Arzneimittel und Therapie

Vogelgrippe: Immer noch eine Tierseuche

In einer gemeinsamen Erklärung weisen das Robert Koch-Institut, das Paul Ehrlich-Institut und das Friedrich-Loeffler-Institut darauf hin, dass die aviären Influenzaviren (Erreger der Vogelgrippe) sowohl für die Veterinär- als auch für die Humanmedizin von großer Bedeutung sind. Eine enge Zusammenarbeit der verantwortlichen Bundesinstitute ist daher notwendig.

Das für humane Infektionskrankheiten zuständige Robert Koch-Institut, das für Impfstoffe verantwortliche Paul Ehrlich-Institut und das für den Veterinärbereich zuständige Friedrich-Loeffler-Institut befinden sich daher in der Einschätzung der Lage und hinsichtlich der zu treffenden Maßnahmen zum Thema Geflügelpest kontinuierlich in engstem Kontakt. Ein unmittelbarer Informationsfluss zwischen Veterinär- und Gesundheitsbehörden, der für eine erfolgreiche Infektionsabwehr von grundlegender Bedeutung ist, sollte sichergestellt sein.

Enge Zusammenarbeit von Veterinär- und Gesundheitsbehörden

Die durch hoch pathogene aviäre Influenzaviren der Subtypen H5 und H7 hervorgerufene Geflügelpest ist eine in der Tiermedizin seit Ende des 19. Jahrhunderts bekannte Infektionskrankheit, die bevorzugt Hühnervögel und Puten, aber auch Wassergeflügel wie Enten und Gänse befällt und zu großen wirtschaftlichen Verlusten in der Nutzgeflügelhaltung führen kann. Während bis Mitte der 1990er Jahre Geflügelpestausbrüche selten zu verzeichnen waren und diese geographisch begrenzt blieben, waren seit 1997 vermehrt Infektionen mit hoch pathogenen aviären Influenzaviren der Subtypen H7N1, H7N3, H7N7, H5N1 und H5N2 zu verzeichnen. Die gegenwärtige Situation der Infektion mit dem hoch pathogenen aviären Influenzavirusstamm H5N1 Asia zeichnet sich durch die enorme Zahl an infizierten Nutz- und Wildvögeln, die weite geographische Verbreitung sowie eine beträchtliche Zahl an Infektionen mit tödlichem Ausgang beim Menschen aus. Daher ist die Vogelgrippe sowohl unter dem Aspekt der anzeige- und bekämpfungspflichtigen Tierseuche als auch dem eines möglichen Ausgangspunkts für eine neue humane Pandemie zu betrachten.

Erstausbruch muss rechtzeitig erkannt werden

Auf Grund der ständigen Bedrohung der Tierbestände durch aus dem Reservoir der Wildvögel (hauptsächlich Wildenten) in Nutzgeflügelbestände eindringende gering pathogene aviäre Influenzaviren, die spontan zu hoch pathogenen Formen mutieren können, die leichte Übertragbarkeit durch den Tierhandel und die großen wirtschaftlichen Verluste infolge der hohen Sterblichkeitsrate, ist die Bekämpfung der Tierseuche Geflügelpest national und international seit längerer Zeit gesetzlich geregelt.

In Deutschland sind die Maßnahmen in der Geflügelpest-Verordnung verbindlich vorgeschrieben. In der aktuell gültigen Fassung der Geflügelpest-Schutzverordnung werden darüber hinausgehende Maßnahmen, die der aktuellen Bedrohungslage durch H5N1 Asia gerecht werden, festgelegt. Essenzielle Voraussetzung für eine erfolgreiche Bekämpfung der Geflügelpest ist ein frühzeitiges Erkennen des Erstausbruchs und darauf folgende Bekämpfungsmaßnahmen wie die Isolierung des Seuchenherdes und die Tötung und unschädliche Beseitigung aller infizierten und ansteckungsverdächtigen Tiere. Die weite geographische Verbreitung des Typs H5N1 Asia ist auf eine zunächst nicht erkannte oder nicht gemeldete großflächige Verbreitung in Südostasien zurückzuführen, wobei das Virus dann wahrscheinlich durch infizierte Wild- und Zugvögel weiterverbreitet wurde.

Vogelgrippe ist eine Tierseuche!

Seit 1997 ist bekannt, dass H5N1 Asia humanpathogenes Potenzial besitzt. Nach heutigem Kenntnisstand ist ein enger Kontakt des Menschen zu infiziertem Geflügel für eine Ansteckung notwendig. Allerdings erfolgen Infektionsereignisse insgesamt gesehen trotz einer erheblichen anzunehmenden Dunkelziffer nur selten. Insofern ist die Vogelgrippe derzeit immer noch als Tierseuche (Geflügelpest) zu klassifizieren. Es besteht allerdings die Befürchtung, dass sich H5N1 Asia so an den Menschen adaptieren kann, dass es durch eine effiziente Ausbreitung direkt von Mensch zu Mensch das Potenzial für eine weltumspannende Pandemie mit unbekannten Folgen erlangen könnte. Die für einen solchen Wirtswechsel notwendigen molekularen Voraussetzungen (Mutationen im Virusgenom) sind weitgehend unbekannt. Allerdings wurden experimentell einige Genombereiche identifiziert, die hierbei eine Rolle spielen. Dazu gehören u. a. die Rezeptorbindungsstelle im Oberflächenprotein Hämagglutinin sowie eine spezifische Aminosäure in einem Protein des Replikasekomplexes. Beide Mutationen wurden schon früher in Patientenisolaten von H5N1 Asia gefunden, wobei sich aber bisher keine dieser Mutationen im Geflügel oder im Menschen selektiv ausbreiten konnte. Inwieweit H5N1 Asia überhaupt die Fähigkeit zur pandemischen Verbreitung erlangen kann, ist nicht bekannt, aber nicht auszuschließen. ck

Zur aktuellen Situation bei der aviären Influenza (H5N1) In der Türkei wurden aktuell in zwölf der 81 Provinzen des Landes Ausbrüche von H5N1 bei Geflügel bestätigt. In weiteren 19 Provinzen werden Ausbrüche noch untersucht. Mit Stand vom 18. Januar 2006 wurden 21 Erkrankungen labordiagnostisch bestätigt, darunter vier Tote. Insgesamt 19 der 21 Betroffenen waren Kinder und Jugendliche im Alter zwischen vier und 18 Jahren. Bei allen bisher bestätigten Erkrankungsfällen bestand anamnestisch ein direkter Kontakt zu erkranktem Geflügel.

Für Türkei-Reisende ist das Risiko einer Erkrankung unverändert äußerst gering, solange Kontakt zu erkranktem oder totem Geflügel sowie zu Wildvögeln vermieden wird. Bei der Rückkehr ist das Verbot der Einfuhr von Geflügel, Geflügelteilen, Geflügelprodukten, Federn oder Trophäen zu beachten.

Weltweit beträgt die kumulative Anzahl der seit dem Jahr 2003 labordiagnostisch bestätigten Erkrankungen beim Menschen mit Stand vom 14. Januar 2006 insgesamt 148, darunter 79 Tote (in diesen Zahlen der WHO sind allerdings für die Türkei nur vier Erkrankungsfälle, darunter zwei Tote, aufgeführt).

Quelle: Influenza-Wochenbericht für die 2. Woche 2006 aus dem Robert Koch-Institut (RKI) in Zusammenarbeit mit der Arbeitsgemeinschaft Influenza (AGI), dem Deutschen Grünen Kreuz (DGK) und dem Nationalen Referenzzentrum (NRZ) für Influenza am RKI www.who.int.

Epidemiologisches Bulletin Nr. 3 des Robert Koch-Instituts vom 20. Januar 2006.

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