Bundesverbands, Martin Litsch, fragt: Wozu mehr Geld für die Apotheker? Den honorierten Dienstleistungen im Spahn-Paket kann er so gar nichts abgewinnen. Und dann gibt er noch von sich, dass der Versandhandel nicht die Ursache für die Schwierigkeiten sei, die einige Apotheken haben. Überhaupt sei das Apothekensterben nur eine „Chimäre“. Mein liebes Tagebuch, sind für diesen Mann die 250 bis 300 Apotheken, die jährlich schließen, ein Trugbild?

Anfang April war’s dann soweit: Der Entwurf für ein Gesetz, das, wie sein Name sagt, die Apotheken stärken soll, liegt auf dem Tisch. Aber das einzig Wahre, das Rx-Versandverbot, steht nicht drin. Spahn will es nicht, hält es nicht für umsetzbar und die ABDA hat bekanntlich schon ihr Plazet gegeben. Um das Apotheken-Stärkungsgesetz EU-tauglich zu machen, will Spahn damit sogar einen Passus im § 78 AMG streichen, was im Klartext bedeutet: EU-Versandapotheken werden nicht mehr der Arzneimittelpreisverordnung unterstellt. Damit ist das Rx-Versandverbot dann auch offiziell vom Tisch.

Aber es gibt auch ein paar prinzipiell gute Ansätze im Gesetzentwurf: Honorierte Dienstleistungen, mehr Geld für den Nachtdienst und für die BtM-Doku. Und der Botendienst soll nicht nur im Einzelfall, sondern grundsätzlich auf Kundenwunsch zulässig sein, außerdem die Beratung telepharmazeutisch möglich sein. Was sich Spahn zudem wünscht: Es sollen Modellprojekte zur Durchführung von Grippeschutzimpfungen in Apotheken laufen und die Apotheken sollen Wiederholungsrezepte beliefern dürfen. Was uns nicht gefällt, mein liebes Tagebuch: Das Honorarplus fällt viel zu gering aus und das RxVV ist vom Tisch.

Die Grünen hadern mit dem Spahnschen Entwurf für eine Apothekenreform. Ihre Kernforderungen: Kleine Apotheken sollen mehr Honorar pro Rx-Packung erhalten als große (Versand-)Apotheken. Außerdem sollen den deutschen Apotheken Rx-Boni in Höhe der Zuzahlung erlaubt und die Regelungen zum Mehrbesitz gelockert werden. Mein liebes Tagebuch, geht’s eigentlich noch verquaster?

Es rumort in der ABDA. Mehrere Kammern und Verbände sehen deutlich Diskussionsbedarf zur Apothekenreform und fordern eine außerordentliche Mitgliederversammlung der ABDA. Es geht ihnen vor allem um das Vorhaben, die für das EU-Ausland im Versandhandel geltende Preisbindung aus dem Arzneimittelgesetz zu streichen. Juristen raten dringend davon ab, Kammern und Verbände warnen: § 78 Abs. 1 Satz 4 AMG darf nicht gestrichen werden. Denn § 78 AMG ist, auf den Punkt gebracht, der einzig wirkliche Paragraf, der die Gleichpreisigkeit der Rx-Arzneimittel sichert. Aber Spahn will diese Streichung, weil er ansonsten eine Klage der EU befürchtet.

Mein liebes Tagebuch, das könnte heikel werden. Die aktiv gewordenen Kammern und Verbände haben sich daran erinnert, dass die ABDA-Mitgliederversammlung schon im Januar beschlossen hatte, am Rx-Versandverbot festzuhalten, wenn der Gesetzgeber keine andere Maßnahme treffe, um die Gleichpreisigkeit zu sichern.

Neuer Coup von Spahn: Er haut den Entwurf für eine PTA-Reform raus. Er will den PTA-Beruf stärken und aufwerten – aber die PTA-Ausbildung nicht verlängern. Für Spahn ist das kein Widerspruch, aber Adexa und PTA-Berufsverband gefällt das nicht, sie wollen eine insgesamt dreijährige Ausbildung.

Bewegt sich was im April in Sachen Importförderung? Möglich, sogar der Vize des GKV-Spitzenverbands, Johann-Magnus Stackelberg, meint: „Die Importförderung ist überholt.“ Auch im Bundestag gibt es immer mehr Gegner der Importförderung.

Mai 2019

Das Ergebnis der außerordentlichen Mitgliederversammlung der ABDA überrascht. Geschmeidig lassen sich Kammern und Verbände auf Kurs bringen: Die ABDA begrüßt das vom Bundesgesundheitsministerium geplante Apotheken-Stärkungsgesetz, will es lediglich kritisch begleiten. Wie moderat und konziliant das klingt, mein liebes Tagebuch. Dabei beginnt das Desaster eigentlich schon beim Namen des Gesetzes: „Gesetz zur Stärkung der Vor-Ort-Apotheken“ – in Wirklichkeit ist es eine Mogelpackung, die Spahn in einen verlockenden, zuckersüßen Namen verpackt hat, an dem nun viele kleben bleiben. Denn die vom ihm vorgesehene Streichung des § 78 AMG wird, mal drastisch formuliert, die ausländischen Versender stärken und unsere Vor-Ort-Apotheken schwächen – sie werden einem unfairen Wettbewerb ausgesetzt, den sie nicht gewinnen können. Immerhin, die ABDA fordert in ihrer Stellung­nahme zum Gesetzentwurf, auf die Streichung des Passus im § 78 AMG zu verzichten.

Auf dem Bayerischen Apothekertag macht Kammerpräsident Thomas Benkert deutlich: „Ein RxVV will Spahn nicht, da haben wir null Erfolgsaussichten.“ Und Verbandschef Hans-Peter Hubmann ergänzt: „Wir haben kein Blockaderecht, wir können den Minister nicht zwingen.“ Stimmt natürlich, aber wir könnten mehr Druck machen, oder? Wie z. B. Benedikt Bühler, der junge Pharmaziestudent, der weiter für ein Rx-Versandverbot kämpft. Beim Bundestag hat er, unterstützt durch mehrere Großhandlungen, inzwischen eine E-Petition eingereicht, mit der er das Rx-Versandverbot fordert.

Und auch Juristen ermuntern uns, dafür zu kämpfen, dass das Rx-Boni-Verbot im AMG nicht gestrichen wird. Doch viele Gesundheitspolitiker wollen das nicht hören und meinen: weg damit. Sie sind überzeugt, die einzige Chance für die Gleichpreisigkeit sei, das Rx-Boni-Verbot ins Sozialgesetzbuch zu nehmen. Und unsere Standesvertreter? Fürs Kämpfen sind sie nicht gemacht, ernüchtert knicken sie vor der Politik ein: sie akzeptieren den Rx-Versand, ein unsicheres Rx-Boni-Verbot im Sozialgesetzbuch und freie Preise für PKV-Versicherte.

Aber sie bejubeln das Angebot für honorierte Dienstleistungen, die wir noch nicht kennen und von denen wir nicht wissen, wie sie vergütet werden. Dem Kammerpräsidenten von Nordrhein, Lutz Engelen ist das zu viel: Rücktritt der ABDA-Spitze, fordert er.

Mitte Mai melden sich das Wirtschaftsministerium und das Justizministerium zu Wort: Ein Veto für Spahns Apothekenreform, sie sehen europarechtliche Probleme. Von einer machbaren Regelung sind wir weiter entfernt als je zuvor, sagt Lauterbach. Und was macht die ABDA? Für ein Statement hat sie keine Zeit, sie packt die Kisten für den Umzug ins feine neue Domizil: Berlin, Heidestraße 7. Und hört nicht, dass schon zwei Kammerpräsidenten den Rücktritt der ABDA-Spitze fordern. Wo soll das alles enden?

Schaut man sich die ersten fünf Monate des Jahres an, sieht man nicht viel Rosiges für uns Apotheker, mein liebes Tagebuch: Das Rx-Versandverbot können wir vergessen, die Gleichpreisigkeit in der Pfeife rauchen. Das Ministerium klebt an der Importförderklausel und die PTA-Ausbildung soll nicht verlängert werden. Und bis alle Apotheken an die schnelle Datenautobahn angebunden sind, vergehen noch mindestens zwei, drei Jahre. Gibt es überhaupt noch irgendeinen Lichtblick? Klar! Das Apotheken-Stärkungsgesetz soll noch vor der Sommerpause vom Bundeskabinett beschlossen werden. Ist das ein Lichtblick?

Während die ABDA die Umzugskisten packt, arbeitet DocMorris an einem E-Rezept-Projekt mit Fachärzten. Aber was soll’s, wir haben doch die pharmazeutischen Dienstleistungen als Rettungsanker, wie uns Andreas Kiefer, Präsident der Bundesapothekerkammer, verheißungsvoll anbietet. Wie die konkret aussehen und honoriert werden? Es bleibt ein Geheimnis.

Noch ein Maiglöckchen der besonderen Art: Die ABDA fordert mehr Geld von ihren Kammern und Verbänden für mehr Personal – die Beiträge sollen um rund 310.000 Euro steigen. Das kommt nicht überall gut an.

Juni 2019

Pfingsten! Erleuchtung! Eingebungen von oben! Nach nichts sehnen wir uns Apothekers mehr, mein liebes Tagebuch. Vor allem unsere „Oberen“, die ABDA, die Kammern und Verbände. Denn sie wissen derzeit nicht mehr ein noch aus, wie sie mit den Spahnschen Offerten des Apotheken-Stärkungsgesetzes umgehen sollen. Noch immer hadern sie: akzeptieren und klein beigeben oder hart kämpfen? Beides hat Chancen und Risiken. Wir brauchen ein Pfingstwunder! Sonst bleiben wir weiterhin die Pfingstochsen.

Die bleiben wir auf alle Fälle bei der Importförderklausel. Denn Krankenkassen, SPD und Apotheker als vehemente Gegner dieser Klausel können sich leider nicht gegen die Connection von Union und Import-Saarland durchsetzen. Man nennt es Demokratie, mein liebes Tagebuch. Wir werden die Importförderklausel, leicht modifiziert und verkompliziert, weiterhin an der Backe haben.

Mehr Kohle für Apotheken? Rx-Versandverbot? Streik, weil die Rx-Preisbindung aus dem AMG gestrichen wird? Mein liebes Tagebuch, vergiss das alles! Kapier doch: Pharmazeutische Dienstleistungen heißt das Zauberwort, das ist unsere Rettung – wird uns immer wieder eingetrichtert. An den pharmazeutischen Dienstleistungen wird die deutsche Apotheke genesen – so lautet das Credo des BAK-Präsidenten Andreas Kiefer. Oh nein, ich fass es nicht. Im Perspektivpapier steht doch, dass eine dynamisierte und faire Honorierung unsere Grundlage ist. Sag mal, ist die ABDA noch geerdet?

Von wegen Erdung! In den Haushaltsentwurf für 2020 hat sie, wie von Geisterhand gesteuert, eine Regelung einfließen lassen, wonach die Vergütung des ABDA-Vorstands um 108.000 Euro steigen soll – das ist ein kleines Plus von eben mal 23 Prozent. Da kann man nicht meckern – wenn man zum Vorstand gehört. Doch eigentlich hätte so eine Erhöhung erst diskutiert werden müssen. Die heimlich eingeflossene Vergütungserhöhung stößt auch dem Haushaltsausschuss der ABDA sauer auf, der daraufhin die Guts­herrenart der ABDA-Spitze rügt. So ist’s richtig!

Mitte Juni ist sie da, die Kabinettsvorlage fürs „Apotheken-Sterbegesetz“ (O-Ton Siemsen), und mit ihr die real gewordene Streichung der Rx-Preisbindung für EU-Versender. Der Hamburger Kammerpräsident Kai-Peter Siemsen ist der Auffassung, Spahn hat die ABDA-Spitze mit dem Apotheken-Stärkungsgesetz und der Aussicht auf honorierte Dienstleistungen „über den Tisch gezogen“. Außerdem meint Siemsen, die ABDA-Spitze trage die Forderungen der Apotheker nur „kleinlaut und demütig relativierend“ vor.

Überraschung: Unsere Honorarerhöhungen für den Notdienst und die BtM-Gebühr finden sich nicht mehr in der Gesetzesvorlage. Beruhigung: Sie sollen separat vom Wirtschaftsministerium erlassen werden. Ob das gut geht?

Es sind heiße Zeiten Mitte Juni. Die ABDA sieht kein Ende des Apothekensterbens. Und wie geht’s mit dem Apotheken-Stärkungsgesetz weiter? SPD-Lauterbach weiß es: Nichts ist klar, denkbar ist alles. Und die Versender können’s kaum erwarten, das E-Rezept. Sie lecken sich die Finger danach. Sie glauben zu wissen, dass es auch die Patienten wollen, weil sie dann endlich Rabatte und Boni kriegen. Und wir Vor-Ort-Apothekers haben weiterhin die Importförder­klausel an der Backe. Es bleibt heiß.

Juli 2019

Spahn macht Dampf beim Apotheken-Stärkungsgesetz, er will’s noch im Juli ins Kabinett bringen, mit allen Unwägbarkeiten. Und wir Apothekers sind dann soweit: Lieber dieses Gesetz als kein Gesetz. Na, da hat man uns ganz schön weichgekocht.

Spahn hat’s auch eilig mit der Digitalisierung. Was im Prinzip vollkommen in Ordnung ist, sonst läuft hier nämlich nichts. Mein liebes Tagebuch, da fällt uns doch ein, dass auch uns Apothekers eine Frist zur Anbindung an die Telematikinfrastruktur gesetzt wird: Die Apotheker sollen bis Ende März 2020 angebunden sein, steht im Entwurf zum „Digitale-Versorgung-Gesetz“. Realistisch? Kaum. Die ABDA hat vorsorglich schon mal um eine Fristverlängerung gebeten – und bekommen: um sechs Monate.

Also, die Apothekenreform wird durchgezogen. Spahn macht’s ganz tricky, er nimmt sein Gesetzesvorhaben auseinander: Die geplanten Honoraranpassungen (Erhöhungen der Notdienstpauschale und der BtM-Vergütung) wird ans Bundeswirtschaftsministerium übergeben und in eine Verordnung aus­gegliedert. Auch die geplanten Änderungen an der Apothekenbetriebsordnung (z. B. zu Arzneimittelautomaten, zu Botendiensten und zur Temperaturkontrolle) werden in eine Extra-Verordnung ausgegliedert. Sie sollen dann zusammen mit den Änderungen zur Arzneimittelpreisverordnung in einer Sammelverordnung umgesetzt werden. Cleverer Zug von Spahn, denn damit umgeht er mögliche Konflikte mit dem Bundestag. Den Verordnungen muss nur noch der Bundesrat zustimmen. Für das eigentliche Gesetzesvorhaben des Apotheken-Stärkungsgesetzes bleiben dann noch die geplante Verschiebung des Rx-Boni-Verbots vom Arzneimittelgesetz ins Sozialgesetzbuch und einige weitere Änderungen. Spahn fährt dabei auf volles Risiko: Die Gleichpreisigkeit für Rx kommt ins Sozialgesetzbuch und sie gibt’s nur für GKV-Versicherte. Ob und wie lange das funktioniert, ist offen. Und ob das Gesetz die Apotheken tatsächlich stärkt oder ob wir in ein paar Jahren freie Rx-Preise für alle haben – alles ist möglich.

Spahn in einer Videobotschaft auf Facebook: „Die Apotheken sind auch ein Stück Heimat. Das weiß ich als jemand, der aus einem kleinen Dorf kommt.“ Ja, mein liebes Tagebuch, das rührt einen doch das Herz!

Wir kämpfen derweil mit dem neuen Rahmenvertrag und seinen Preisankern, einer halbseidenen Friedenspflicht mit Kassen, drohenden Retaxationen und massiven Lieferengpässen.

Und „freuen“ uns über eine Versandhandelsempfehlung des Bundeskartellamts. Und dann ist da noch die ABDA, die verständnisvoll und kuschelnd den politischen Willen pro Rx-Versand akzeptiert, die aber gleichzeitig Schiss vor Abholfächern von Vor-Ort-Apotheken hat. Mein liebes Tagebuch, wenn man eine solche Standesführung hat, fängt man langsam an, Spahn zu lieben.

Die Ausbildung der PTA soll reformiert, gestärkt und aufgewertet werden – Bundesgesundheitsminister Jens Spahn ist wild entschlossen, sein Vorhaben durchzuziehen. Gut so, mein liebes Tagebuch, denn die PTA-Ausbildung ist in die Jahre gekommen. Und Hand aufs Herz: Ohne PTAs würde heutzutage kaum eine Apotheke mehr funktionieren. An dem vorgelegten Entwurf für eine Ausbildungsreform der PTA gibt’s wenig auszusetzen, er modernisiert, gibt der PTA mehr Befugnisse und lockert die Beaufsichtigung durch Apotheker. Aber wie lange darf die moderne Ausbildung dauern? Die Ausbildungszeit bleibt der Knackpunkt der Reform.

Lieferengpässe – der Begriff hat das Zeug, zum Wort des Jahres, des Jahrzehnts zu werden. Gefühlt haben wir Apotheker, also unsere Standesvertreter, die Lieferengpässe zwar thematisiert und ab und an haben sie in Sonntagsreden darauf hingewiesen. So richtig mit Power und Verve hat die ABDA dieses Thema allerdings nicht wirklich in die Öffentlichkeit gebracht. Dennoch, die Lieferengpässe sind zu brisant, sie bahnen sich selbst den Weg in die Medien bis in die Tagesschau.

Und zum Juli-Ende ein Brief des ABDA-Präsidenten Schmidt ans Apothekervolk: Das Reformpaket sei gemessen an den Idealvorstellungen der Apotheker zwar nicht gut, doch gemessen am Status quo sei es gut. Aha, mein liebes Tagebuch, wir sollen uns also auf alles, was an Unsicherheiten auf uns zukommt, freuen?

August 2019

Lieferengpässe! Um die 300 „Defekte“ sind für manche Apotheken schon Alltag! Über Lieferengpässe reden, reicht nicht, Taten sind gefragt, da muss Druck her, auch auf die Politik. Die Medien berichten schon fast täglich darüber. Endlich kümmert sich CDU-Gesundheitspolitiker Michael Hennrich um dieses Thema. Er will da nicht mehr länger zuschauen. Aber er sieht auch: Das Thema ist komplex und nicht einfach zu lösen.

Angekündigt ist unsere Honorarerhöhung, aber wann sie kommt, ist immer noch offen. Ein paar Honorarverbesserungen sind für Klaus Michels, Chef des Westfälisch-Lippischen Apothekerverbands, allerdings kein Grund, unsere Gleich­preisigkeit zu opfern, er warnt vor dem Spahn-ABDA-Coup in dieser Form. Was daraus wird? Hoffen wir auf Stabilität, die besser ist als beim Securpharm-System – das nämlich läuft nur „weitgehend stabil“.

Rekord! Rund 390.000 stimmten für die E-Peti­tion zum Rx-Versandverbot des Pharmaziestudenten Benedikt Bühler – und die ABDA schweigt dazu. Hat es ihr die Stimme verschlagen?

Oder genießt sie einfach im Stillen ihr neues Domizil, den wunderschönen Neubau in der Berliner Heidestraße 7, in den sie mittlerweile umgezogen ist? Von der Presse und Öffentlichkeit hält sie es derzeit noch fern. Ist das eine „Haus-Scham“ wg. der 35. Mio. Euro Kosten? Nach außen sind so gut wie keine Fotos des Domizils gedrungen, nur wenige wissen, wie’s denn innendrin aussieht, also im Haus. Ob die ABDA auf die Idee kommt, einen Tag der offenen Tür zu veranstalten, wie es ihn sogar Behörden und Ministerien für ihre Gebäude veranstalten, ist fraglich. Damals, beim Richtfest des Neubaus, sprachen ABDA-Vertreter noch von Begegnungsflächen eines „ebenso traditionsbewussten wie modernen Verbands, der sich nach außen öffnet“. Mein liebes Tagebuch, Sympathie, Offenheit, Transparenz – irgendwie will es mir nicht gelingen, diese Begriffe mit unserer ABDA und ihren Umgang mit dem Neubau zusammenzubringen.

Nicht mehr lange, dann haben wir’s an der Backe: das E-Rezept. Und wir müssen damit fertig werden. Was es uns bringt? Die Optimisten schwärmen von Zeitersparnis, mehr Sicherheit, mehr Schutz vor Retax. Die Pessimisten fürchten ein Umkrempeln aller Strukturen im Apothekenalltag, den Kampf um die besten Einlöse-Apps und vor allem einen heißen Wettbewerb mit den Versendern. Einige vermuten: Es wird ein Überlebenskampf wie im Haifischbecken.

In der letzten Augustwoche werden wir mit Dreiklängen zugedröhnt. Und dazu noch mit ziemlich schrägen Tönen: Die ABDA mag nichts dazu sagen, ob sie sich das Rx-Versandverbot zugunsten unserer kleinen Honorarverbesserung hat abkaufen lassen. Stattdessen trötet sie einen „Dreiklang“ raus, welche Ziele, bla bla, sie verfolgt, gibt aber keine konkreten Antworten. Auch aus dem Saarland tönt ein Dreiklang der besonderen Art: Der saarländische Staatssekretär Kolling, früher Pressesprecher und DocMorris-Unterstützer, stimmt eine Dreiklang-Hymne auf Altmaier und Kohlpharma an, mit dem Schlussakkord: Dem Importeur sei Dank, er verhelfe uns Apothekers zu mehr Geld. Wie schräg ist das denn!

September 2019

Wow, welch eine überraschende Welle der Begeisterung fürs Rx-Versandverbot hat die Bundesländer im Herbst erfasst! Der Gesundheitsausschuss des Bundesrats ist sich einig: Eine echte Gleichpreisigkeit gibt es nur mit dem Rx-Versandverbot! In der Tat, mein liebes Tagebuch, die von Spahn vorgesehene Verschiebung des Rx-Boni-Verbots ins Sozialgesetz ist nur eine morsche Krücke, die nicht halten wird. Aber auch wenn der Gesundheitsausschuss des Bundesrats pro Rx-Versandverbot votiert – man muss realistisch bleiben: Die Chancen, dass da noch etwas passiert, sind gering. Abzu­lesen auch daran, dass Spahns Staatssekretärin einen Wassereimer zum Löschen über die glühenden Reden pro Rx-Versandverbot (RxVV) schüttet.

Sie vermeldet, dass das Bundesjustizministerium ein RxVV für nicht durchsetzbar hält. Schluss, aus. Da hilft auch das positive Votum des Bundesrats pro RxVV nicht, es wird letztlich in der Tonne landen.

Da muss man ganz genau hinschauen: Spahn will automatische Arzneiabgabe­stationen von Versendern zulassen – mein liebes Tagebuch, das muss verhindert werden!

Das war ein Apothekertag! Er hatte es in sich! Die ABDA präsentiert einen Apotheken-Klimaindex, der zeigt, wie depressiv die Stimmung unter Apothekern ist! Außerdem verweist sie auf die Lieferengpässe, die immer häufiger vorkommen: Die jetzige Situation sei unhaltbar, sagt ABDA-Vize Mathias Arnold. Großes Thema, großes Theater: das E-Rezept. Fritz Becker, Chef des Deutschen Apothekerverbands, verspricht: „Wir setzen alles daran, bis zum 30. September 2020 alle Apotheken an die Telematikinfrastruktur anzubinden.“ Und er weiß: „Wir sind die einzigen, die das E-Rezept eng an den Vorgaben der Telematikinfrastruktur entwickeln.“ Da fühlt sich der Apothekerverband mit seiner Web-App fürs E-Rezept ziemlich auf der sicheren Seite. 10.000 Apotheken sollen bereits bei dieser Web-App mitmachen wollen. Anfang des Jahres noch ablehnend beäugt, jetzt fast schon enthusiastisch begrüßt: das Modellprojekt Grippe­schutz-Impfungen in Apotheken. Becker: „Wir Apotheker sind bereit für Grippeschutz-Impfungen, wir wollen diese Herausforderung annehmen“, schwärmt Becker. Mein liebes Tagebuch, erfreulich, wie sich die ABDA hier gedreht hat. Old fashioned kommt dagegen der ABDA-Präsident daher: Als Lagebericht präsentiert er in diesem Jahr ein fast schon literarisches Opus aus Psychologie und Mythologie – kam nicht bei allen gut an. Und der Höhepunkt des Apothekertags: Spahns Rede und eine Debatte der Delegierten zum Rx-Versandverbot, zur Frage, wie wollen wir damit um­gehen? Bleiben wir hart und fordern das RxVV weiterhin oder legen wir es eher in die Ablage? Wollen wir mit dem Festhalten am RxVV Spahn verärgern und bekommen dann womöglich nichts oder akzeptieren wir seine Apotheken­reform, wie er sie uns aufdrückt, und haben dann immerhin die Chance, dass die Apothekenreform zügig umgesetzt wird? Das Ende der Debatte: Der anfängliche Mut einiger Delegierter, am RxVV festzuhalten, weicht dann letztlich der Einsicht: Spahn sitzt am längeren Hebel. Und so einigt man sich auf wachsweiche Formulierungen wie: Wir wollen Spahn wissen lassen, dass wir das Apothekenreform-Gesetz weiterverfolgen, das Gesetzgebungsverfahren aber dennoch kritisch begleiten.

Oktober 2019

Die Lieferengpässe bleiben auch bei der ABDA ein Thema, aber vor allem in der Politik. Es gibt nun sogar ein Paper aus der Union, wie man sie angehen kann – auch wenn der AOK-Chef aus Baden-Württemberg meint, die Engpässe lägen nicht an Rabattverträgen. Doch der ABDA-Präsident haut da auf den Tisch und macht allen deutlich: In den Apotheken ist es so schlimm wie noch nie. Und die Noweda haut eine starke Kampagne raus: Lieferengpässe, Apothekenschließungen, handeln!

Während inzwischen sogar die ABDA pro Impfung in der Apotheke votiert (Grippeschutz-Impfungen in Apotheken sind sinnvoll und angemessen, heißt es aus Berlin), wettert der Hausärzte-Chef Ulrich Weigeldt dagegen. Lass ihn, mein liebes Tagebuch, wir träumen weiter von honorierten Dienstleistungen.

Die Diskussionen um die Reform des PTA-Berufs nehmen Fahrt auf. Der Bundesrat möchte, dass der PTA-Beruf moderner wird, mehr Kompetenzen bekommt und die PTA-Ausbildung drei Jahre dauert. Der Appell der ABDA, die gegen Kompetenzerweiterung und Ausbildungsverlängerung kämpft, bleibt im Bundesrat unerhört. Mein liebes Tagebuch, da vermute ich mal: Der Bundesrat zeigt Weitblick – er möchte die alten Zöpfe von Großmutter ABDA abschneiden.

Freude. Jetzt tritt ein Teil der Apothekenreform in Kraft: die beiden ausgekoppelten Änderungsverordnungen zur Apothekenbetriebsordnung und Arzneimittelpreisverordnung. Wir bekommen: den Botendienst auf Kundenwunsch. Auch mit telepharmazeutischer Beratung. Endlich! Lasst uns was draus machen, es ist eine echte Chance, mein liebes Tagebuch.

Den Sekt können wir aber getrost im Eis lassen, Selters reicht: Das kleine Honorarplus für Apotheker, mehr Geld für den Nachtdienst und die BtM-Doku, kommt nämlich erst am 1. Januar 2020.

Dass es mit dem Rx-Versandverbot trotz Bundesrat-Für­sprache nichts werden wird, bekräftigt das Bundesgesundheitsministerium: Der Versand gefährde die Gesundheitsversorgung nicht, so heißt es, aber ein Verbot gefährde die Versender. Mein liebes Tagebuch, das kann man nicht verstehen.

November 2019

Der November beginnt mit einer „Traumwoche“. Die zwei Versorgungs- und Arzneimittel-Chefinnen der AOK träumen entzückt von Arzneimittelautomaten und Online-Beratung. Die vollversorgende Apotheke von heute sei ein Auslaufmodell, meinen sie. Ob sie da mal ihre Versicherten gefragt haben?

Vom E-Rezept träumen nicht nur viele Verbände und Unternehmen, die mit Modellprojekten auf der Suche nach der besten Lösung sind. Auch die EU-Versender rüsten auf mit frischem Geld und träumen davon, jedes zehnte E-Rezept zu bekommen. Und während sich jetzt auch die SPD mehr Kompetenzen und eine längere Ausbildung für PTA wünscht, träumen wir Apothekers von einer ganz neuen Approbationsordnung mit mehr Klinischer Pharmazie – für unsere neue Zukunft. Eine Traumwoche!

E-Rezept rauf und runter – das E-Rezept ist in aller Munde. Der Versender DocMorris, der auf Plakaten schon seit Wochen Kompetenz in Sachen E-Rezept suggeriert, will mit dem E-Rezept kräftig wachsen. Aber auch mit GERDA, dem E-Rezept-Modellprojekt von Kammer und Verband aus Baden-Württemberg, geht’s nun richtig los – auch wenn’s noch klemmt. Wohl ähnlich wie bei über 50 anderen Modellprojekten zum E-Rezept in der Republik. Denn so richtig weiß noch keiner wie’s am Ende aussieht. Wer das Rennen macht? Ganz klar derjenige, der die endgültigen Spielregeln fürs E-Rezept am besten umsetzt. Aber diese Regeln, die gibt’s von der Gematik erst Mitte 2020. Und ein Makelverbot haben wir immer noch nicht.

Endlich mehr Freiheit beim Botendienst – und schon sieht darin so mancher Standespolitiker und Pharmazierat den Untergang der Pharmazie und die Präsenz-Apotheken in den Grundfesten erschüttert.

Freuen wir uns auf modern ausgebildete PTAs, der PTA-Reform sei Dank – allerdings soll die Reform erst 2023 kommen. Und freuen wir uns auf patientenorientiert ausgebildete Pharmazeuten, einer novellierten Approbationsordnung sei Dank – und wann die kommt, das steht noch in den Sternen, aber der erste Schritt ist gemacht.

Auch im November berichten die Medien über Lieferengpässe. Derweil ringt die Politik um Lösungen. CDU-Hennrich will die exklusiven Rabattverträge auf den Prüfstand stellen. Ob Spahn da mitzieht?

Auf Kammerversammlungen hört man deutliche Kritik an der ABDA, beim Umgang mit Spahn und der Apotheken­reform, bei der Geheimniskrämerei um Dienstleistungen. Apropos Apothekenreform, wie geht’s weiter und was wird daraus? Wir müssen auf Januar warten. Oder Februar.

Dezember 2019

Auch im letzten Monat des Jahres: Das Thema Liefereng­pässe ist in aller Munde. Da wagt sich unsere ABDA aus der Deckung. Sie fordert: Mehr Honorar für Apotheken wegen des Mehraufwands bei Lieferengpässen. Fein! Und der GKV-Spitzenverband sagt ja und hat schon eine Lösung dafür: Die Hersteller, die nicht liefern können, sollen’s zahlen. Ob das was wird?

Egal, die Zukunft darf man verhalten optimistisch sehen, sagt das Steuerbüro Treuhand, wenn man die Chancen der Digitalisierung, vom E-Rezept bis zur Telepharmazie, nutzt. Kleine Apotheken, die von diesen Chancen nicht profitieren, die nicht mehr überlebensfähig sind, werden schließen müssen, ihr Umsatz wird sich dann auf die großen überlebenden Apotheken verteilen. Aber die sollten sich nicht zu früh freuen: Dieser Mehrumsatz wird dann leider durch die Digitalisierungskosten wieder aufgefressen, sagen die Steuer­experten. So ist das bei disruptiven Entwicklungen, mein liebes Tagebuch.

Die Zahl der Apotheken geht in Deutschland stetig abwärts: Ende September waren es nur noch rund 19.200 Apotheken. Wie wird die Apothekenlandschaft 2030 aussehen? Klar, mit E-Rezepten, die dann hoffentlich nicht von den holländischen Arzneiversandhäusern umgelenkt und abgegriffen werden. Und gibt’s dann noch Lieferengpässe? Klar, wenn’s dann noch Rabattverträge gibt, gibt’s auch noch Lieferengpässe – ein Zusammenhang, den nur die Kassen, vor allem der AOK-Spitzenverband, leugnen, aber alle anderen unterstreichen. Und zur Apothekenzukunft weiß der CDU-Gesundheitspolitiker Hennrich, dass wir Apothekers im Regelfall im Gestern leben. Und DocMorris-Vorstand prognostiziert: „Die Apotheke bleibt vor Ort, aber sie wird nicht sein wie heute.“ So wird’s kommen. |

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1 Kommentar

Mal wieder viel Minus aber erschreckend wenig Plus dieses Jahr!

von Bernd Jas am 28.12.2019 um 19:26 Uhr

Super Aufarbeitung Herr Ditzel!

Ja, und ich sehe es auch schon kommen.

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