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Das Zukunftskonzept – jetzt durchhalten!

Peter Ditzel

Dass Apotheker und Ärzte ein wunderschönes Konzept ausdenken, wie sie Kosten einsparen und besser zum Wohl von multimorbiden Patienten zusammenarbeiten können, und alle Welt ruft Hurra und ist erfreut, das hat – außer uns Apothekern vielleicht – wohl niemand geglaubt. Aber dass sich derzeit so viel an Widerstand gegen das ABDA/KBV-Konzept aufbaut, hätte man auch nicht gedacht. Immerhin, die Bundesregierung zeigt sich offen und will dem Konzept zumindest eine Chance geben: Es soll in einer Modellregion Deutschlands, räumlich begrenzt, getestet werden. Erst danach könne man entscheiden, ob das Konzept den versprochenen Nutzen bringt. Mit diesem Vorbehalt soll das Konzept ins GKV-Versorgungsstrukturgesetz aufgenommen werden.

Zur Wiederholung: Das ABDA/KBV-Konzept wurde gemeinsam von Ärzten und Apothekern mit dem Ziel entwickelt, die Arzneimitteltherapiesicherheit vor allem bei älteren Patienten zu verbessern, die mehrere Arzneimittel benötigen. Das Konzept sieht vor, dass jeder gesetzlich versicherte Patient, der mehr als fünf systemisch wirkende Arzneimittel zur Dauermedikation erhält, einen Rechtsanspruch zur Teilnahme am Medikationsmanagement erhalten soll. Im Rahmen des Medikationsmanagements erfassen Arzt und Apotheker die gesamte Medikation des Patienten und überprüfen die Arzneimitteltherapiesicherheit. Das Ergebnis fließt in einen optimierten Medikationsplan. So weit, so gut. Bis hierher dürften weder Kassen noch Industrie etwas daran auszusetzen haben. Bereits damit lassen sich Kosten einsparen durch eine optimierte Therapie, durch Förderung der Compliance, Verhinderung von Nebenwirkungen und Unverträglichkeiten bis hin zur Reduzierung von Krankenhauseinweisungen aufgrund falscher oder für die Gesundheit abträglicher Medikation.

Den Knackpunkt für Kassen und Industrie stellen jedoch die Module Medikationskatalog und Wirkstoffverordnung dar. Der Medikationskatalog legt anhand bestehender Leitlinien Wirkstoffe fest, die dem Arzt als Grundlage für seine Verordnungen dienen sollen. Und das Modul der Wirkstoffverordnung soll Verunsicherung beim Patienten nehmen: Im Vordergrund einer Verordnung soll der Wirkstoffname und nicht der Produktname stehen – auf den Arzneimittelpackungen müsste dazu der generische Wirkstoffname deutlich und größer hervorgehoben werden. Insbesondere bei der Wirkstoffverordnung argwöhnen Kassen und Industrie (welch nette Einigkeit, in diesem Fall), nichts Gutes. Die Kassen sehen die Rabattverträge schwinden und die Industrie eine Einengung auf nur wenige Wirkstoffe – Schlagwort Positivliste.

Vollkommen ablehnend steht beispielsweise die AOK dem Modell gegenüber. Aus Angst, Einfluss und Mitsprachemöglichkeiten enthoben zu werden, lehnt sie das Konzept kategorisch ab. Sie befürchtet auch, dass sehr geringen Leistungen nur ein fraglicher Mehrwert gegenübersteht, für den Ärzte und Apotheker zudem ein Honorar verlangen. Außerdem stehe es Ärzten und Apothekern nicht zu, einen Medikationskatalog aufzustellen – das gehöre in die Hände des Gemeinsamen Bundesausschusses.

Noch einfacher macht es sich die Industrie: Der Verband der forschenden Pharma-Unternehmen (vfa) meint ganz platt, Ärzte und Apotheker wollten nur mehr Geld, und sieht im Medikationskatalog eine nicht erwünschte Positivliste. Aber weder das eine noch das andere trifft zu. Das Medikationsmanagement, das Arzt und Apotheker gemeinsam erstellen, ist eine Mehrleistung der Heilberufe und muss dementsprechend honoriert werden. Und ein Medikationskatalog gilt nur als Richtschnur für die Verordnung von Wirkstoffen. Der Medikationskatalog soll den Ärzten eine leitliniengerechte Versorgung ohne Angst vor Regressen ermöglichen, erklärte es auf dem Apothekertag KBV-Vorstand Müller. Von diesem Medikationskatalog kann der Arzt abweichen, wenn er es für notwendig erachtet. Und er kann auch aut idem verordnen. Also, wo ist das Problem?

ABDA und KBV lassen sich jedoch nicht beirren, das Ministerium ist auf ihrer Seite – jedenfalls für einen Modellversuch, wenn auch nur in einer Region (die ABDA wünschte sich drei Regionen). Skeptisch allerdings dürfte in der Tat das von der ABDA prognostizierte Einsparpotenzial von 1,8 Milliarden Euro zu sehen sein. Die fundierten Berechnungen für diese Einsparungen scheint es nicht zu geben. Und so liest man denn auch in der KBV-Stellungnahme zum Versorgungsstrukturgesetz, dass man Einsparpotenziale in der Arzneimittelversorgung erschließe, aber ohne konkrete Größenordnung.

Bleibt zu hoffen, dass der Modellversuch starten kann und dass er Erfolge bringt. Selbst wenn die Einsparungen nicht in der erwarteten Höhe ausfielen, so könnte der Versuch immerhin zeigen, dass Apotheker und Ärzte die Medikation gemeinsam managen und die Arzneimitteltherapiesicherheit erhöhen können. Und das wäre schon ein schönes Stück Zukunft.


Peter Ditzel



DAZ 2011, Nr. 42, S. 3

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