Foto: Link

Ibuprofencreme in der Defektur

Charakterisierung mithilfe der NIR-Spektroskopie

In einem aktuellen Beispiel wurden sowohl der Wirkstoffgehalt als auch die Viskosität einer halbfesten Ibuprofenzubereitung mittels NIR-Spektroskopie (NIRS) untersucht. Zunächst wurden Cremes mit einem Massengehalt von 0,2, 0,4, 0,6 und 0,8% Ibuprofen angefertigt und verglichen. Darauf wurden Cremes mit gleichem Wirkstoffgehalt, aber unterschiedlichem Wasser-Lipid-Verhältnis angefertigt und verglichen. Dabei entsprachen die NIRS-Ergebnisse denen der UV-Bestimmung und der Prüfung mit einem Viskosimeter [1]. | Von Andreas Link

Prüfung des Wirkstoffgehalts

In der Abbildung 1 ist das dekadische Absorptionsmaß der halbfesten Ibuprofenzubereitung gegen die Wellenlänge aufgetragen. Man erkennt, dass der Bereich des normalisierten Spektrums zwischen 1000 und 1400 nm für die Abschätzung der unterschiedlichen Wirkstoffkonzentrationen ausreicht. Dort kann abgelesen werden, dass bei einer Zunahme der Wirkstoffkonzentration von 0,2 bis 0,8% auch das dekadische Absorptionsmaß (Absorbanz) zunimmt. Die Abbildung 2 zeigt den Ausschnitt von 800 bis 1400 nm und die 1. Ableitung dieses Spektrums.

Methodenvaliderung

Zur Methodenvaliderung wurden die durch die Herstellung bekannten Konzentrationen zusätzlich mittels UV-Spektroskopie bestimmt. Eine statistische Auswertung ergab, dass sich bei einem Konfidenzintervall von 95% die Ergebnisse der NIRS und der UV-spektrometrischen Analyse nicht signifikant unterscheiden. Im industriellen Umfeld ist die Verwendung einer Referenzmethode obligatorisch [2], in der Rezeptur und Defektur können auch Leave-one-out-Kreuzvalidierungen herangezogen werden. In diesem Beispiel hätte man also die Creme mit einem Wirkstoffstoffgehalt von 0,6% bei der Methodenerstellung auslassen und die Ergebnisse für diese Creme zur Überprüfung der Methode heranziehen können [3]. Diese Möglichkeit ist von großer praktischer Bedeutung, weil in der Rezeptur und Defektur häufig nicht auf ein geeignetes zweites instrumentelles Analysenverfahren zurückgegriffen werden kann.

Abb. 1: Normalisiertes NIR-Spektrum von vier Ibuprofencremes mit 0,2, 0,4, 0,6 und 0,8% Wirkstoffgehalt zwischen 800 und 2400 nm. (Ordinate: Absorbanz; Abszisse: Wellenlänge in µm; aus [1])
Abb. 2: Ausgewählter Bereich des NIR-Spektrums der Ibuprofencremes (vgl. Abb. 1). In dem normierten Spektrum ist ein linearer Datenzusammenhang erkennbar. Oben links ist zur leichteren Auswertung die 1. Ableitung dieses NIR-Spektrums dargestellt. (Ordinate: Absorbanz, Abszisse: Wellenlänge in µm; aus [1])


Prüfung der Viskosität

Zusätzlich zum Wirkstoffgehalt wurden die rheologischen Eigenschaften von halbfesten Ibuprofenzubereitungen untersucht. Dazu wurden Cremes mit identischem Wirkstoffgehalt, aber unterschiedlichen Verhältnissen von Wasser zu Lipiden angefertigt und ihre NIR-Spektren miteinander verglichen.

Abb. 3: Beurteilung physikalischer Parameter von Ibuprofencremes mit variierten Salbengrundlagen durch Vergleich ihrer NIR-Spektren. (Ordinate: Absorbanz; Abszisse: Wellenlänge in µm; aus [1])

Mit steigendem Wasseranteil und sinkendem Lipidanteil sinkt die Viskosität, und die Absorbanz nimmt zu. Im Bereich unter 1080 nm war der Zusammenhang zwischen Absorbanz und Viskosität am besten auszuwerten (Abb. 3). Die statistische Auswertung der 1. Ableitung des normalisierten Spektrums in diesem Bereich (Abb. 4) ergab, dass sich bei einem Konfidenzintervall von 95% die Ergebnisse der NIRS und der Untersuchung mit einem Viskosimeter nicht signifikant unterscheiden.

Abb. 4: Spektralbereich, in dem der Zusammenhang von Absorbanz und Viskosität abgeschätzt werden kann. (Ordinate: Absorbanz; Abszisse: Wellenlänge in µm; aus [1])


Kombination mit anderen Analysenmethoden

Dies ist ein einfaches Beispiel dafür, dass sich NIRS-Untersuchungen sowohl zur Bestimmung von Surrogatparametern wie Viskosität als auch zur Abschätzung des Wirkstoffgehalts eignen. Darüber hinaus zeigt das Beispiel, dass sich (bei einfachen Fragestellungen) auch aus nur wenig vorbehandelten Spektren wesentliche Eigenschaften einer Zubereitung ablesen lassen, sodass auf eine nur durch Experten durchführbare chemometrische Auswertung weitgehend verzichtet werden kann. In Kombination mit anderen einfach durchführbaren Prüfungen wie pH-Wert-Messung, Bestimmung der Brechzahl oder Ausstreichtests auf Glasplatten kann die NIRS auch zu einer Prüfung von Zubereitungen mit mittleren Risikoscore herangezogen werden.

Allerdings sind quantitative Abschätzungen des Wirkstoffgehalts von Zubereitungen, die Wasser enthalten, sehr temperaturempfindlich und nur mit thermostatisierten Geräten und gekühlten Detektoren ausreichend genau.

Vergleichsspektren für Rezeptur- oder Defekturarzneimittel in eine Datenbank einzupflegen, ist also ein ungelöstes Problem. Der Aufwand für die Messung vieler Spektren ist dabei noch die kleinere Herausforderung. Die Einarbeitung in chemometrische Methoden ist langwierig und erfordert Übung. Deswegen ist eine Zusammenarbeit mit Hochschulinstituten oder Dienstleistern bzw. Geräteherstellern in der Regel die einfachste Möglichkeit, um die benötigten Referenzdaten zu erstellen. Die Anwendung danach ist dann allerdings sehr unkompliziert.

Surrogatparameter wie Viskosität oder Wassergehalt zu messen oder den Wirkstoffgehalt in Analogie zu bekannten Methoden halbquantitativ abzuschätzen, ist dagegen auch mit einfachen, selbstentwickelten NIR-Methoden möglich. wie das Beispiel der Ibuprofencreme zeigt. Durch Kombination mit anderen apothekenüblichen Analysenverfahren können aussagekräftige, sehr einfach durchführbare Prüfmethoden erarbeitet werden.

Wünschenswert: Beispieldokumentation zur NIRS in der Defekturanalytik

Für die Identifizierung von Rezeptursubstanzen, Teedrogen und Defekturarzneimitteln mit einem niedrigen Gesamtrisikoscore unter 30 sind sequenzielle NIR-Geräte geeignet. Ein Zugriff auf eine beim Gerätehersteller mit gleicher Messtechnik erstellte Datenbank ist praktisch unverzichtbar. Die Qualität der Datenbank ist dabei von entscheidender Bedeutung. Um die Anforderungen des Arzneibuchs zu erfüllen, ist es zudem wichtig, Zugriff auf die Rohdaten sowie Einblick in die Datenvorbehandlung zu haben [4]. Kosten für die Beschaffung von rückführbaren Standards, Vergleichssubstanzen, Datenvorbehandlung und chemometrische Analysen sowie die Validierung der Datenbank werden so auf viele Anwender verteilt.

Für industrielle Anwendungen der NIRS kann eine Implementierung der Prüfmittelüberwachung sowie eine komplette Erstellung der Validierungsdokumentation entsprechend den einschlägigen Richtlinien der EMA eingekauft werden. Dies ist für in Apotheken eingesetzte NIR-Geräte aufgrund der nicht-industriellen Arzneimittelherstellung nicht notwendig [2] und nicht zuletzt aus Kostengründen unüblich.

Stattdessen muss der Anwender in der Apotheke an der Erstellung der für sein QMS erforderlichen Dokumentation mitwirken, bevor er die dann sehr einfache, schnelle und leistungsfähige Methode einsetzen kann. Sehr wünschenswert wäre daher die Erstellung einer detaillierten Mustervalidierung mit einer Beispieldokumentation unter Federführung der Gerätehersteller. Da die meisten Apotheken gleiche Fragestellungen bearbeiten, könnten auch hier Lasten auf viele Schultern verteilt, Kosten gesenkt und Qualität erhöht werden. Ein solches Projekt könnte durch ein Konsortium von Anwendern initiiert und durch das ZL und Hochschulinstitute begleitet werden.

Entwicklung neuer Methoden und Geräte

Mit den deutlich leistungsfähigeren FT-NIR-Geräten können neben qualitativen auch quantitative Analysen einfach und schnell ausgeführt werden. Spezielle Methoden zur Untersuchung individueller Rezepturen im Defekturmaßstab können entwickelt werden. FT-NIR-Spektrometer und validierte Prüfmethoden würden dann einen Einsatz auch bei Defekturszenarien mit einem hohen Risiko (Gesamtrisikoscore >100) ermöglichen.

Für den mittleren Risikobereich werden aktuell thermostatierte Scanning-Grating-Geräte entwickelt, nicht-thermostatisierte Geräte können oberhalb eines niedrigen Risikoscores nur für Messungen von Surrogatparametern aber nicht pauschal für halbquantitative Analysen empfohlen werden.

Literatur

[1] Concepcion-Cruz S, Ghaly ES. Development of NIR method for determination of rheological behaviour and drug content of semisolid containing different ratios of lipid to aqueous phase. Int J Pharm Pharm Sci 2013;5(3):961–965.

[2] European Medicines Agency. Draft, Guideline on the use of Near Infrared Spectroscopy (NIRS) by the pharmaceutical industry and the data requirements for new submissions and variations. EMEA/CHMP/CVMP/QWP/17760/2009 Rev2.

[3] Thermo Application Note: 50774 Quantification of the Active Ingredient in a Pharmaceutical Topical Gel Formulation. – Kemper M, et al. Use of FT-NIR Transmission Spectroscopy for the Quantitative Analysis of an Active Ingredient in a Translucent Pharmaceutical Topical Gel Formulation. AAPS PharmSci 2001;3(3):article 23.

[4] Link A, Wätzig H. Nahinfrarot-Spektroskopie. Ein Update für Wissenschaft und Praxis. PZ Prisma 2013:20(4):229–237.

Autor

Prof. Dr. Andreas Link, Lehrstuhl Pharmazeutische/Medizinische Chemie, Institut für Pharmazie, Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald, Jahnstraße 17, 17489 Greifswald


E-Mail: link@pharmazie.uni-greifswald.de

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.