Fortbildungskongress

Keine Phytoöstrogene in der Selbstmedikation

Neben Operation, Chemo- und Strahlentherapie ist bei hormonabhängigen Mammakarzinomen der Einsatz antihormoneller Wirkstoffe ein wesentlicher Pfeiler der Behandlung. Welche Arzneistoffe wann eingesetzt werden, hängt nach den Ausführungen von Dr. Karin Nemec, Wien, vor allem von dem Menopausenstatus der Patientin ab. Dabei gibt es auch für die Selbstmedikation Wichtiges zu beachten.
Dr. Karin Nemec Foto: DAZ/du

Etwa 80% aller Brustkrebspatientinnen weisen ein hormonabhängiges Mammakarzinom auf, also Tumorzellen, die Östrogen- bzw. Progesteron-Rezeptoren exprimieren und durch Bindung der entsprechenden Hormone zum Wachstum angeregt werden. Durch eine antihormonelle Therapie lässt sich das Tumorzellwachstum hemmen. Bei Östrogen-Rezeptor-positivem Status entscheidet der Menopausenstatus darüber, welche antiöstrogene Therapie eingesetzt wird.


Prämenopause: Tamoxifen

In der Prämenopause sehen die Leitlinien vor, zunächst fünf Jahre mit Tamoxifen zu behandeln. Tamoxifen zählt wie Toremifen zu den selektiven Östrogen-Rezeptor-Modulatoren (SERM). An Mammakarzinomzellen wirkt es antagonistisch, auf Endometriumzellen des Uterus jedoch agonistisch. Um das Risiko eines Endometriumkarzinoms zu minimieren, ist der Einsatz von Tamoxifen daher auf fünf Jahre begrenzt. Östrogene werden in der Prämenopause zu 90% im Ovar gebildet, so dass in jedem Fall bei hohem Rezidivrisiko oder fortgeschrittener Erkrankung neben der Tamoxifen-Behandlung die ovarielle Östrogenproduktion entweder durch Ovarektomie oder die Gabe von GnRH-Analoga ausgeschaltet wird. Bei fortgeschrittener Erkrankung, also bei Auftreten eines Rezidivs oder Fernmetastasen, wird bei unzureichendem Therapieerfolg einer Tamoxifen-Behandlung und Ausschaltung der ovariellen Östrogenproduktion auf Aromatasehemmer zurückgegriffen, gefolgt von einer Therapie mit dem Antiöstrogen Fulvestrant und einer hochdosierten Gestagentherapie.

Postmenopause: Aromatasehemmer

In der Postmenopause wird Estradiol ausschließlich mithilfe des Enzyms Aromatase im Fettgewebe gebildet. Nachdem sich der Einsatz von Aromatasehemmern wie Anastrozol und Letrozol in der Postmenopause der ursprünglich als Goldstandard geltenden fünfjährigen Tamoxifen-Behandlung als überlegen erwiesen hat, werden in der Postmenopause zunehmend Aromatasehemmer der Tamoxifenbehandlung vorgezogen. Auch bei fortgeschrittenem Mammakarzinom werden zunächst Aromatasehemmer eingesetzt. Lässt sich die Progression nicht stoppen, wird auf Fulvestrant und die hochdosierte Gestagentherapie zurückgegriffen. Aufgrund fehlender Studien wird empfohlen, die Therapiedauer mit Aromatasehemmer auf fünf Jahre zu begrenzen. Studien, die eine länger dauernde Therapie untersuchen, laufen zur Zeit.


Aromatasehemmer In der Postmenopause werden Patientinnen mit hormonabhängigem Brustkrebs zunehmend mit Aromatasehemmern behandelt. Empfohlen wird bislang eine Therapiedauer von fünf Jahren. Zurzeit wird in Studien untersucht, ob die Patientinnen von einer längeren Behandlung profitieren. Foto: Lilly Deutschland GmbH

Tamoxifen nicht zusammen mit Aromatasehemmern

Tamoxifen ist ein Prodrug, das über CYP2D6 in den Hauptmetaboliten Endoxifen überführt werden muss. Dies kann zu Interaktionen mit Arzneistoffen führen, die ebenfalls CYP2D6 für ihre Verstoffwechslung benötigen und die Umwandlung von Tamoxifen verhindern. Eine klinisch relevante Interaktion ist für Tamoxifen und das Antidepressivum Paroxetin beschrieben worden. Einer Studie zufolge muss damit gerechnet werden, dass Patientinnen bei andauernder Paroxetin-Einnahme während einer Tamoxifen-Therapie ein erhöhtes Brustkrebsrezidiv-Risiko haben. Mit einer verminderten Tamoxifen-Wirkung ist auch bei sogenannten poor metabolizern zu rechnen, jedoch wurde hier noch keine klinisch relevante Auswirkung festgestellt. Tamoxifen darf nicht zusammen mit Anastrozol und Letrozol gegeben werden, da dies die Wirkung der Aromatasehemmer verhindern würde.

Der Aromatasehemmer Letrozol wird zwar über CYP3A4 und 2A6 metabolisiert und inhibiert zudem CYP2A6 und 2C19, doch klinisch relevante Interaktionen sind bislang nicht aufgetreten. Ähnliches gilt für Anastrozol. Anders sieht die Situation bei Exemestan aus, das intensiv über CYP3A4 metabolisiert wird. Vorsicht ist hier bei CYP3A4-Induktoren wie Rifampicin geboten, aber auch bei Johanniskraut. Depressiven Brustkrebspatientinnen ist von Johanniskraut bei einer Exemestan-Therapie abzuraten. Jede dritte Patientin, die einen Aromatasehemmer einnimmt, leidet unter Muskel-und Gelenkschmerzen und dadurch unter Bewegungseinschränkungen. Sie müssen trotz dieser Nebenwirkungen motiviert werden, die Therapie fortzusetzen. Eine weitere wichtige Nebenwirkung der Aromatasehemmer ist die Abnahme der Knochendichte. Maßnahmen zur Osteoporoseprävention einschließlich der Gabe von Calcium und Vitamin D sind daher ebenso angezeigt wie eine regelmäßige Bestimmung der Knochendichte. Gegebenenfalls muss auf Bisphosphonate zurückgegriffen werden. In diesem Zusammenhang ist interessant, dass unter Zoledronsäure in einer Studie bei Brustkrebspatientinnen das erkrankungsfreie Überleben verlängert war. Das deutet auf eventuelle antineoplastische Eigenschaften der Zoledronsäure hin, die jedoch bislang nicht zu erklären sind.

Die Therapie des hormonabhängigen Mammakarzinoms kann mit Wechseljahres-ähnlichen Beschwerden einhergehen. Solche Beschwerden dürfen keinesfalls mit Phytoöstrogenen beispielsweise aus Rotklee oder Soja behandelt werden, ebenso wenig wie eine vaginale Trockenheit mit Östrogen-haltigen vaginalen Arzneiformen.


du



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DAZ 2011, Nr. 7, S. 84

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