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Infektiologie

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Sexuell übertragbare Infektionen sind auf dem Vormarsch

Sexuell übertragbare Infektionen (engl. sexually transmitted infections, STI) werden ausschließlich oder überwiegend durch sexuelle Kontakte verbreitet und deshalb auch als Geschlechtskrankheiten bezeichnet. Die Begriffe venerische Krankheiten und Venerologie sind von der römischen Liebesgöttin Venus abgeleitet. STI können durch Bakterien, Viren, Pilze, Protozoen und Arthropoden verursacht werden. Der folgende Beitrag fokussiert die häufigsten bakteriellen STI: Gonorrhö, Syphilis und Chlamydien-Infektionen. | Von Nico Kraft

Bereits im Altertum berichtete der Römer Celsus (25 v. Chr. bis 50 n. Chr.) von sexuell übertragbaren Krankheiten, die aus heutiger Sicht an eine Gonorrhö erinnern. Damals wurde schon eine intensive Hygiene gepflegt. So hatten Legionäre bereits Essig für medizinische Zwecke dabei. Allerdings ging nach dem Zerfall des römischen Reiches viel Wissen der Medizin verloren, und im Mittelalter galten STI häufig als „Strafe Gottes“, z. B. für ein unkeusches Leben.

Die Syphilis wurde durch die Spanier aus Amerika importiert und verbreitete sich rasch in südlichen Hafenstädten. Bei der Belagerung von Neapel 1495 durch den französischen König Karl VIII. erkrankten viele Soldaten. Die heimkehrenden Truppen brachten die Syphilis in das Landesinnere, aus diesem Grund wurde sie als „Franzosen-Krankheit“ bezeichnet. Die erste Darstellung eines Syphilitikers schuf Albrecht Dürer 1496 [3].

Erst 1879 bzw. 1905 wurden die bakteriellen Erreger von Gonorrhö und Syphilis entdeckt. 1909 entwickelte Paul Ehrlich das Salvarsan® zur Therapie der Syphilis. Der größte Durchbruch in der Therapie gelang um 1942 mit der industriellen Herstellung von Penicillin.

Epidemiologie

Seit dem Inkrafttreten des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) im Jahr 1991 gibt es in Deutschland für viele Geschlechtskrankheiten keine Meldepflicht mehr. Diese besteht noch für HIV (anonym) und Hepatitis B (namentlich) an das ­jeweilige Landesgesundheitsamt. Für Syphilis besteht eine Meldepflicht (mit anonymisierten Daten) an das Robert Koch-Institut. Für die STI ohne Meldepflicht gibt es keine genauen epidemiologischen Daten, sondern nur Schätzungen.

Nach Schätzungen der WHO gab es 2008 weltweit rund 500 Millionen Neuinfektionen mit vier sexuell übertragbare Infektionen: Trichomoniasis 276 Mio. Fälle, Gonorrhö und Chlamydien-Infektionen je 106 Mio. Fälle, Syphilis 11 Mio. Fälle. Auch bei der Prävalenz war die Trichomoniasis (187 Mio. Fälle) vorherrschend, gefolgt von den Chlamydien-Infektionen (100 Mio. Fälle), während Gonorrhö und Syphilis etwa gleichauf lagen (je 36 Mio. Fälle) [1]. Nach den jüngsten Schätzungen der WHO (August 2016) ist die Anzahl der jährlichen Neuinfektionen mit diesen vier STI auf 357 Mio. gesunken; das entspricht etwa einer Million Infektionen pro Tag [4].

In der EU ist die Durchseuchung viel geringer. Im Jahr 2010 gab es etwa 345.000 Neuinfektionen mit Chlamydien, 32.000 Gonorrhö- und 18.000 Syphilis-Fälle. Die Prävalenz der Trichomoniasis ist sehr niedrig [2].

Die wichtigsten viralen STI und ihre Erreger sind Aids (HIV), Feigwarzen (Humane Papillomaviren, HPV), Herpes genitalis (Herpes-simplex-Virus) sowie Hepatitis B und C. Zu den Parasiten, die häufig sexuell übertragen werden, zählen Filzläuse und Krätzmilben.

Risikofaktoren für STI-Infektionen

Als klassische Risikofaktoren gelten:

  • häufig wechselnde oder mehrere Sexualpartner,
  • Geschlechtsverkehr ohne Kondom,
  • stark übertriebene oder sehr mangelhafte Intimhygiene,
  • Nichteinbeziehen des Partners bei der Therapie einer sexuell übertragbaren Infektion (Ping-Pong-Effekt),
  • Prostitution.

Wegen der rezeptfreien Abgabe der „Pille danach“ und der möglichen Präexpositionsprophylaxe gegen HIV ist eine größere „Kondommüdigkeit“ zu befürchten, die die STI-Zahlen weiter steigen lassen könnte. Hier kann die Apotheke eine entscheidende Rolle bei der Aufklärung über STI spielen.

Häufige Symptome

Oft verursachen STI keine Schmerzen oder andere Symptome und bleiben deshalb unbemerkt und unbehandelt. Die häufigsten Symptome, die auftreten können, sind:

  • urethraler oder vaginaler Ausfluss,
  • genitale Ulzerationen,
  • inguinale Schwellung (Bubo),
  • skrotale Schwellung und
  • Unterbauchschmerzen.

Bei einigen sexuell übertragbare Infektionen können schwere Komplikationen und Folgeschäden auftreten, z. B. (vor allem bei bakteriellen Infektionen) Endokarditis, septische Arthritis, Meningitis und Infertilität. Eine HPV-Infektion und Hepatitis B können zu Karzinomen führen.

Gonorrhö

Die Gonorrhö zählt weltweit zu den Top 3 der STI. Innerhalb Deutschlands besteht nur in Sachsen eine Meldepflicht. Im Jahr 2014 betrug die Prävalenz dort 18 Fälle pro 100.000 Einwohner [14]. Die Erreger, die der Breslauer Dermatologe Albert Neisser 1879 entdeckt hat, sind Gonokokken (Neisseria gonorrhoeae): gramnegative, aerobe, Oxidase-positive, unbewegliche, nierenförmige, im Durchmesser 0,6 bis 0,8 µm große Diplokokken. Für sie ist der Mensch der einzige Wirt. Nach einer Übertragung mit infektiösem Sekret befallen die Bakterien in erster Linie die Schleimhäute der Urethra, der Zervix, des Rektums oder der Bindehaut. Dort kommt es in der Regel zu einer eitrigen Entzündung. In seltenen Fällen tritt auch eine generalisierte Gonokokken-Infektion auf.

Wegen einer besonders variablen Oberfläche können sich Gonokokken der Immunantwort entziehen und hinterlassen daher keine Immunität.

Die urethrale Infektion des Mannes verursacht meist akute Symptome: In der Regel tritt nach einer Inkubationszeit von zwei bis sechs Tagen ein eitriger Ausfluss mit ausgeprägten Beschwerden am Glied auf. Dies führt durch den hohen Leidensdruck häufig zur frühzeitigen Behandlung. Typische Symptome der Frau sind ein weißlich-gelber vaginaler Ausfluss und urethritische Beschwerden, aber oft verläuft die Infektion asymptomatisch. Am häufigsten wird die Zervix befallen.

In vielen Fällen besteht gleichzeitig eine rektale oder pharyngeale Infektion. Diese bleiben allerdings oft wegen fehlender Symptome und einer nicht ausführlichen Sexual­anamnese unerkannt.

Auch während der Geburt kann es zur Übertragung von Gonokokken und zur Gonokokken-Konjunktivitis des Neugeborenen (Ophthalmoblennorrhoea neonatorum) kommen. Symptome dieses seltenen Krankheitsbildes treten ca. fünf Tage nach der Geburt auf. Ohne Behandlung kann die Erkrankung auf die Hornhaut übergreifen und zur Erblindung führen. Früher wurden zur Prophylaxe silbernitrathaltige Augentropfen eingesetzt (Credé-Prophylaxe), heute werden Erythromycin- oder Tetracyclin-haltige Augensalben angewendet.

Resistenzproblematik

Spätestens seitdem die „Bild“-Zeitung am 29. 12. 2015 „Monster-Tripper in Europa“ titelte [5], ist bekannt, dass eine Gonorrhö therapieresistent sein kann. Allerdings ist die aktuelle Lage nicht ganz so schlimm, wie sie damals dargestellt wurde. Das European Centre for Disease Prevention and Control (ECDC) meldet seit 2009 eine steigende Anzahl resistenter Gonokokkenstämme [6]. 2015 haben britische Forscher erstmals einen Keim isoliert, der eine so hohe minimale Hemmkonzentration gegen Azithromycin aufweist, dass er resistent gegen dieses Antibiotikum ist [7]. Laut ECDC waren im Jahr 2015 knapp die Hälfte aller Gonokokken-Isolate (49,4%) gegen Ciprofloxacin resistent, 7,1% gegen Azithromycin und 1,7% gegen Cefixim – bei leicht sinkender Tendenz gegenüber dem Vorjahr [6].

Therapie der Gonorrhö

Eine antibiotische Therapie ist nach dem Nachweis des Erregers durch Anzucht/Kultur oder NAAT (Nucleinsäureamplifikationstechnik) indiziert. Auch ein mikroskopischer Nachweis (Gram- oder Methylenblau-Färbung) von intrazellulären Diplokokken aus dem Genitaltrakt verbunden mit einer Sexualanamnese ist genügend. Bei eitrigem urethralem Fluor (Männer und Frauen) oder mukopurulenter Zervizitis kann nach einer entsprechenden Sexualanamnese auch ohne Erregernachweis eine Therapie begonnen werden, allerdings sollte sie mit der Therapie einer Chlamydien-Infektion kombiniert werden [8]. Auch die Partner sollten unbedingt benachrichtigt und behandelt werden.

Die Therapie besteht in der Regel aus der Einmalgabe von 1 g Ceftriaxon i. m. oder i. v. kombiniert mit 1,5 g Azithromycin p. o. (Tab. 1). Falls eine Injektion nicht möglich ist, sollte Azithromycin mit 0,8 g Cefixim p. o. kombiniert werden (nicht bei einem Befall der Pharynx wegen der geringen lokalen Bioverfügbarkeit). Bei disseminierten Verlaufsformen ist eine längere Therapie angezeigt. Dabei sollte 1 g Ceftriaxon i. v. alle 24 Stunden über mindestens eine Woche appliziert werden. Eine Meningitis oder Endokarditis verlängert und intensiviert die Therapie weiter. Dabei wird Ceftriaxon 1 bis 2 g i. v. alle zwölf Stunden über zehn bis 14 Tage bei einer Meningitis bzw. eine mindestens vier Wochen dauernde Therapie bei einer Endokarditis empfohlen. Zu beachten ist, dass bei der intramuskulären Gabe 1 g Ceftriaxon mit 3,5 ml 1% Lidocain-Lösung (ohne Adrenalin) verdünnt werden sollte. Nach Abheilen der Symptome, etwa zwei Wochen nach Beendigung der Therapie, wird ein erneuter Erregertest empfohlen.

Tab. 1: Antibiotika-Therapie der Gonorrhö.
ohne Komplikationen
disseminierte Verlaufsform
mit Meningitis/ Endokarditis
Ceftriaxon 1 g i.m. oder i.v. + Azithromycin 1,5 g p.o.
Alternative:
Cefixim 0,8 g p.o. + Azithromycin 1,5 g p.o.
Ceftriaxon 1 g i.v. alle 24 h, ≥ 7 Tage+ Azithromycin 1,5 g p.o.
Ceftriaxon 1 – 2 g i.v. alle 12 h, 10 – 14 Tage bzw. ≥ 4 Wochen+ Azithromycin 1,5 g p.o.

Wichtig ist es, den Patienten darauf hinzuweisen, dass er nach Abschluss der Therapie eine Woche lang sexuell enthaltsam leben sollte. Außerdem sollten alle Sexualpartner der letzten 60 Tage vor dem Auftreten der Symptome informiert werden. Auch eine Untersuchung hinsichtlich anderer STI (Chlamydien-Infektion, Syphilis, HIV) sollte erfolgen [8].

Syphilis

Die Syphilis zählt zu den chronischen, zyklischen Infektionskrankheiten. Ihre Verbreitung ist besonders seit Ende der 1970er-Jahre stark rückläufig, was dem Penicillin zu verdanken ist. Männer erkranken etwa doppelt so häufig an Syphilis wie Frauen. Seit 2001 steigt die Anzahl der Infektionen wieder an, vor allem unter homosexuellen Männern in Ballungsräumen (Berlin, Frankfurt, Köln, Hamburg, München). Zu beachten ist auch, dass es in Osteuropa und auf dem Balkan nach heterosexuellen Kontakten zu vielen Syphilis-Fällen gekommen ist, die sich sicher auf das Infektionsgeschehen in Deutschland auswirken. Im Jahr 2015 gab es in Deutschland 6834 Fälle von Syphilis. Das waren 19,4% Fälle mehr als im Vorjahr [14].

Erreger der Syphilis ist das gramnegative, spiralig gewundene Bakterium Treponema pallidum (ssp. pallidum) aus der Familie der Spirochaetaceae, das für den Menschen obligat pathogen ist. Es überlebt außerhalb des Körpers nur kurze Zeit, länger unter reduzierter Sauerstoffspannung (mikro­aerophil). Eine In-vitro-Kultur des Erregers ist nicht möglich, da er auf bestimmte Nährstoffe aus dem Organismus angewiesen ist. Die kulturelle Anzucht gelingt aber im Kaninchenhoden.

Neben T. pallidum gibt es noch weitere pathogene Treponema-Arten. Die aber in Europa keine Bedeutung haben. Einige apothogene Treponema-Arten sind in der normalen menschlichen Flora zu finden.

Die durchschnittliche Inkubationszeit beträgt bei einer Syphilis-Infektion 14 bis 24 Tage, kann allerdings auch zwischen zehn und 90 Tagen liegen. Zu Beginn einer Syphilis ist die Infektiosität am höchsten (Stadium I). Eine Übertragung ist auch in Stadium II noch möglich, im dritten Stadium besteht trotz schwerwiegender Symptome keine Infektiosität mehr.

Etwa jede zweite Infektion mit T. pallidum verläuft ohne Symptome. Eine Spontanheilung innerhalb von Jahren erleben ca. 30% der Patienten. Ansonsten geht eine akute Infektion in einen chronischen Prozess über.

In der Klinik wird der Verlauf der Erkrankung in zwei Stufen eingeteilt: Frühsyphilis (bis ein Jahr nach der Infektion) und Spätsyphilis. Die Frühsyphilis umfasst die primäre Syphilis (Lues I) mit Krankheitszeichen am Ort des Eintritts und die sekundäre Syphilis (Lues II) mit generalisierten Symptomen (Tab. 2). Zur Spätsyphilis zählen die tertiäre Syphilis (Lues III) mit Haut- und Gefäßveränderungen und die quartäre oder Neurosyphilis (Lues IV).

Tab. 2: Symptomatik der Syphilis in den vier Stadien.
I: Primäre Syphilis (14 bis 24 Tage nach Infektion)
  • Papel
  • schmerzloses Ulkus an Eichel bzw. Schamlippe
  • schmerzhafte Ulzera an Lippe, Mundhöhle, Anus
  • regionale Lymphadenopathie
  • heilt spontan nach vier bis sechs Wochen
II: Sekundäre Syphilis (Beginn 4 bis 10 Wochen nach ­Infektion
  • Fieber
  • Müdigkeit, Kopf-, Gelenk- oder Muskelschmerzen
  • harte Lymphknotenschwellung
  • stammbetontes masernähnliches Exanthem ohne Juckreiz
  • papulöse Rezidivexantheme
  • mottenfraßartiger Haarausfall
  • im Bartbereich himbeer- bis blumenkohlähnliche Papillome
  • depigmentierte Halsabschnitte („Halsband der Venus“)
  • Plaques in der Mundhöhle
  • Abklingen der Hautsymptome Jahre nach der Infektion
III: Tertiäre Syphilis (nach Latenzphase von einem bis mehreren Jahren)
  • tuberöse Hautveränderungen
  • ulzerierende granulomatöse Veränderungen (Gummata)
  • kardiovaskuläre Veränderungen
  • Spontanruptur der Aorta möglich
IV: Quartäre Syphilis (Neurosyphilis)
  • einschießende Schmerzen
  • Sensibilitätsverluste an Unterbauch und Beinen
  • Parästhesien
  • Meningitis
  • Aphasie
  • Krampfanfälle
  • progressive Paralyse
  • unbehandelt nach vier bis fünf Jahren tödlich

Bei klinischem Verdacht bzw. zum Ausschluss einer Syphilis sollte ein Erregertest durchgeführt werden. Falls dieser positiv ausfällt, sollte das Ergebnis durch einen Test mit einem anderen Antigen verifiziert werden. Bei einer primären Syphilis kann der Nachweis auch mittels einer Dunkelfeldmikroskopischen Untersuchung (DFM) bzw. per Polymerase-Kettenreaktion (PCR) erfolgen.

Therapie der Syphilis

Die Syphilis wird seit über 70 Jahren erfolgreich mit Penicillin behandelt. Nur bei einer Penicillin-Allergie ist ein Ausweichen auf Cephalosporine, Makrolide oder Tetracycline notwendig. Allerdings kommt es durch Punktmutationen zunehmend zur Resistenz gegen Makrolide, allen voran Azithromycin. Aufgrund der langen Generationszeit der Erreger ist eine Mindestbehandlungsdauer von zehn Tagen erforderlich. In ca. 20% der Fälle versagt selbst die leitlinienkonforme Therapie, daher sollten Therapiekontrollen ein Jahr lang alle drei Monate erfolgen.

Zur Therapie der Frühsyphilis werden standardmäßig zwei Injektionen mit je 1,2 Mio. IE Benzathin-Benzylpenicillin intramuskulär beidseitig gluteal appliziert. Im Fall einer Penicillin-Allergie kann auf die orale Einnahme von Doxycyclin 2 × 100 mg/Tag (alternativ: Erythromycin 4 × 0,5 g/Tag) über 14 Tage ausgewichen werden. Eine weitere Möglichkeit wäre eine Kurzinfusion (30 min) von 2 g Ceftriaxon über zehn Tage (Tab. 3).

Tab. 3: Antibiotika-Therapie der Syphilis.
Stadium I bis III
Neurosyphilis (Stadium IV)
bei Penicillin-Allergie
Benzathin-Benzylpenicillin 2,4 Mio. IE i.m. (gluteal li./re. je 1,2 Mio. IE)
Stadium I bis II: 1 ×
Stadium III: 3 × an Tag 1, 8 und 15
Penicillin G 4 × 6 Mio., 5 × 5 Mio. oder 3 × 10 Mio. IE/Tag i.v., 14 Tage
Doxycyclin 2 × 100 mg/Tag p.o. oderErythromycin 4 × 0,5 g/Tag p.o.
Stadium I bis II: 14 Tage; Stadium III bis IV: 28 Tage
oder
Ceftriaxon 2 g/Tag i.v. (in Stadium IV: initial 4 g)Stadium I bis II: 10 Tage; Stadium III bis IV: 14 Tage

Zu beachten ist, dass es ab dem erregerreichen Stadium der Sekundärsyphilis zu einer Jarisch-Herxheimer-Reaktion kommen kann. Diese Reaktion tritt etwa zwei bis acht Stunden nach der Therapieeinleitung auf und ist durch ein Exanthem sowie Fieber, Schüttelfrost und Kopfschmerzen gekennzeichnet. Zur Prophylaxe sollte 30 bis 60 Minuten vor der Antibiotikagabe 1 mg Prednisolonäquivalent pro kg Körpergewicht verabreicht werden.

Im Stadium III muss länger therapiert werden, hier ist eine dreimalige Gabe von 2,4 Mio. IE Benzathin-Benzylpenicillin angezeigt. Jeweils zwei Injektionen sollten nach dem Schema „Tag 1, 8, 15“ erfolgen. Die Alternative im Fall einer Penicillin-Allergie besteht in der gleichen Dosis von Doxycyclin bzw. Erythromycin wie bei der Frühsyphilis, allerdings über den Zeitraum von 28 Tagen. Die tägliche Kurzinfusion von 2 g Ceftriaxon müsste über zwei Wochen erfolgen.

Benzathin-Benzylpenicillin ist für die Behandlung einer ­Neurosyphilis nicht geeignet, da der Wirkstoff im ZNS keine treponemiziden Wirkspiegel erreicht. Stattdessen sollte Penicillin G in kristalloider Lösung in einer Tagesdosis von 4 × 6 Mio., 5 × 5 Mio. oder 3 × 10 Mio. IE über 14 Tage intravenös verabreicht werden. Alternativ kann auch hier 2 g Ceftriaxon i. v. über 14 Tage gegeben werden, wobei eine Initialdosis von 4 g empfehlenswert ist. Als Therapie der zweiten Wahl kann auch Doxycyclin eingesetzt werden. Die empfohlene Dosierung ist in diesem Fall 2 × 200 mg pro Tag über 28 Tage.

Die Syphilis-Patienten der Stadien I bzw. II sollten ihre Sexualpartner der letzten drei bzw. zwölf Monate informieren.

Chlamydien-Infektionen

Chlamydia trachomatis ist der Erreger der weltweit zweithäufigsten STI (etwa gleichauf mit der Gonorrhö) und der häufigsten bakteriellen Urogenitalinfektionen in den Industriestaaten. Die Anzahl der jährlichen Neuinfektionen in Deutschland wird auf 100.000 geschätzt. Sehr hohe Infek­tionsraten (bis 13%) sind unter sexuell aktiven weiblichen Jugendlichen zu finden. Die Infektionsraten sinken mit steigendem Alter und stabiler Partnerschaft. Eine Übertragung von C. trachomatis während der Geburt kann durch ein vorheriges Screening der Schwangeren verhindert werden.

Chlamydien sind unbewegliche, gramnegative Bakterien, deren Zellwand Chlamydien-spezifische Lipopolysaccharide enthält. Humanpathogen sind die Arten C. trachomatis, C. psittaci und C. pneumoniae. Im komplexen Reproduktionszyklus bilden sich extrazelluläre Elementarkörperchen nach der Infektion einer Wirtszelle in Retikularkörperchen um, die durch eine Membran geschützt sind und im Zytosol der Wirtszelle leben; dort produzieren sie neue Elementarkörper­chen, die nach der Lyse der Wirtszelle andere Zellen infizieren. C. trachomatis besitzt neben einem doppelsträngigen, ringförmigen Chromosom ein „kryptisches“ Plasmid, dessen Funktion bislang unklar ist.

C.-trachomatis-Infektionen führen in vielen Fällen zu einer Urethritis, die bei Männern in bis zu 70% der Fälle Krankheitssymptome aufweist, während sie bei etwa 70% der Frauen asymptomatisch verläuft. Beim Mann treten vor allem Urethralfluor (bei der akuten Form), Brennen in der Harnröhre und Schmerzen bei der Miktion auf. Die Frau kann zusätzlich an einer Zervizitis erkranken – mit eitrigem, manchmal stark riechendem Ausfluss aus dem Zervikal­kanal. Ein Erregernachweis beinhaltet die mikroskopische Untersuchung oder Nucleinsäureamplifikationstests (NAAT) eines Urethral- bzw. Zervikalabstrichs und/oder eine PCR-Diagnostik aus dem Erststrahl-Urin.

Das Lymphogranuloma venereum (Durand-Nicolas-Favre-Krankheit) tritt vorwiegend in den tropischen und subtropischen Gebieten Afrikas, Asiens und Lateinamerikas auf. Allerdings wurden in den letzten Jahren auch in Großstädten Europas und der USA Fälle registriert.

Das Trachom, eine weitere durch C. trachomatis ausgelöste Krankheit, kommt nahezu ausschließlich in tropischen Ländern unter mangelhaften hygienischen Verhältnissen vor. Es ist weltweit die häufigste Augenkrankheit und die zweithäufigste Ursache für eine Erblindung;

Therapie von Chlamydien-Infektionen

Die antibiotische Therapie der Wahl ist: Doxycyclin 100 mg p. o. 2 × täglich für eine Woche (Tab. 4). Im Falle einer Unverträglichkeit oder aus anderen Gründen: Azithromycin 1,5 g als Einmalgabe (Stoßtherapie). Wichtig ist es auch hier, die Sexualpartner der (mindestens) letzten sechs Monate in das Therapiemanagement einzubeziehen.

Tab. 4: Antibiotika-Therapie von Chlamydien-Infektionen.
Urethritis/Proktitis/Pharyngitis
Prostatitis/Epididymitis
Doxycyclin 100 mg p.o. 2 × täglich, 7 Tage
Doxycyclin 100 mg p.o. 2 × täglich, 14 Tage
oder
Ofloxacin 200 mg p.o. 2 × täglich, 14 Tage

Falls die Infektion unentdeckt bleibt, kann diese im Urogenitaltrakt aufsteigen und beim Mann zu einer Prostatitis oder Epididymitis führen. Eine Epididymitis, die auch bei einer Gonorrhö auftreten kann, erleiden 3,9% der Patienten mit positivem Chlamydien-Befund; die Nebenhodenschwellung ist schmerzhaft und kann chronisch verlaufen. Wenn nicht gleichzeitig eine Gonorrhö vorliegt, wird in diesen Fällen die Therapie um eine Woche verlängert (auf 14 Tage). Alternativ kann auch eine Antibiose mit Ofloxacin (200 mg p. o. 2 × täglich für 14 Tage) in Erwägung gezogen werden.

Eine Chlamydien-Proktitis ist meistens die Folge einer Infektion bei ungeschütztem Analverkehr oder bei der Verwendung von Sextoys durch mehrere Personen. Die Inkubationszeit beträgt sieben bis 42 Tage und verläuft in etwa 60% der Fälle ohne klinisch relevante Beschwerden. Die entzündete Mukosa zeigt meist purulente Auflagerungen und fallweise ein pflastersteinartiges Schleimhautödem. Dieses kann zu Beschwerden wie analem Pruritus, Missempfindungen, perianalen Erythemen oder Ekzemen sowie zu Stuhlauflagerungen führen.

Eine Chlamydien-Pharyngitis verläuft meist stumm und stellt daher eine potenzielle Infektionsquelle dar. Die antibiotischen Therapien der Chlamydien-Proktitis und -Pharyngitis orientieren sich an der Therapie der Urethritis.

Hinweise zur STI-Therapie

  • Teilweise untypische Dosierungen von Antibiotika, z. B. Azithromycin nicht über drei Tage, sondern alle drei Tabletten auf einmal nehmen (Stoßtherapie).
  • Der Patient muss eine Antibiotika-Packung nicht immer „aufbrauchen“ (bei Ciprofloxacin und Cefixim z. T. Einmalgaben).
  • Auf die richtige Lagerung der Arzneimittel hinweisen, z. B.: Benzathin-Benzylpenicillin kühl lagern.
  • An Komedikation denken, z. B. Prednisolon zur Prophylaxe der Jarisch-Herxheimer-Reaktion bei Therapie mit Benzathin-Benzylpenicillin.
  • Der Patient soll seine Sexualpartner der letzten sechs Monate informieren und selbst sexuell enthaltsam leben, solange er potenziell infektiös ist.
  • Bei Patientinnen, die häufiger nach einem Präparat gegen eine Vaginalmykose fragen, auch an sexuell übertragbare Infektionen denken und sie an den Arzt verweisen.
  • In der Beratung Wissen zur STI-Prävention vermitteln, vor allem bei der Abgabe der „Pille danach“.

Prävention von STI

Viele Jugendliche nehmen früh sexuelle Beziehungen auf und wissen in der Regel wenig von der Existenz sexuell übertragbarer Infektionen – mit Ausnahme von HIV/Aids. Der Kondomgebrauch bei Jugendlichen lässt in dem Maße nach, wie die Mädchen mit der „Pille“ verhüten. In einer aktuellen Studie der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) gaben 31% der Befragten mit mehreren Sexualpartnern im Jahr an, „gelegentlich“ oder „nie“ Kondome zu benutzen [13].

Um bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen ein Bewusstsein von STI zu schaffen, haben die aktuellen BZgA-Kampagnen „mach‘s mit“ neben HIV auch andere sexuell übertragbare Infektionen thematisiert. Fraglich bleibt, ob Jugendliche über Broschüren oder Beratungsangebote (Beratungsstellen) erreicht werden und ob eine zugehende Prävention über Schulen/Lehrer bzw. externe Fachkompetenz (Ärzte, Apotheker, Öffentlicher Gesundheitsdienst, Krankenschwestern, Hebammen, Gesundheitserzieher) erfolgsversprechender ist. Darüber hinaus sollte bei der Beratung zur hormonellen Kontrazeption, sowohl beim Arzt als auch in der Apotheke, die zusätzliche Kondombenutzung thematisiert werden, damit Jugendliche sich mit der „Pille“ nicht in falscher Sicherheit wiegen. Da die „Pille danach“ nicht verschreibungspflichtig ist, ist die Apotheke bei ihrer Abgabe besonders gefordert, sachlich über sexuell übertragbare Infektionen aufzuklären, ohne zugleich den moralischen Zeigefinger zu heben. |

Literatur

 [1] WHO. Global incidence and prevalence of selected curable sexually transmitted infections, 2008. Geneva 2012; www.who.int/reproductivehealth/publications/rtis/2008_STI_estimates.pdf

 [2] European Centre for Disease Prevention and Control (ECDC). Sexually transmitted infections in Europe, 1990-2010. Stockholm 2012; ­https://ecdc.europa.eu/sites/portal/files/media/en/publications/Publications/201206-Sexually-Transmitted-Infections-Europe-2010.pdf

 [3] Di Cicco CO. History of Syphilis – a night with Venus, a lifetime with Mercury, 2nd ed, 2015

 [4] WHO. Sexually transmitted infections (STIs), Fact sheet, Updated August 2016; who.int/mediacentre/factsheets/fs110/en

 [5] www.bild.de. Antibiotika-Resistenz: Britische Ärzte warnen vor Monster-Tripper in Europa. 29. Dezember 2015; www.bild.de/ratgeber/gesundheit/tripper/aerzte-warnen-vor-antibiotika-resistenz-43954212.bild.html

 [6] European Centre for Disease Prevention and Control. Gonococcal antimicrobial susceptibility surveillance in Europe, 2015, 24. August 2017; ­https://ecdc.europa.eu/en/publications-data/gonococcal-antimicrobial-susceptibility-surveillance-europe-2015

 [7] Gallagher J. „Super-gonorrhoea“ outbreak in Leeds. BBC News, 18. September 2015

 [8] S2k-Leitlinie Gonorrhoe bei Erwachsenen und Adoleszenten, AWMF-Reg.-Nr. 059-004, August 2013, geprüft am 4. Juli 2016

 [9] Syphilis. Ratgeber für Ärzte des Robert Koch-Instituts, www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Merkblaetter/Ratgeber_Syphilis.html

[10] S2k-Leitlinie Diagnostik und Therapie der Syphilis, AWMF-Reg.-Nr. 059-002, Juli 2014

[11] S2k-Leitlinie Infektionen mit Chlamydia trachomatis, AWMF-Reg.-Nr. 059-005, August 2016

[12] Chlamydiosen. Ratgeber für Ärzte des Robert Koch-Instituts, www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Merkblaetter/Ratgeber_Chlamydiosen_Teil1.html

[13] AIDS im öffentlichen Bewusstsein der Bundesrepublik Deutschland. Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA), 2014

[14] Bremer V et al. Sexuell übertragbare Infektionen in Deutschland. Bundesgesundheitsblatt 2017;60:948–957

Autor

Nico Kraft, Dipl.-Pharm., Apotheker, ist in der Birken-Apotheke Köln angestellt und Doktorand im Fach Klinische Pharmazie an der Universität Bonn (Prof. Dr. Jaehde). Sein Forschungsthema ist die pharmazeutische Betreuung von HIV-Positiven. Er ist Coautor des Kapitels HIV im Buch Rose/Friedland „Angewandte Pharmakotherapie“.

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