Arzneimittel und Therapie

Nur Panikmache oder wirklich ein Grund zur Sorge?

SARS 2002/2003, Vogelgrippe 2006, Schweinegrippe 2009, Coronavirus und Vogelgrippe 2013 – mehr oder weniger regelmäßig werden die Zeitungen geflutet von neuen viralen Erregern. Besteht Grund zur Sorge? Ein Meinungsbeitrag von Ilse Zündorf und Theo Dingermann.

Die Anzahl der Todesopfer hält sich meist Gott sei Dank in Grenzen. Wenn man an die Maßnahmen denkt, die im Rahmen der Schweinegrippe durchgeführt wurden, drängt sich der Gedanke an unnütze Panikmache und Geschäftemacherei auf. Und doch: Es ist gut, dass diese Infektionskrankheiten sorgfältig überwacht werden und sich die Bevölkerung für den Ernstfall rüstet.

Der aktuelle Ausbruch

Anfang Februar hatte die Vogelgrippe wieder Deutschland erreicht: In einem Entenmastbetrieb in Brandenburg trat das schon hinlänglich bekannte H5N1Influenza-Virus auf. Es hat sich kein Mensch infiziert, die Tiere – insgesamt 14.500 Enten – wurden vorsorglich getötet und eine Sperrzone rund um den betroffenen Betrieb eingerichtet.

Ein ganz anderes Vogelgrippe-Virus, nämlich H7N9, ist jetzt Ende März im Osten Chinas gefunden worden. Mittlerweile (Stand 15.4.2013) haben sich insgesamt 60 Menschen in China mit dem Virus infiziert. 13 davon sind gestorben, die meisten Patienten leiden unter schweren Grippe-Symptomen und einige sind eher leicht erkrankt. Mehr als 1000 Personen, die engen Kontakt zu den Infizierten hatten, werden genau beobachtet. Bisher scheint noch kein Fall einer Ansteckung von Mensch zu Mensch aufgetreten zu sein.

Im Gegensatz zur SARS-Pandemie im November 2002 geht inzwischen die Chinesische Regierung sehr offensiv mit den Meldungen um, steht mit der WHO in engem Kontakt und untersucht die Ursachen der Infektionen. Geflügelmärkte, auf denen sich das Virus munter ausbreiten könnte, wurden geschlossen und fast 100.000 Tiere getötet. Innerhalb kürzester Zeit haben chinesische Wissenschaftler das Virusgenom sequenziert und den Ursprung identifiziert [1].

Ein neuer Serotyp

Nach den bisherigen Erkenntnissen der Wissenschaftler handelt es sich bei H7N9 um eine Reassortante, die aus einer Mischung von drei verschiedenen Viren entstanden ist (Abb. 1). In den Sequenzen der Virus-Isolate aus drei unterschiedlichen Patienten konnten bereits einige kritische Aminosäuren identifiziert werden, deren Bedeutung für die Übertragbarkeit und Infektiosität für Säugetiere seit den Veröffentlichungen zu den hoch-virulenten Vogelgrippe-Stämmen im Jahr 2012 bekannt sind. Beispielsweise hatten zwei der untersuchten Viren an Position 226 des Hämagglutinins ein Leucin anstelle von Glutamin, was die Bindung des Proteins an Zuckerketten menschlicher Wirtszellen deutlich verbessert. Diese und andere entdeckte Veränderungen könnten die Ursache dafür sein, dass das ursprüngliche Vogel-spezifische Virus inzwischen auch Menschen infizieren kann.

Abb. 1: Vermutliche Entstehung des neuen H7N9-Virus. Drei unterschiedliche Ausgangsviren lieferten einzelne Gensegmente. Bisher ist noch nicht geklärt, wer der Zwischenwirt der Reassortante war, an dem sich die erkrankten Menschen angesteckt haben.

Das Unschöne an diesem neuen H7N9-Virus ist, dass es zwar Geflügel infiziert, aber nicht auffällig krank macht. Dadurch kann es sich relativ unbemerkt unter den Vögeln ausbreiten. Offensichtlich kommt es nur hin und wieder auch zu einer Virus-Übertragung vom Tier auf den Menschen, der dann Husten und Fieber entwickelt und gegebenenfalls auch unter einer schweren Lungenentzündung leidet. Dieser Übertragungsweg ist vor allem in China und anderen asiatischen Ländern leicht möglich, wo Mensch und Tier auf engstem Raum zusammenleben und die Hygiene auf den Geflügelmärkten nicht sehr sorgfältig eingehalten wird.

Und jetzt?

China, Taiwan und die USA starten bereits mit der Entwicklung eines Impfstoffes gegen H7N9. Trotzdem wird es einige Monate dauern, bis ausreichend Antigen für eine umfassende Immunisierung der Bevölkerung zur Verfügung steht. Unklar ist auch, inwieweit H7 überhaupt ausreichend immunogen ist, um einen guten Schutz zu induzieren. Die bisher verfügbaren H7-Impfvirus-Kandidaten zeigten bei den ersten Testungen keine hohe Effizienz.

Momentan besteht noch kein Grund zur Beunruhigung. Aber es ist gut, dass die WHO die Ausbreitung der Vogelgrippe sorgfältig beobachtet und bereits erste Maßnahmen ergriffen werden, um zeitnah einen Impfstoff zur Verfügung stellen zu können. Wichtig ist jetzt auch, möglichst schnell ein geeignetes und preiswertes Testsystem zu etablieren, um eine H7N9-Infektion bei Menschen und Vögeln nachzuweisen.


Literatur

[1] Gao R, Cao B, Hu Y, et al., Human Infection with a Novel Avian-Origin Influenza A (H7N9) Virus. N Engl J Med (2013), DOI: 10.1056/NEJMoa1304459


Dr. Ilse Zündorf, Prof. Dr. Theo Dingermann, Institut für Pharmazeutische Biologie, Frankfurt/Main

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