Gesundheitspolitik

AOK Baden-Württemberg will Apotheker zur Stadtflucht zwingen

Höchstpreissystem soll zu „gesundem Wettbewerb“ führen

TRAUNSTEIN (cha) | Im Umgang mit den öffentlichen Apotheken war die AOK Baden-Württemberg noch nie allzu zimperlich. Doch was man sich in Stuttgart jetzt ausgedacht hat, um die Arzneimittelversorgung der Bevölkerung in ländlichen Regionen zu gewährleisten, klingt doch eher nach einem vorgezogenen Faschingsscherz denn nach einem ernsthaft durchdachten Vorschlag.

Herzstück des Elaborats ist, die bestehende Arzneimittelpreisverordnung mit Fixzuschlag und variablem Anteil durch ein Höchstpreissystem zu ersetzen. Den Apothekern stünde es dann frei, so die AOK in ihrer Pressemeldung, „von den Höchstpreisen unter marktwirtschaftlichen Kriterien nach unten abzuweichen“. Im Klartext: Dank dieser Maßnahme soll es zu einem ruinösen Preiswettbewerb unter den Stadtapotheken kommen. Dieser „gesunde Wettbewerb“ würde dann, so der Wunsch der AOK, „zwangsläufig dazu führen, dass einige Apotheken aus den Ballungsräumen in ländliche Regionen abwandern müssten“.

Wer die Pressemeldung der AOK zur Forderung nach einem Höchstpreissystem liest, ist zunächst überrascht, dass hier veraltete Daten genannt werden: Die Zahl der Apotheken sei laut dpa bis Ende 2016 auf 20.023 zurückgegangen. Die dpa hatte zwar tatsächlich am 9. Januar diese Zahl gemeldet, doch es ist kaum anzunehmen, dass man bei der AOK nicht auf dem neuesten Stand ist – und der liegt laut ABDA bei 19.825 Betriebsstätten (Stichtag 30.9.2017).

© Kai Felmy

Doch weiter im Text: Laut AOK ­sagen Angaben über die absolute Zahl der Apotheken wenig über „die Qualität der Versorgungssicherheit“ aus. Während „in den Fußgängerzonen mancher Großstädte mitunter zwei oder drei Apotheken auf Sichtweite miteinander“ konkurrierten, stünden „dieser Überversorgung ländliche Regionen gegenüber, in denen ganzen Ortschaften keine einzige Apotheke mehr zur Verfügung steht“. Aufgrund des jetzigen Preisbildungssystems rechneten sich Apotheken vor allem dort, „wo sie besonders viele Einzelpackungen verkaufen können“, nämlich in der Nachbarschaft niedergelassener Ärzte und in den Innenstädten. Deshalb, so die bemerkenswerte Schlussfolgerung, müssten sich „in den Innenstädten von Freiburg und von Stuttgart lediglich 150 AOK-Versicherte eine Apotheke ,teilen‘, in Teilen des Kreises Heidenheim hingegen sind es schon rund 10.000“.

Zwar könne auch der Versandhandel zur besseren Versorgung der ländlichen Regionen beitragen, langfristig wirke sich „aber vor allem eine veränderte Preisbildung belebend auf die Versorgungsstruktur“ aus. Daher spricht sich die AOK für ein „flexibles Höchstpreissystem“ aus, das „eine wünschenswerte Stadtflucht begünstigen müsste“. Die Begründung dafür klingt fast zynisch: Da es den Apothekern freistünde, von diesen Höchstpreisen nach unten abzuweichen, würde sich ein „gesunder Wettbewerb“ entwickeln, der zwangsläufig zur Abwanderung einiger Apotheken aus den Ballungsräumen in ländliche Regionen führen würde. Profitieren würde die Bevölkerung, da eine „echte Versorgungssicherheit (...) anstelle einer nur quantitativ behaupteten“ träte. |


Lesen Sie hierzu auch den Kommentar "Nicht für dumm verkaufen!" von Dr. Christine Ahlheim.

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.