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Gefährliche Dosensuppe

Simpler Versuch – spektakuläres Ergebnis: US-amerikanische Wissenschaftler ließen Freiwillige fünf Tage lang täglich einen Teller Dosensuppe essen und erzielten damit ein bemerkenswertes Ergebnis. Nach Ablauf des Versuchs konnte bei den Studienteilnehmern die 20-fache Konzentration der Chemikalie Bisphenol A im Urin nachgewiesen werden. Die Verbindung, kurz BPA, wird vor allem als Ausgangsprodukt bei der Kunststoffherstellung verwendet. Somit kommt die Verbindung leicht in Kontakt mit Lebensmitteln – was sich negativ auf die Gesundheit auswirken kann.

Hauptquellen von BPA im Alltag sind Gefäße aus Polykarbonaten und Epoxidharzen. Diese werden auch zur Beschichtung von Konservendosen in der Lebensmittelindustrie verwendet.

BPA wird mit negaviten Effekten auf die männliche Fruchtbarkeit sowie mit Nervenschäden im Gehirn, Brustkrebs, Diabetes, Herz-Kreislauf-Problemen und Übergewicht in Verbindung gebracht. Doch die Studienlage ist nicht eindeutig und die Interpretation der Ergebnisse entsprechend umstritten.

Vor diesem Hintergrund untersuchten Wissenschaftler um Jenny Carwile von der Harvard School of Public Health, USA, ob sich der regelmäßige Verzehr von Konserven auf die BPA-Menge im menschlichen Organismus messbar auswirkt. An der Studie nahmen 75 Personen teil, die randomisiert in zwei Gruppen eingeteilt wurden. Zunächst erhielt die erste Gruppe täglich einen Teller Gemüsesuppe aus der Dose, während die zweite Gruppe eine vergleichbare, jedoch frisch zubereitete Suppe erhielt. Nach Ablauf von fünf Tagen wurden die Gruppen getauscht.

20-facher Anstieg an BPA

Die Ergebnisse überraschten die Studienautoren. Bei Teilnehmern, die die frische Suppe aßen, ließ sich am vierten und fünften Studientag nur in 77% aller Fälle überhaupt BPA im Urin nachweisen. Der durchschnittlich gemessene Wert lag bei 1,1 Mikrogramm pro Liter. Dagegen war bei allen Teilnehmern, die die Dosensuppe erhielten, BPA nachweisbar und zwar in einer durchschnittlichen Konzentration von 20,8 Mikrogramm pro Liter.

Noch können die Wissenschaftler nicht abschätzen, ob die Ergebnisse allgemeingültig sind, da zum einen nur eine Stichprobe von Studierenden und Universitäts-Mitarbeitern gezogen wurde und zum anderen nur Konserven eines einzelnen Herstellers verwendet wurden. Carwile geht jedoch davon aus, dass sich beim Verzehr von Produkten mit einem vergleichbaren BPA-Gehalt vergleichbare Effekte beobachten lassen.

Gesundheitliche Risiken unklar

Auch ist noch nicht abschätzbar, welche gesundheitlichen Konsequenzen bei einer vorübergehenden BPA-Belastung zu beobachten sind, denn die derzeitige Studienlage erlaubt keine abschließenden Schlussfolgerungen. Dies gilt auch für die generelle Risikoabschätzung von BPA für die Gesundheit. So vertreten die Behörden in Deutschland unterschiedliche Positionen.

Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) hält die derzeit von der EU vorgegebenen Grenzwerte für absolut ausreichend. Demnach kann täglich eine BPA-Belastung von bis zu 50 Mikrogramm pro Kilogramm Körpergewicht toleriert werden, ohne dass negative Folgen für die Gesundheit zu erwarten sind. Dagegen bewertet das Umweltbundesamt (UBA) diesen Grenzwert als zu hoch. Das UBA begründet seine Einschätzung mit dem Vorliegen zahlreicher Studien, die zeigen, dass auch deutlich geringere BPA-Mengen Veränderungen im Organismus hervorrufen können. Demzufolge sollte die Verwendung von BPA drastisch eingeschränkt werden. Zudem sollten Risikogruppen, etwa kleine Kinder, vor einer BPA-Exposition geschützt werden. Ein Beispiel dafür ist das Verbot für BPA-haltige Babyflaschen, die seit Mitte 2011 nicht mehr verkauft werden dürfen.


ka


Quelle: Carwile, J. et al.: JAMA 2011; 306: 2218



DAZ 2011, Nr. 50, S. 91

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