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Apotheken-Pick-up – oder: Wie man Löcher in den Deich gräbt ...

Peter Ditzel

Die Apothekerfamilie Winterfeld mit ihren mittlerweile sieben Apotheken im Bergischen Land wollte es anfangs als Protest verstanden wissen, als sie vor zwei Jahren ihre eigene Versandapotheke Montanus im niederländischen Dinxperlo gründete, gleich über die Grenze, nicht allzu weit entfernt von ihren deutschen Apotheken. Sie dachten, was DocMorris und die Europa Apotheek machen, können wir auch, nämlich Kunden anlocken durch rabattierte Arzneimittelpreise und Verzicht auf die Zuzahlung. Der "Clou" dabei ist ihr Geschäftsmodell "Vorteil24". Preissensible Kunden, die Affinität zum Versandhandel und zu Hollandpreisen zeigen, können in den deutschen Apotheken der Winterfelds ihre Rezepte bei der niederländischen Montanus-Apotheke einlösen oder von dort Arzneimittel ordern – ähnlich wie beim Pick-up-Modell. Die Rezepte und die Bestellung werden über die Grenze in die Niederlande gebracht, dort beliefert und die bestellten Arzneimittel zurück nach Deutschland in die Winterfeldschen Apotheken gebracht – zu den holländischen Konditionen. Der Kunde muss allerdings ein bis zwei Tage auf seine Arznei warten, selbst wenn die Ware in der deutschen Apotheke vorrätig ist. Die deutschen Apotheken fungieren so als Pick-up-Stelle für die der gleichen Familie gehörende niederländische Apotheke. Aus rechtlichen Gründen darf aber nur für die aus den Niederlanden in die deutschen Apotheken gebrachten Rx-Arzneimittel die Rezeptgebühr halb oder ganz erlassen werden. Als Vorteil zu Drogerie-Pick-ups sehen es die Montanus-Apotheker an, dass den Kunden eine qualifizierte Beratung und der volle Service vor Ort in der deutschen Abhol-Apotheke angeboten wird.

Für Außenstehende mag das Ganze absurd klingen: Weil die deutschen Originalpräparate von den Niederlanden nach Deutschland gefahren werden, zahlen die Kunden einen niedrigeren Preis als in den deutschen Apotheken und erhalten teilweise oder ganz die Zuzahlung erlassen.

Die Protestphase gegen den Versand scheint bei den Montanus-Apothekern nun vorbei zu sein. Denn sie gehen einen Schritt weiter und bieten das Apotheken-Pick-up anderen Apotheken als Geschäftsmodell an. Sie wollen weitere Apotheken gewinnen, die für sie als Pick-up-Stellen fungieren. Da sollen also die teilnehmenden Apotheken ihre Kunden, die sie mühsam gewonnen und an sich gebunden haben, an eine niederländische Versandapotheke verweisen. Die teilnehmende Apotheke bekommt dafür zwar eine gewisse Entschädigung. Aber könnte einem da nicht der Spruch einfallen: "Nur die dümmsten Kälber wählen ihre Metzger selber?"

Jetzt hat sogar eine der ältesten Kooperationen Deutschlands, die Linda, Interesse an diesem Modell gezeigt. Etwa 30 Linda-Apotheken nehmen an einer Testphase teil, wie eine Sprecherin gegenüber der DAZ bestätigte. Sie wollen prüfen, inwieweit das Apotheken-Pick-up ein zukunftsfähiges Modell ist. Erste Zwischenergebnisse sollen bereits zur Expopharm vorliegen. Ob ein solches Modell besser wird, wenn die Kälbchen ein lindgrünes Band tragen, bevor sie zum Metzger gehen?

Im Ernst, selbst wenn der eine oder andere ein solches Modell als clever bezeichnen möchte – warum erkennt man nicht die politische Dimension und den Sprengstoff, der darin steckt? Den meisten Apothekerinnen und Apothekern sind Pick-up-Stellen ein Dorn im Auge. Die ABDA bemüht sich seit der ersten Pick-up-Stelle des Drogeriemarktes dm mit aller Anstrengung, solche Arzneimittelabholstellen verbieten zu lassen – aus Gründen des Verbraucherschutzes und der Arzneimittelsicherheit. Selbst die Politik hat dies eingesehen und die Absicht, Abholstellen zu verbieten, in den Koalitionsvertrag geschrieben. Möglicherweise stehen wir nun kurz davor – trotz juristischer Schwierigkeiten – , dass die Politik ihre Absicht in die Tat umsetzt. Und dann wirbt eine Apothekenkooperation damit, Pick-up-Stellen testen zu wollen. Selbst der Vorsitzende des Kooperationsverbands, Stefan Hartmann, versteht die Welt nicht mehr: Der größte Feind des Apothekers ist immer noch der Apotheker, so Hartmann. Die Teilnahme an dem Pick-up-Modell komme ihm vor, wie wenn man bei Hochwasser selbst Löcher in den Deich gräbt.

Ein weiteres pikantes Notabene in dieser Geschichte: Die Montanus-Apotheken und das Pick-up-Konstrukt wird realisiert mithilfe von Awinta, der Softwaretochter des apothekereigenen Rechenzentrums VSA. Das kommt nicht gut an in der Szene. Freilich, die Winterfeldschen Apotheken arbeiteten wohl bereits mit der Software von Promedisoft, bevor sie auf das Pick-up-Modell verfielen. Und die VSA fusionierte erst vor etwa einem Jahr mit Promedisoft zu Awinta, um ihrer Software Jump auf die Sprünge zu helfen. Mag sein, dass die VSA so zu Pick up gekommen ist wie die Jungfrau zum Kinde. Aber viel Verständnis kann man dafür wohl nicht erwarten.

Noch vor etwa zwei Jahren wandte man sich vom damaligen Ehrenvorsitzenden des Bayerischen Apothekervereins, Gerhard Reichert ab, als er legal eine Mini-Pick-up-Stelle oder Rezeptsammelstelle eröffnete. Jetzt scheint es der Deutsche Apothekerverband hinzunehmen, dass ein apothekereigenes Softwareunternehmen Apotheken-Pick-ups unterstützt.

Es wird Zeit, dass die Politik dem Pick-up-Spuk endgültig ein Ende bereitet. Auf Exorzisten zu warten – dafür ist keine Zeit mehr.


Peter Ditzel

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