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Nun müssen die Chefs ran

AG Gesundheit erzielt Einigkeit nur bei Mehrausgaben – Finanzierung bleibt ungelöst

BERLIN (ks) | Die Arbeitsgruppe Gesundheit unter Leitung von Jens Spahn (CDU) und Karl Lauterbach (SPD) hat sich am 18. November zum letzten Mal getroffen, um den gesundheitspolitischen Fahrplan für eine Große Koalition aufzustellen. Den schwierigsten Part hatten sich die Unterhändler für den Schluss aufgespart: Wie soll die Gesetzliche Krankenversicherung künftig finanziert werden? Weitaus leichter fiel es den Gesundheitspolitikern beider Seiten, sich über zusätzliche Ausgaben für eine bessere Versorgung zu einigen.
Foto: DAZ/Sket
Ein letztes Händeschütteln Jens Spahn (re.) und Karl Lauterbach haben ihre Jobs als Verhandlungsführer der AG Gesundheit erledigt – allerdings gibt es noch einige offene Fragen. Um die dürfen sich nun die Parteichefs kümmern.

Schon nach dem vorletzten Treffen am vergangenen Sonntag war klar, dass Union und SPD bei den Finanzierungsfragen am allerweitesten voneinander entfernt sind. Auch nach mehreren Stunden der Verhandlung blieb ungelöst, wie Pflege- und Krankenversicherung künftig bezahlt werden sollen. Die SPD verfolgt bekanntlich die Bürgerversicherung und will die Zusatzbeiträge abschaffen. Arbeitgeber sollen sich hälftig an der Finanzierung beteiligen, künftige Kostensteigerungen nicht allein den Versicherten zugemutet werden. Die Union lehnt die Bürgerversicherung hingegen entschieden ab und will an den lohnunabhängigen Zusatzbeträgen als Wettbewerbsinstrument festhalten.

In der Pflege sind die Fronten ähnlich hart. Die Union will eine Demografie-Rücklage bilden – für die Zeit ab 2030, wenn besonders viele Pflegebedürftige erwartet werden. Doch die SPD lehnt diese Kapitaldeckung rundweg ab.

Einigkeit über bessere Versorgung

Viel harmonischer ging es zu, als über eine bessere Versorgung verhandelt wurde. Das zeigt die zehnseitige Endfassung zu den Verhandlungsergebnissen – ergänzt um drei Anlagen, die die strittigen Punkte ansprechen. In der ambulanten Versorgung sollen beispielsweise Wartezeiten verkürzt, unnötige bürokratische Anforderungen abgebaut und die Rolle des Hausarztes gestärkt werden. Kommunen sollen künftig Medizinische Versorgungszentren gründen dürfen, Leistungslücken beim Übergang vom stationären in den ambulanten Versorgungsbereich überwunden werden. Im Krankenhausbereich wird eine Qualitätsoffensive ausgerufen. Unter anderem versprechen Union und SPD, dass nur noch Operationen durchgeführt werden, die tatsächlich medizinisch notwendig sind. Auch in der ambulanten Notfallversorgung sind Anpassungen geplant. Angestrebt ist eine regelhafte Kooperation der Kassenärztlichen Vereinigungen und der Krankenhäuser zur Sicherstellung dieser Versorgung – und zwar soll dabei auch der Notdienst der Apotheken einbezogen werden. In der Pflege kam man unter anderen überein, dass es Personalmindeststandards geben soll und die Pflegeberufe aufgewertet werden sollen. Auch die Prävention ist für Union und SPD kein Streitpunkt: Noch 2014 soll ein Präventionsgesetz verabschiedet werden. Es soll insbesondere die Prävention und Gesundheitsförderung in Lebenswelten – etwa Kita, Schule, Betrieb – stärken und alle Sozialversicherungsträger einbeziehen.

Bestandsmarktaufruf wird gänzlich aufgegeben

Am allerschnellsten hatten die mutmaßlich künftigen Großkoalitionäre bekanntlich im Pharmabereich zueinander gefunden. Über die Fortsetzung der Zwangsmaßnahmen gegenüber den pharmazeutischen Herstellern gab es kein Ringen. Dennoch: Die Endfassung enthält im Unterpunkt Arzneimittel und Apotheken lediglich eine Änderung gegenüber den bereits bekannten Zwischenergebnissen. Es ist eine für die pharmazeutischen Unternehmer sicherlich erleichternde Wendung: Der gesamte Bestandsmarktaufruf soll nun gestrichen werden. Zuvor war noch geplant, hier zwei unterschiedliche Arten zu differenzieren. Nun ist die Botschaft deutlich: Kein patentgeschütztes Arzneimittel, das vor dem 1. Januar 2011 in Deutschland auf den Markt kam, soll noch zur Nutzenbewertung nach § 35a SGB V aufgerufen werden. Auch die beim Gemeinsamen Bundesausschuss laufenden Verfahren sind somit einzustellen.

Nächste Station: Große Koalitionsrunde

Damit sind die gesundheitspolitischen Schnittmengen erschöpft. Spahn, Lauterbach & Co. reichen die schwierige Entscheidung der Finanzierung an eine höhere politische Ebene weiter. Diesen Donnerstag ist das Thema Gesundheit für die große Koalitionsrunde eingeplant. Das letzte Wort haben dann die Parteichefs von CDU, CSU und SPD. Am Ende der Koalitionsverhandlungen kommen alle noch ungelösten Fragen auf den Tisch – dann kann der „Bazar“ beginnen. Bei einigen Themen wird die SPD nachgeben müssen – bei anderen die Union. 

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