H5N1

Hintergründe zum aktuellen Vogelgrippe-Geschehen

Stuttgart - 14.02.2023, 12:15 Uhr

Besser angepasst an Wildvögel und widerstandsfähiger gegen Hitze und UV-Strahlung: H5N1 der Klade 2.3.4.4.b. (Foto: Bihlmayerfotografie / IMAGO)

Besser angepasst an Wildvögel und widerstandsfähiger gegen Hitze und UV-Strahlung: H5N1 der Klade 2.3.4.4.b. (Foto: Bihlmayerfotografie / IMAGO)


Die Nachrichten sind voll von Bildern, die an Vogelgrippe verendete Wild- und Zuchtvögel zeigen, aber auch Säugetiere wie Nerze oder Seelöwen sind betroffen. Was das aktuelle Vogelgrippe-Geschehen von früheren Wellen unterscheidet, erklärten Fachexperten auf einer Pressekonferenz des deutschen „Science Media Centers“ am vergangenen Freitag.

Die Vogelgrippe, auch Aviäre Influenza genannt, wird durch Influenza-A-Viren vornehmlich der Hämagglutinin-Serotypen H5 und H7 ausgelöst. Hierbei handelt es sich um behüllte Einzelstrang-RNA Viren der Familie der Orthomyxoviridae. Als Reservoir dienen wildlebende Wasservögel, in denen niedrigpathogene Virusvarianten zu finden sind. Durch Mutationen können hochpathogene Varianten entstehen, die dann Ausbrüche verursachen können – was seit dem 19. Jahrhundert immer wieder geschieht.

Vogelgrippe erreicht Südamerika

Das aktuelle Infektionsgeschehen ist jedoch von außergewöhnlichem geografischem Umfang: Die grassierenden hochpathogen Viren des Subtyps H5N1 der Klade 2.3.4.4.b haben sich nahezu weltweit ausgebreitet. Derzeit sind lediglich Australien und die Antarktis virusfrei. Insbesondere die erstmalige Ausbreitung in Südamerika gibt Prof. Martin Beer vom Friedrich-Löffler-Institut Anlass zur Sorge. „Wir sprechen hier von einem ganzen Kontinent mit vielen verschiedenen Vogelarten, die noch nie Kontakt mit dieser Art von Virus hatten. Wir wissen nicht einmal, welche anderen Influenzaviren es dort gibt und wie die gesamte Population, das Biosystem in Südamerika reagieren wird“, sagte er in der Online-Pressekonferenz des deutschen „Science Media Centers“. Ein baldiges Ende des Vogelsterbens ist also nicht abzusehen, insbesondere, da mit dem anstehenden Jahreszeitenwechsel auch wieder Vogelschwarm-Bewegungen zu erwarten sind, bei denen weitere Infektionsereignisse wahrscheinlich sind.

Resistenter gegen UV-Strahlung und Hitze

Dass die Virusvarianten sich so weit ausbreiten konnte liegt laut Dr. Ursula Höfle von der Universität Castilla-La Mancha (Spanien) vor allem an zwei Faktoren: Zum einen scheinen sie besser an Wildvögel angepasst, zum anderen nun auch stabiler gegen UV-Strahlung und höhere Temperaturen zu sein. Dies führt dazu, dass sie nicht nur in Geflügelfarmen, in denen Tiere dicht auf dicht leben, sondern auch in Wildvogelpopulationen massiven Schaden anrichten und dass das Erkrankungsgeschehen sich nicht mehr wie bislang vornehmlich auf die Wintermonate beschränkt.

Nerze und Seelöwen betroffen

Aber nicht nur Vögel sind betroffen, auch Säugetiere erwischt das Virus immer wieder. So kam es auf einer Nerzfarm in Spanien zu einem Ausbruch und in Peru verendeten mehrere hundert Seelöwen. Ob es hier zu Übertragungen zwischen den Säugetieren kam oder ob sich die Tiere jeweils einzeln bei Vögeln angesteckt hatten, ist laut Prof. Ian Brown von der Agentur für Tier- und Pflanzengesundheit (Großbritannien) noch nicht geklärt. Im Fall der Nerzfarm halten Forscher:innen die Ausbreitung zwischen den Säugetieren jedoch für wahrscheinlich. Hier konnte eine Mutation in einem, für einen Teil der viralen Polymerase kodierenden, Gen (PB2) festgestellt werden, welches die Aktivität der Polymerase in der Wirtszelle und damit die Virulenz heraufsetzt. Diese Mutation war auch in dem Schweinegrippevirus beobachtet worden, welches 2009 für Schlagzeilen sorgte. Im Fall der Nerzfarm konnte der Ausbruch durch das Keulen der verbliebenen Nerze eingedämmt werden, Mitarbeitende hatten sich nicht angesteckt.

Für den aktuellen Moment sehen Beer, Höfle und Brown das größte Risiko der H5N1-Varianten in der Bedrohung der Biodiversität: Millionen von Vögeln haben die Viren bereits das Leben gekostet. Menschen stecken sich aktuell nur äußerts selten und durch engen Kontakt mit kranken oder toten Vögeln an. Allerdings ist das Infektionsgeschehen dynamisch und das Virus verändere sich bisweilen schneller als man es charakterisieren könne. Ein weltweites Sequenzieren, der Informationsaustausch und das Monitoring der Situation sei wichtig, um die Entwicklungen im Auge zu behalten, sind sich Brown und Beer einig, um „früh genug informiert zu sein, falls sich etwas Entscheidendes ändert.“


Gesa Gnegel, Apothekerin und Redakteurin, Deutsche Apotheker Zeitung (gg)
redaktion@daz.online


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1 Kommentar

Hintergründe zur Evulution der Vogelgrippe

von Andreas am 14.02.2023 um 13:14 Uhr

Sehr guter Artikel,
zu Hintergründen der Evolution der Vogelgrippe empfehle ich dringend die Lektüre "How not to die in a Pandemic" von Michael Greger.
Dort wird sehr anschaulich dargestellt, wie sich aus einer harmlosen, Wasservögel befallenen Virus, die aktuellen hoch pathogenen Stämme entwickeln konnten. Der Einfluss moderner Nutztierhaltung (besatzdichte, hygiene, medikamenteneinsatz, Züchtung) wird bei der Lektüre besonders deutlich. Es wird darhestellt, warum virustatika wie amantadin heute keine Wirkung mehr zeigen.
Außerdem werden parallelen der Zeit kurz vor der spanischen Grippe und zur heutigen Entwicklung gezogen, und ausgeführt, was eine HPAI Übertragung von Mensch zu Mensch für die heutige Zivilisation bedeuten könnte.
Auch Lösungsvorschläge werden gemacht, wie man eine Pandemie zum Zeitpunkt des Erscheinen des Buches hätte verhindern können.

Anbei ein Auftritt des Autors aus dem Jahr 2008, in dem auf die drohende Gefahr hingewiesen wird:
https://youtu.be/7_ppXSABYLY

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