Fragen aus der Praxis

Restless-Legs-Therapie

Ist Levodopa alternativlos?

Eine Patientin mit Restless-Legs-Syndrom (RLS) hat Restex® verschrieben bekommen, das Präparat eine Zeit lang genommen und dann abgesetzt. Das Medikament habe geholfen, aber die Patientin fürchtet die Nebenwirkungen. Der Arzt hat ihr mitgeteilt, Restex®

sei alternativlos. Nun fragt Sie nach OTC-Arzneimitteln oder pflanzlichen / homöopathischen Produkten. Sie wird mit Johanniskraut und L-Thyroxin behandelt.

Leitsymptom des Restless-Legs-Syndrom (RLS) ist ein unangenehmer Bewegungsdrang der Beine, selten auch der Arme, der vor allem in Ruhe und Entspannung am Abend und in der Nacht auftritt. Patienten beschreiben das RLS mit Kribbeln, Ziehen, Reißen, Stechen, Druckgefühl oder mit schmerzhaften, nicht näher beschreibbaren Missempfindungen. Durch Bewegen oder Lagewechsel im Bett können die Beschwerden etwas reduziert werden. Ein- und Durchschlafstörungen sind für die Patienten und deren Angehörige belastende Folgen mit deutlichen Einschränkungen in der Lebensqualität. Eine Assoziation mit Depressionen und Ängstlichkeit ist beschrieben. Nach neueren Untersuchungen tritt RLS mit einer Prävalenz von 5 bis 10% auf, 50% der Patienten haben eine positive Familienanamnese. Der Beginn ist gekennzeichnet durch milde Beschwerden unterbrochen von symptomfreien Intervallen. Die langsame Progredienz führt meist erst zwischen dem 50. und 60. Lebensjahr zu einer Therapiebedürftigkeit [1,2].

Die Diagnose kann anhand folgender vier essenzieller Kriterien gestellt werden:

  • Bewegungsdrang der Beine meist assoziiert mit sensiblen Störungen unterschiedlicher Qualität oder Schmerzen,

  • der ausschließlich in Ruhe und Entspannung auftritt und

  • durch Bewegung gebessert wird oder sistiert.

  • Eine zirkadiane Rhythmik mit Überwiegen der Symptome am Abend und in der Nacht ist Teil der Erkrankung.

Der International RLS Severity Scale (IRLS) ist bei der Einteilung in unterschiedliche Schweregrade hilfreich (kein RLS bis sehr schweres RLS) und kann zur Kontrolle der medikamentösen Therapie herangezogen werden. Neben dem primären RLS kann auch ein sekundäres RLS auftreten. Zu den häufigsten sekundären Formen gehören das RLS bei Urämie, bei Eisenmangelanämie und bei niedrigen Ferritinwerten < 50 µg/l auch ohne Eisenmangelanämie, sowie das RLS in der Schwangerschaft. Ein RLS tritt auch bei diversen neurologischen Erkrankungen wie Polyneuropathien auf. Daneben gibt es pharmakogen induzierte Formen durch überwiegend Dopamin-antagonistisch wirkende Substanzen (Neuroleptika, tri- und tetrazyklische Antidepressiva, SSRI, MCP) [1,2].

Symptomatische Therapie

Bei der medikamentösen Therapie handelt es sich um eine rein symptomatische Therapie. Die Indikation zur Therapie ergibt sich aus dem subjektiven Leidensdruck, insbesondere dem Ausmaß des Bewegungsdrangs, der Schlafstörungen und der Tagesbefindlichkeit. Zur medikamentösen Therapie des RLS liegt neben der RLS-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Neurologie von 2008 und einer Leitlinie zum Thema "Nicht erholsamer Schlaf/Schlafstörungen" aus dem Jahr 2009 eine umfassende Empfehlung der Movement Disorder Society vor, die sich an Evidenzkriterien orientieren. L-Dopa/Benserazid (Restex®) gilt als Therapie der ersten Wahl bei leicht bis mittelgradig ausgeprägtem RLS. In den Zulassungsstudien erfolgte keine Beschränkung hinsichtlich des RLS-Schweregrades. RLS-Patienten mit Einschlafstörungen nehmen üblicherweise eine Tablette des nichtretardierten L-Dopa/Benserazid (100/25 mg) eine Stunde vor dem Schlafengehen bzw. eine Stunde vor Auftreten der abendlichen Beschwerden. Die Wirkung hält ca. vier bis fünf Stunden an. Wenn darunter weiterhin Durchschlafstörungen bestehen, kann zur Abenddosis zusätzlich retardiertes L-Dopa/Benserazid (100/25 mg) gegeben werden. Die Tagesgesamtdosis von 300 mg L-Dopa sollte dabei nicht überschritten werden {1,2,6].

Das Problem Augmentation

Das Auftreten einer sogenannten Augmentation der RLS-Beschwerden stellt einen limitierenden Faktor in der Behandlung dar. Augmentation bedeutet unter anderem eine Zunahme der RLS-Symptome tagsüber bei abendlicher Einnahme von Levodopa oder Dopaminagonisten und ist eine ernstzunehmende Nebenwirkung. Bei Auftreten einer Augmentation ist meistens die Umstellung auf einen Dopaminagonisten erforderlich. Als alternative Behandlungsmöglichkeit kommen die in Studien gut untersuchten Non-Ergot-Dopaminagonisten Pramipexol und Ropinirol oder bei zusätzlichen Beschwerden tagsüber Rotigotin in Pflasterform infrage. Sie sind für mittelschweres und schweres RLS zugelassen. Generell gilt, dass Dopaminergika bei RLS in deutlich niedrigeren Dosierungen als in der Parkinsontherapie verwendet werden und dass die oralen Dopaminagonisten überwiegend abends verabreicht werden.

Weniger Nebenwirkungen

Als Nebenwirkungen treten vor allem Übelkeit, Benommenheit, Blutdruckschwankungen und möglicherweise Tagesschläfrigkeit auf. Bekannte Nebenwirkungen der Medikamente bei Parkinsonpatienten wie Dyskinesien oder Psychosen treten beim Restless-Legs-Syndrom sozusagen nicht auf. Bei unzureichendem Ansprechen können Opioide probatorisch eingesetzt werden. Kontrollierte Erfahrungen liegen bisher nur mit Oxycodon vor. In der Praxis werden aber vor allem Tilidin und Tramadol angewendet. Alternativ können Carbamazepin oder Gabapentin (bis 1800 mg) verabreicht werden. Zu beiden Optionen fehlen allerdings placebokontrollierte Therapiestudien [1,2,5]

Empfehlungen

  • Mit der Patientin wäre zu besprechen, ob sie nur Angst vor Nebenwirkungen hat oder wirklich nicht akzeptable Nebenwirkungen unter der Therapie mit Restex® hatte.

  • Dann spielt der subjektive Leidensdruck im Rahmen der Erkrankung eine Rolle. Bei der Beurteilung kann die oben erwähnte IRLS Severity Scale für den behandelnden Arzt hilfreich sein.

  • Bevor der Patientin neue Therapiealternativen vorgeschlagen werden, sollten aber mögliche körperliche Faktoren nochmals abgeklärt werden und Mangelzustände gegebenenfalls ausgeglichen werden: – Besteht ein Eisenmangel oder ein niedrig normaler Ferritinspiegel < 50 µg/l? – Wurde die Schilddrüsenfunktion (TSH, ggf. Schilddrüsenhormone) überprüft und auf die optimale Dosierung von L-Thyroxin eingestellt? – Liegen Vitamin B12 – oder Folsäuremangelzustände vor? – Liegt eine Polyneuropathie vor?

  • Als nächstes kann die Ursache des RLS bei auslösenden oder das RLS verstärkenden Medikamenten gesucht werden. Dazu zählen unter anderem L-Thyroxin und Antidepressiva. Es ist zu klären, ob die Patientin die beiden Medikamente vor ihrer RLS-Symptomatik schon eingenommen hat. Vor allem bei Antidepressiva wird ein Absetzen aber nur dann empfohlen, wenn eine antidepressive Therapie nicht mehr nötig sein sollte oder ein eindeutiger zeitlicher Zusammenhang mit dem Auftreten oder der Verschlechterung der RLS-Symptomatik besteht. Eine begleitende, zum RLS auftretende leichte Depression bessert sich meist durch die Therapie maßgeblich. In diesem Fall wird man zunächst das RLS behandeln und die antidepressive Therapie erst dann einleiten, wenn sich die Depressionssymptomatik nicht bessert. Johanniskraut hemmt die synaptosomale Aufnahme von Dopamin, Serotonin und Noradrenalin. Dadurch ist eher mit einem Dopaminüberschuss zu rechnen. Allerdings führt die Therapie auch zu Veränderungen bei den anderen Neurotransmittern. In der Leitlinie nicht explizit erwähnt, aber prinzipiell denkbar wäre auch hier eine Beeinflussung der vorbestehenden RLS-Symptomatik durch die Johanniskrauttherapie [2].

  • Im letzten Schritt können alternative Therapieoptionen in Betracht gezogen werden. Prof. Dr. Jörn Peter Sieb ist Wissenschaftlicher Beirat in der Deutschen Restless Legs Vereinigung e. V. und hat den Artikel "Restless Legs – Wie können Betroffene sich selbst helfen?" verfasst. Dort werden rezeptfreie Medikamente, alternative Heilmethoden, Ernährungs- und schlafhygienische Tipps besprochen. Es muss berücksichtigt werden, dass für die benannten Methoden wissenschaftliche Untersuchungen fehlen. Wenn die Patientin einen homöopathischen Therapiewunsch hat, kann mithilfe des homöopathischen Repetitoriums der DHU eine Substanzfindung zusammen mit der Patientin vorgenommen werden. In der Selbstmedikation sollten üblicherweise die Potenzen D6 und D12 verwendet werden. Zumeist sind die Hinweise in dem oben genannten Artikel kein Ersatz für RLS-Medikamente, aber eine sinnvolle Ergänzung zur medikamentösen Therapie und als Hilfe zur Selbsthilfe zu verstehen [4]

Auf der Webseite der Deutschen Restless Legs Vereinigung e.V. finden Patienten nützliche Informationen und Buchempfehlungen, die von Interesse sein könnten, sowie Selbsthilfegruppen in Wohnortnähe [3].


Antwort Kurz gefasst


  • Levodopa ist bei leichten bis mittelschweren Formen des Restless-Legs-Syndroms Mittel der Wahl.

  • Aufgrund der im Vergleich zur Parkinson-Therapie niedrigeren Dosierung ist mit weniger ausgeprägten Nebenwirkungen zu rechnen.

  • Dem Wunsch nach alternativen Behandlungsmöglichkeiten kann zwar nachgekommen werden, meistens sind diese aber kein Ersatz für RLS-Medikamente, sondern nur eine sinnvolle Therapieergänzung.


Literatur

[1] S3-Leitlinie Nicht erholsamer Schlaf/ Schlafstörungen, AWMF Register Nr. 063/001, 11/2009, abrufbar über www.awmf.org

[2] S1-Leitlinie Restless-Legs-Syndrom (RLS) und Periodic Limb Movement Disorder (PLMD)", AWMF Register Nr. 030/081, 4. überarbeitete Auflage 2008, abrufbar über www.awmf.org

[3] www.restless-legs.org

[4] Sieb JP, Restless Legs – Wie können Betroffene sich selbst helfen?, Das Schlafmagazin 03/2009, abrufbar über www.dasschlafmagazin.de

[5] Sieb JP, Restless Legs – Welche neuen Medikamente gibt es?, Das Schlafmagazin 04/2009, abrufbar über www.dasschlafmagazin.de

[6] Trenkwalder C et al, Treatment of Restless Legs Syndrome: An Evidence-Based Review and Implications for Clinical Practice, Movement Disorders Vol. 23, No. 16, 2267– 2302, 2008 Movement Disorder Society


Autorin

Apothekerin Sylvia Obermeier,
Schwarzwald-Baar Klinikum,
Villingen-Schwenningen GmbH,
Vöhrenbacher Str. 23,
78050 Villingen-Schwenningen



DAZ 2012, Nr. 11, S. 38

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