Medizin

Hicks!

Der Schluckauf und seine Ursachen

Von Clemens Bilharz | In der Regel verschwindet er so schnell, wie er kommt, und je nach Geräuschpegel sorgt er für belustigte oder mitleidige Blicke – der Schluckauf. Als harmloses bis allenfalls lästiges Alltagsphänomen ist der Reflex nicht weiter bedenklich, zumal gegen akute Attacken diverse Hausmittel überliefert sind. Dauert der Schluckauf allerdings eine längere Zeit, sollte ein Arzt aufgesucht werden. Abgesehen vom quälenden Reiz kann ein persistierender Singultus auch das Symptom einer ernsthaften Grunderkrankung sein.
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Ausgelöst wird der Schluckauf durch eine reflektorische, myoklonische Kontraktion der inspiratorischen Muskulatur. Hierbei kommt es mit beginnender Einatmung zu einer kurzen, unwillkürlichen Muskelzuckung des Zwerchfells. Nach etwa 35 Millisekunden verschließt sich die Glottis (Stimmlippe) abrupt bis zu einer Sekunde, wodurch das typische Geräusch entsteht, das in vielen Sprachen und Dialekten entsprechend lautmalerisch charakterisiert wird. So spricht man etwa in Süddeutschland vom „Gluckser“ und in der Schweiz vom „Gluggsi“ oder „Hitzgi“, während die englische Sprache das Phänomen als „hiccup“ oder „hiccough“ bezeichnet. Direkt aus dem Lateinischen übersetzt bedeutet Singultus „das Schluchzen“.

Meist gutartig und vorübergehend

Die Frequenz des Singultus ist individuell sehr verschieden und liegt zwischen zwei und 60 „Hicksern“ pro Minute. Die Zwerchfellbewegungen können sowohl ein- als auch beidseitig sein. Aus elektromyografischen Messungen weiß man, dass neben dem Zwerchfell auch andere inspiratorische Muskeln kontrahieren, beispielsweise die Zwischenrippenmuskulatur.

In den allermeisten Fällen ist der Schluckauf ein harmloses, passageres Phänomen. Wenn er aber persistiert, kann er den Betroffenen nicht nur direkt belasten, sondern auch durch Folgeerscheinungen schädigen, wie z. B. Mangelernährung, Dehydrierung, Schlaflosigkeit oder chronische Erschöpfung.

Störung im Schluckreflexbogen

Bereits vor 60 Jahren vermutete man eine Beteiligung des Nervus phrenicus und des Nervus vagus an der Entstehung des Singultus (s. Kasten „Lange Dienstwege“). Heute gilt als sicher, dass an der akuten wie chronischen Reizung des Schluckreflexbogens drei Komponenten beteiligt sind:

Zum afferenten Schenkel gehören Nervenfasern des N. vagus, des N. phrenicus und des thorakalen N. sym­pathicus (Th6 bis Th12). Die den Singultus auslösenden Si­gnale kommen vor allem aus dem distalen Ösophagus, ferner aus dem Mageneingangsbereich und von der ab­dominalen Seite des Zwerchfells.

Die Nervenimpulse werden zentral in einem Areal zwischen Hirnstamm und Hypothalamus verschaltet. Einige Fallberichte über rezidivierenden Schluckauf von Patienten mit Tumoren im Bereich der Medulla oblongata sprechen dafür, dass das Zentrum für den Singultusreflex in unmittelbarer Nähe des Atemzentrums liegt.

Die beiden wichtigsten efferenten Nervenfasern verlaufen im N. phrenicus (Zwerchfellkontraktion) und dem aus dem N. vagus zum Kehlkopf abzweigenden N. laryngeus recurrens (Glottisverschluss). Beteiligt sind auch die aus dem Rückenmark stammenden Nerven in den vorderen Skalenusmuskeln (C5 bis C7) sowie der Interkostal­muskulatur (Th1 bis Th11), die die Atmung unterstützen.

Lange Dienstwege: Nervus vagus und Nervus phrenicus

Der N. vagus ist der zehnte Hirnnerv. Nach seinem Durchtritt an die Hirnoberfläche im Bereich der Medulla oblongata verläuft er entlang den großen Halsgefäßen Richtung Thorax. Als größter Nerv des Parasympathikus ist er an der Funktionssteuerung fast aller inneren Organe in Brust- und Bauchraum beteiligt. Daher auch sein Name – wörtlich übersetzt heißt er „der umherschweifende Nerv“.

Seine zahlreichen Verzweigungen versorgen motorisch u. a. den Rachenbereich, den Kehlkopf und die Speiseröhre. Mit seinen sensiblen Fasern übermittelt er Geschmacks- bzw. Berührungsempfindungen aus Rachen, Kehlkopf, Speiseröhre, dem Zungengrund und einem Teil des äußeren Gehörgangs.

Der N. phrenicus ist ein peripherer Nerv, der im Plexus cervicalis entspringt, einem Geflecht aus den ersten bis vierten Rückenmarksnerven des Halses. Zwischen der Arteria und Vena subclavia zieht er zum Mediastinum und von dort abwärts zum Zwerchfell, das er mit zahlreichen Ästen bedeckt und motorisch innerviert – dies ist seine Hauptfunktion. Zudem versorgt er u. a. das Peritoneum (Bauchfell) sensibel, vor allem im Bereich der Leber, der Gallenblase und des Mageneingangs.

Intrauteriner Schluckauf

Während andere „Alltagsreflexe“ durchaus Sinn machen, so z. B. das Niesen und Husten, das die Atemwege reinigt, scheint der Schluckauf zumindest beim erwachsenen Menschen keinen physiologischen Vorteil zu zeigen. Da er auch bei anderen Säugetieren wie Hunden, Katzen, Pferden oder Kaninchen vorkommt, wird er als phylogenetisches Überbleibsel gedeutet, das in der Embryonalphase der Vorbereitung des späteren Saugreflexes dient.

Zum einen zeigen Ultraschalluntersuchungen, dass beim Embryo ab der achten Schwangerschaftswoche ein Singultus auftreten kann. Zum anderen ist dieser Reflex bei Neugeborenen noch stark ausgeprägt, bevor er mit zunehmendem Wachstum mehr und mehr zurückgeht. Bezüglich des Em­bryos wird postuliert, dass ein Singultus nach Verschlucken von Fruchtwasser durch Überdehnung des Magens ausgelöst wird oder dass er auftritt, um eine drohende Aspiration von Amnionflüssigkeit zu verhindern.

Singultus – ein Rülps-Reflex?

Beim Schluckauf führt der forcierte Inhalationsversuch gegen die abrupt verschlossene Glottis zu einem sofortigen Rückgang des intrathorakalen Drucks. Gleichzeitig wird die normale orthograde Ösophagusperistaltik unterdrückt, und der untere Ösophagussphinkter erschlafft. Somit bestehen Parallelen zum Brechreflex, an dem der N. vagus ebenfalls beteiligt ist. Während beim Erbrechen mehr oder weniger fester Mageninhalt nach oben getrieben wird, triggert (nach einer neueren Hypothese) eine Gas- oder Luftansammlung im Magen oder unteren Ösophagus den Singultusreflex, indem sie durch den Druck Mechanorezeptoren aktiviert. Erst hierdurch soll über den afferenten Schenkel des neuronalen Reflexbogens die Zwerchfellkontraktion ausgelöst werden. Diese treibt die Luft aus dem Magen in den erschlafften Ösophagus, aus dem sie bei der nächsten physiologischen Aus­atmung entweichen kann.

Gestützt wird diese Hypothese durch die Vermutung, dass der Singultusreflex bei jungen Säugetieren die Koordination von Atmen und Saugen stabilisieren hilft: Indem die beim Saugen verschluckte Luft gleich wieder entfernt wird, bleibt die Aufnahmekapazität des Magens für die Muttermilch erhalten.

Physische und psychische Faktoren

Ein akuter Schluckauf kann beim Kind wie beim Erwachsenen nicht nur durch einen mechanischen Druck, sondern auch durch einen thermischen oder chemischen Reiz im Magen ausgelöst werden. Die häufigsten Ursachen sind

  • eine plötzliche Überdehnung durch reichliches oder zu rasches Essen oder durch kohlensäurehaltige Getränke,
  • die Einnahme zu kalter oder zu warmer Speisen und Getränke,
  • die massive Zufuhr alkoholischer Getränke.

Nicht selten wird der Reflex durch psychische Faktoren wie Angst, Schrecken, Lachen oder Aufregung begünstigt. Beschrieben wurde er auch als Symptom einer posttraumatischen Konversionsreaktion (teilweiser oder vollständiger Verlust der Erinnerung oder Identität).

Auch eine Endoskopie des oberen Gastrointestinaltrakts kann einen Schluckauf auslösen.

Chronischer Schluckauf durch Reflux

In der Regel verschwindet ein akuter Singultus spontan von selbst und bereitet keine weiteren Probleme. Hält er länger als 48 Stunden an, wird er als chronisch oder persistierend bezeichnet. Dauert er länger als zwei Monate, gilt er als therapieresistent.

Ein persistierender Singultus kann ein Hinweis auf einen pathologischen Prozess im Verlauf des Reflexbogens sein. So wird geschätzt, dass bei etwa zwei Dritteln aller Betroffenen ein gastroösophagealer Reflux die Ursache ist (Tab. 1, periphernervöse Störungen des Nervus phrenicus). Ansonsten kann der Singultus ein (Primär-)Symptom vieler anderer Erkrankungen sein (Tab. 1). In manchen Fällen lässt sich keine Ursache finden, man spricht dann von einem idio­pathischen Singultus.

Tab. 1: Möglich Ursachen des persistierenden Schluckaufs.
Zentralnervöse Störungen, v. a. im Bereich des Hirnstamms
Läsionen durch Schädel-Hirn-Trauma, Tumoren, Hydro­zephalus, Syringobulbie (Höhlenbildung im Bereich der Medulla oblongata)
infektiöse oder degenerative Veränderungen, v. a. Enzephalitis, Meningitis, multiple Sklerose
zerebrovaskuläre Erkrankungen, v. a. Ischämie, Hirninfarkt
Periphernervöse Störungen des Nervus phrenicus und des Nervus vagus
Reizung des N. phrenicus durch gastroösophagealen Reflux (häufigste Ursache), thorakale Infekte (Pneumonie, Pleuritis, Perikarditis), Tumoren (des Mediastinums oder Ösophagus), Hiatushernie, subphrenischen Abszess u. a.
Fremdkörper im Bereich des Trommelfells (Reizung des R. auricularis des N. vagus)
Pharyngitis, Laryngitis, Struma und Tumoren im Hals­bereich (Reizung des N. recurrens des N. vagus)
Toxisch-metabolische Störungen
Alkohol, Urämie, Diabetes mellitus, Hyponatriämie und Hypokalzämie
Chirurgische Operationen
intrakraniale, thorakale und abdominale Eingriffe
bei Narkose: Intubation mit Reizung der Glottis oder durch überdehnte Phrenikuswurzeln nach starker Kopfreklination
Medikamente
Methyldopa, Barbiturate, Dexamethason, Diazepam
Psychische Ursachen
Stress, Aufregung, (posttraumatische) Konversionsreaktion

Am Anfang der Diagnostik steht die Anamnese, etwa die Frage, ob ein bestimmtes Ereignis oder eine Veränderung im Befinden mit dem Beginn des Schluckaufs in Verbindung gebracht werden kann. Eine Persistenz während des Schlafs spricht eher für eine organische Ursache, ein nächtliches Pausieren eher für eine psychische Ursache. Ergeben Labordiagnostik, Röntgen-Thorax und/oder Gastroskopie keinen pathologischen Befund, sind weiterführende Untersuchungen wie ein CT von Hals/Thorax/Abdomen, ein MRT des Schädels, eine Lumbalpunktion oder eine Bronchoskopie indiziert.

Empirisch bewährte Hausmittel

Wenn immer möglich, sollte eine kausale Therapie versucht bzw. die auslösende Ursache beseitigt werden. Bei erfolg­loser Ursachensuche können verschiedene symptomatische Behandlungsversuche unternommen werden, die zumeist darauf abzielen, den Reflexbogen des Singultus zu durchbrechen. Vor allem für nichtmedikamentöse Manöver wie Eiswasser trinken oder den Atem anhalten ist die Evidenz gering bis nicht vorhanden, dennoch sind sie empirisch bei den meisten Formen eines akuten und banalen Schluckaufs wirksam (s. Tab. 2). Bei persistierendem Singultus haben sich in einigen Fällen eine Atem- oder Verhaltenstherapie, Akupunktur oder eine elektrische Phrenikusstimulation (Atemschrittmacher) bewährt.

Tab. 2:
Nichtmedikamentöse Maßnahmen bei Singultus
Atemmanöver
Atem anhalten, Husten, Valsalva-Manöver (forciertes Ausatmen gegen die verschlossene Mund- und Nasenöffnung)
Rückatmung in einen Beutel (> respiratorische Azidose)
Knie zur Brust ziehen oder sich nach vorne beugen (> Thoraxkompression)
Nasale und pharyngeale Stimulation
Druck auf die Nasenwurzel oder Oberlippen
Inhalation von reizenden Stoffen (Ether, Ammoniak)
Gurgeln mit Wasser
rasches Trinken von Eiswasser, Tee oder Essig
Einnahme von mit Essig oder Zitronensaft getränktem Zucker (als Würfelzucker oder in Teelöffel)
Reizen des weichen Gaumens, der Uvula, Herausziehen der Zunge
Stimulation des N. vagus
Druck auf den Augenbulbus
Karotismassage
Magenentleerung
induziertes Erbrechen, Fasten, Magensonde
Beruhigung des N. phrenicus
Kühlung oder Massage des Oberbauches
Andere Maßnahmen
Veränderung der Ess- und Ernährungsgewohnheiten
Atemtherapie
psychiatrische Behandlung (Verhaltenstherapie, Hypnose)
Elektrotherapie (elektrische Phrenikusstimulation)
Akupunktur

Kombinationstherapie oft mit PPI

Auch die Empfehlungen zur medikamentösen Therapie des chronischen Singultus resultieren zumeist aus Einzelfallberichten oder Studien mit wenigen Teilnehmern. Oft werden verschiedene Arzneistoffe kombiniert – bei den häufigen gastroösophagealen Ursachen sollten stets Protonenpumpenhemmer (PPI) oder Prokinetika zur Kombinationstherapie gehören.

In einer systematischen, allerdings schon etwas älteren Studie bewirkte die Kombination von 3 × 10 mg Cisaprid, 20 mg Omeprazol und 3 × 15 mg Baclofen bei 40 Prozent aller therapierten Patienten eine komplette Remission des chronischen Singultus. Das primär bei Spastizität der Skelettmuskulatur indizierte Baclofen scheint auch den Singultusreflex zu dämpfen.

Die aktuelle DGN-Leitlinie zur Behandlung von neurogenen Dysphagien (Schluckstörungen) [6] empfiehlt aufgrund guter therapeutischer Erfolge

  • die Kombination von Baclofen mit dem Antiemetikum Domperidon und einem PPI sowie
  • das Antikonvulsivum Gabapentin, allein oder als Add-on.

Weitere als wirksam beschriebene Alternativen sind das Neuroleptikum Haloperidol (3 × 1 – 4 mg p.o.), das Antikonvulsivum Carbamazepin (3 × 100 – 300 mg p.o.) oder auch der Calciumantagonist Nimodipin (3 × 30 mg p.o.).

Bei therapierefraktärem Verlauf bleibt als Ultima Ratio die selektive Unterbrechung des N. phrenicus. Um deren Auswirkung sowohl auf den Schluckauf als auch auf die Atmung zu prüfen, sollte vor einer chirurgischen Durchtrennung immer zuerst eine reversible Nervenleitungsblockade durchgeführt werden. |

Literatur

[1] Kuhn M, Reinhart WH. Singultus. Schweiz Med Forum 2004;4:1138-1141

[2] Ohlrich M, Royl G. Singultus – Diagnostik und Therapie. Akt Neurol 2014;41:116-124 (Abstract)

[3] Andresen V, Layer P. Schluckauf (Singultus). In: Layer P, Rosien U (Hrsg). Praktische Gastroenterologie. 4. Auflage. München 2011.

[4] Howes D. Hiccups: a new explanation for the mysterious reflex. Bioessays 2012;34:451-453

[5] Eisenächer A, Spiske J. Case report: persistent hiccups (singultus) as the presenting symptom of medullary cavernoma. Dtsch Arztebl Int 2011;108(48):822-826

[6] Deutsche Gesellschaft für Neurologie. Leitlinie Neurogene Dysphagien. AWMF-Registernummer 030 - 111. September 2012

Autor

Clemens Bilharz ist Facharzt für Anästhesie und Intensivmedizin und zusätzlich als wissenschaftlicher Fachzeitschriftenredakteur ausgebildet. Er ist als Autor und Berater für Fachver­lage und Agenturen tätig.

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