Endometriose

Beschwerden lindern

Welche Mikronährstoffe bei Endometriose eine Option sein können

Ein DAZ-Interview mit Klaus Kisters und Uwe Gröber | Eine Endometriose lässt sich nicht kausal behandeln. Unterschiedliche Therapieansätze haben zum Ziel, die Schmerzen zu lindern und das Wachstum von Endometrioseherden einzudämmen. Verschiedene Mikronährstoffe sollen die Therapie ergänzen. Was können sie leisten? Darüber sprachen wir mit Uwe Gröber und Prof. Dr. med. Klaus Kisters.

 

DAZ: Herr Professor Kisters, Herr Gröber, welche Mikronährstoffe kommen überhaupt für Endometriosepatientinnen infrage?

Gröber: Infrage kommen vor allem Omega-3-Fettsäuren, Vitamin D sowie Magnesium und B-Vitamine.

 

DAZ: Zunächst zu den Omega-3-Fettsäuren. Wie sollen Eicosapentaensäure (EPA) und Docosahexaensäure (DHA) Endometriosepatientinnen helfen?

Kisters: Die langkettigen essenziellen Omega-3-Fettsäuren Eicosapentaensäure und Docosahexaensäure sind vor allem wegen ihrer antientzündlichen Eigenschaften hilfreich. Vor Kurzem konnte die Bildung von weiteren Signalmolekülen, sogenannten Lipidmediatoren aus EPA und DHA zum ersten Mal nachgewiesen werden. Diese sind lokal in die aktive Rückbildung von Entzündungen einbezogen. Sie werden daher als Resolvine (engl. to resolve – auflösen) bezeichnet. Ein wichtiger Schritt bei entzündlichen Prozessen ist die Anheftung von Leukozyten an das Endothel der Blutgefäße. Von hier aus gelangen die Immunzellen in das Gewebe und lösen dort Entzündungsreaktionen aus. Resolvine können Zellen des Endothels veranlassen, den Signalstoff Stickstoffmonoxid (NO) zu produzieren. Dieser verhindert die Anheftung der Leukozyten und unterbindet damit deren Einwanderung in das entzündete Gewebe.

DAZ: Welche Rolle spielt vor diesem Hintergrund die Ernährung?

Gröber: Da unser Körper die beiden essenziellen langkettigen Fettsäuren aus pflanzlichen Fetten (z.B. alpha-Linolensäure im Leinöl oder Rapsöl) nur äußerst begrenzt herstellen kann, müssen wir diese Fettsäuren regelmäßig mit der Nahrung zuführen. EPA und DHA kommen in nennenswerten Mengen nur in fettreichen Meeresfischen wie Lachs, Thunfisch, Hering, Makrele und Sardine, in bestimmten Mikroalgen (z.B. Ulkenia) sowie in Krillöl vor. Im Hinblick auf die entzündungshemmenden und immunregulierenden Eigenschaften sollte bei Endometriose auf eine Arachidonsäure-arme und damit fleischarme Ernährung (≤ 80 mg Arachidonsäure pro Tag) und ausreichende Zufuhr von mindestens 1000 mg EPA/DHA pro Tag geachtet werden. Um die Oxidations-empfindlichen Fettsäuren vor der Oxidation und Inaktivierung zu schützen sowie den erhöhten oxidativen Zellstress, den die Endometriose verursacht zu verringern, ist die begleitende Einnahme von Antioxidanzien (z.B. 200 I.E. Vitamin E/Tag, 100 µg Selen/Tag und 500 mg Vitamin C/Tag) sinnvoll.

 

DAZ: Wie ist die Studienlage?

Gröber: In verschiedenen Studien konnte beobachtet werden, dass eine Trans- und Omega-6-Fettsäuren-reiche Ernährung (z.B. Arachidonsäure aus dem Fleisch) die Entstehung der Endometriose begünstigt, wohingegen eine hohe Aufnahme von Omega-3-Fettsäuren (z.B. EPA) über die Ernährung das Risiko für die Endometriose verringert. Trans-Fettsäuren (z.B. in Pommes frites) und Omega-6-Fettsäuren (z.B. Arachidonsäure) wirken entzündungsfördernd und beeinträchtigen die Verstoffwechselung der Omega-3-Fettsäuren.

DAZ: Können Sie auf die Studien näher eingehen? Wurden Patientinnen mit Endometriose in randomisierten klinischen Studien untersucht und wenn ja, unter welchen Bedingungen und mit welchem Ergebnis?

Kisters: Endometrioseherde lösen immer eine Entzündung in ihrer Umgebung aus, die zu Schmerzen, Vernarbungen oder zur Fibrose des umliegenden Gewebes führen. Im Tiermodell der Endometriose konnte man zeigen, dass die Supplementierung von EPA signifikant die Expression von entzündungsfördernden Zytokinen sowie die Entzündungsprozesse in den Endometrioseherden reduziert. Klinische Interventionsstudien liegen leider bisher noch nicht vor, aber aufgrund des Leidensdruckes der Betroffenen ist eine antientzündliche Ernährung in Verbindung mit der Supplementierung von Omega-3-Fettsäuren empfehlenswert.

 

DAZ: Eine weitere Option soll Vitamin D sein. Wie sieht die Situation aus? Wie kann ein Mangel die Bildung ektoper Gebärmutterschleimhautherde begünstigen?

Gröber: In Studien wiesen Patientinnen mit höhergradiger Endometriose erniedrigte Vitamin-D-Spiegel auf. Vitamin-D-Rezeptoren finden sich auch in den reproduktiven Geweben der Frau. Zudem beeinflusst Vitamin-D-Hormon, also Calcitriol, die Synthese der Sexualhormone Progesteron und Estradiol und besitzt zum anderen Schleimhaut-regulierende Eigenschaften. Bei Endometriose findet man häufig einen Progsteron-Mangel und eine Estrogen-Dominanz. Möglicherweise besitzt Vitamin D bei Endometriose einen günstigen Einfluss auf die Estrogen-Dominanz. Die positiven Erfahrungen von Frauen, die bei Endometriose Vaginalzäpfchen mit Progesteron und Vitamin D eingesetzt haben, deuten jedenfalls darauf hin. Zudem wirkt Calcitriol durch seinen Einfluss auf die Th-1-Zellen und Th-2-Zellen Entzündungsprozessen entgegen. Auch die Belastung mit entzündungsfördernden Zytokinen wie TNFα wird durch Vitamin D-Hormon verringert.

DAZ: Gibt es Studien zu Vitamin D bei Endometriose, die über Erfahrungsberichte hinausgehen? Wie ist der Stand?

Kisters: Der 25-OH-Vitamin-D-Status korreliert in Studien invers mit dem Risiko und der Schwere an Endometriose zu erkranken. Fast jede Endometriosepatientin leidet zeitweise oder regelmäßig unter Regelschmerzen (Dysmenorrhoe). Hier kann Vitamin D Linderung verschaffen. Das zeigt eine aktuelle klinische Studie von Lasco et al., in der der Einfluss von Vitamin D auf die Dysmenorrhoe erfasst wurde. Dabei erhielten 40 betroffene Frauen mit Regelschmerzen fünf Tage vor dem voraussichtlichen Regelbeginn entweder – einmalig – 300.000 I.E. Vitamin D oder ein Scheinmedikament (Placebo). Nach zwei Monaten kam es in der Vitamin-D-Gruppe zu einer Schmerzreduktion von 41%. Am meisten profitierten die Frauen, die zu Studienbeginn über massive Schmerzen klagten. Dagegen konnte in der Placebo-Gruppe keine Schmerzlinderung beobachtet werden. Bemerkenswert war zudem, dass keine Frau aus der Vitamin-D-Gruppe während zwei Monaten ein Schmerzmittel gegen ihre Regelschmerzen einnahm, während in der Placebo-Gruppe 40% der Frauen von Schmerzmitteln Gebrauch machten. Die einmalige Gabe von 300.000 I.E. Vitamin D alle zwei Monate hat sich in dieser Studie als effektiv in der Behandlung von Regelschmerzen erwiesen. Diese Dosis entspricht einer täglichen Einnahme von 5000 I.E. Vitamin D. Frauen, die häufiger unter gynäkologischen Beschwerden wie Dysmenorrhoe leiden, sollten in jedem Fall ihren 25-OH-Vitamin- D-Status (Referenzwert: 30–60 ng/ml bzw. 75–150 nmol/l) beim Arzt überprüfen lassen und bei einem Mangel durch gezielte Supplementierung (z.B. 4000 I.E. Vitamin D/Tag, p.o.) ausgleichen.

DAZ: Und wie können Magnesium und B-Vitamine bei Endometriose helfen?

Gröber: Magnesium hat als Cofaktor der ATP-Synthase in der mitochondrialen Atmungskette eine Schrittmacherfunktion bei allen energieabhängigen Stoffwechselprozessen, insbesondere auf die Regulation der Herzmuskelleistung, NO-Verfügbarkeit, Blutrheologie und des Blutdrucks. Magnesium wirkt dämpfend auf die Erregbarkeit der Muskulatur und damit auf die uterine Hyperaktivität. Die Verfügbarkeit an Prostacyclin wird durch Magnesium gesteigert. Magnesium und B-Vitamine wie Vitamin B6 haben zudem eine regulierende Wirkung auf den Haushalt der Stresshormone und der Neurotransmitter (z.B. Serotonin, Dopamin). Auch der Säure-Basen-Haushalt, der häufig bei Endometriose gestört ist, wird durch Magnesium verbessert.

 

DAZ: Auch hier die Frage: Wie ist die Studienlage: Gibt es randomisierte klinische Studien mit Magnesium und B-Vitaminen, die die Wirksamkeit bei Endometriose belegen?

Kisters: Auch hier liegen wie bei den Omega-3-Fettsäuren bisher nur Erfahrungsberichte und Daten aus prospektiven Kohortenstudien, aber keine Daten aus randomisierten Interventionsstudien vor.

 

DAZ: Welche Dosierungsempfehlungen geben Sie?

Gröber: Bei Endometriose sollte Magnesium in gut verfügbarer organischer Form (z.B. Magnesiumcitrat), ausreichend hoch (z.B. 400 mg Magnesium/Tag, p.o. über den Tag verteilt) und regelmäßig supplementiert werden. B-Vitamine sollten am besten als Vitamin-B-Komplex mit allen acht B-Vitaminen sowie Vitamin B1 und Vitamin B6 in ausreichend hoher Dosierung (z.B. 20 mg Vitamin B1 und 50 mg Vitamin B6) ergänzt werden.

 

DAZ: Herr Professor Kisters, Herr Gröber, wir danken für das Gespräch! 

 

Literatur

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Unsere Gesprächspartner

Professor Kisters ist Chefarzt an der Medizinischen Klinik I/St. Anna-Hospital, Herne und Professor an der Westfälischen Wilhelms-Universität, Münster. Er ist weiterhin Gründungsmitglied der Akademie für Mikronährstoffmedizin, Präsident der Gesellschaft für Magnesium-Forschung und Herausgeber der Fachzeitschrift „Trace elements and electrolytes“. Seine Tätigkeitsschwerpunkte sind u.a. Innere Medizin, Nephrologie, klinische Geriatrie und Hypertonie.

Professor Dr. med. Klaus Kisters, Medizinische Klinik I/St. Anna Hospital Herne, Hospitalstr. 19, 44649 Herne und Akademie für Mikronährstoffmedizin, Zweigertstr. 55, 45130 Essen.



Uwe Gröber ist Leiter der Akademie für Mikronährstoffmedizin, Autor zahlreicher Publikationen, Fachbücher und Buchbeiträge sowie Herausgeber der Zeitschrift für Orthomolekulare Medizin. Er ist aktives Mitglied der Arbeitsgemeinschaften „Supportive Maßnahmen in der Onkologie (ASORS)“ und „Prävention und integrative Medizin in der Onkologie (PRiO)“ der deutschen Krebsgesellschaft. Spezialgebiete: Mikronährstoffmedizin, Vitamin D, Wechselwirkungen zwischen Arzneimitteln und Mikronährstoffen, komplementäre Verfahren in der Diabetologie und Onkologie, Ernährungs- und Präventivmedizin. Neben seiner medizinisch-wissenschaftlichen Beratungstätigkeit ist er seit Jahren aktiv in der Aus- und Fortbildung von Ärzten, Apothekern und Ernährungswissenschaftlern tätig.

Apotheker Uwe Gröber, Akademie für Mikronährstoffmedizin, Zweigertstr. 55, 45130 Essen

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