Arzneimittel und Therapie

B-Zell-Antikörper Ocrelizumab wirkt bei multipler Sklerose

Die multiple Sklerose (MS), an der in Deutschland mehr als 120.000 Menschen leiden, ist eine der häufigsten neurologischen Krankheiten bei jungen Erwachsenen. Auslöser für die Autoimmunerkrankung sind Entzündungen an den Markscheiden der Nervenfasern. Die genauen Ursachen sind nicht bekannt, und die Erkrankung ist bislang nicht heilbar. Der Antikörper Ocrelizumab, der wie das Antirheumatikum Rituximab die Bildung von B-Zellen hemmt, zeigte jetzt in einer Phase-II-Studie eine sehr gute Wirkung, allerdings kam es unter der Therapie mit dem Präparat auch zu einem Todesfall.

Die multiple Sklerose (MS) ist eine chronisch entzündliche Erkrankung des zentralen Nervensystems. Die Entzündungen in Gehirn und Rückenmark zerstören die Markscheiden der Nervenfasern, wobei Abwehrzellen, die normalerweise fremde Erreger oder Stoffe angreifen, körpereigenes Gewebe schädigen. Der Verlauf der Krankheit kann zwar durch verschiedene Maßnahmen oft günstig beeinflusst werden, ist bislang letztlich aber nicht heilbar. Die bisherige Therapie mit Beta-Interferonen und Glatiramer zielte bislang auf eine Aktivitätsminderung der T-Helferzellen, die Angriffe des Immunsystems auf die Myelinscheiden kontrollieren.

Todesfall auch unter dem neuen B-Zell-Antikörper

Da B-Zellen offensichtlich für pathologische Immunreaktionen verantwortlich sind, wurden in den letzten Jahren erste erfolgreiche Untersuchungen zur Wirkung von B-Zell-Antikörpern wie Rituximab durchgeführt. In einer multizentrischen, randomisierten, doppelblinden und placebokontrollierten Studie wurde jetzt die Wirkung des Nachfolgepräparats Ocrelizumab (Roche) untersucht. Wie Rituximab auch bindet Ocrelizumab an CD20-positive Zellen. Von dem humanisierten Antikörper wurde auch bei wiederholter Applikation eine bessere Verträglichkeit als von seinem Vorgänger erwartet. Allerdings mussten Studien zur Behandlung der rheumatoiden Arthritis und des Lupus erythematodes im letzten Jahr jedoch trotz guter Wirkung abgebrochen werden, da es unter der Ocrelizumab-Therapie zu zum Teil tödlichen verlaufenden opportunistischen Infektionen gekommen war.

An der jetzt durchgeführten Phase-II-Studie zur Behandlung der multiplen Sklerose nahmen 220 Patienten aus 20 Ländern teil. In der Studie wurde die Wirkung von Ocrelizumab mit der von Interferon beta-1a und Placebo verglichen. Unter einer Ocrelizumab-Dosis von 600 mg wurde die Zahl der aktiven Krankheitsherde im Zentralnervensystem um 89%, unter einer Dosis von 2000 mg Ocrelizumab sogar um 96% gegenüber Placebo gesenkt. Allerdings verstarb auch in dieser Studie ein Patient unter der höheren Ocrelizumab-Therapie. Ob das Medikament tatsächlich als Ursache für den Tod des Patienten verantwortlich ist, bleibt ungeklärt. Bei ihm sei es zu einem komplizierten systemischen inflammatorischen Response-Syndrom, einer überschießenden Immunreaktion, gekommen.

Die Beantragung der Zulassung für das Präparat soll nach den bereits begonnenen Phase-III-Studien erfolgen, deren Abschluss bis zum Jahr 2015 erwartet wird. Wohl aus den Erfahrungen der Vergangenheit wird bei diesen Studien die geringere Dosis von 600 mg Ocrelizumab eingesetzt.


Quelle

Kappos, L.; et al.: Ocrelizumab in relapsing-remitting multiple sclerosis: a phase 2, randomised, placebo-controlled, multicentre trial. The Lancet 2011; doi:10.1016/S0140-6736(11)61649-8, vom 1. November 2011.

F. Hoffmann-La Roche Ltd.: Phase II study showed ocrelizumab maintained significant reduction in disease activity for multiple sclerosis patients for almost two years, 20. Oktober 2011.


Dr. Hans-Peter Hanssen



DAZ 2011, Nr. 45, S. 58

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