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Hier wird kräftig gezündelt …

Peter Ditzel

Als die beiden Apothekerbrüder Andreas und Thomas Winterfeld aus dem Bergischen Land in ihren Montanus-Apotheken das System "Vorteil24" ersonnen, schien es auf den ersten Blick clever zu sein: Mit einer eigenen Versandapotheke in den Niederlanden ein System nachzuahmen, das unter unserer letzten Bundesgesundheitsministerin noch gefeiert wurde: der Arzneiversand nach Deutschland durch eine günstigere ausländische Apotheke aus einem Land (Niederlande), dessen Apotheken mit deutschen Apotheken kompatibel sind. Beim Modell "Vorteil24" sollen die Kunden aber weiterhin ihre Rezepte in die Vor-Ort-Apotheke bringen. Deshalb versendet die niederländische Montanus-Versandapotheke nicht nach Hause, sondern in die Vor-Ort-Apotheke, in der die Rezepte angenommen und an die niederländische Apotheke weitergeleitet werden: ein geschlossener Kreis, Kunden bleiben der Apotheke verbunden. Und: Kunden und Apotheke profitieren von der stattlichen Mehrwertsteuerdifferenz zwischen den Niederlanden und Deutschland, die immerhin 13 Prozentpunkte ausmacht. Das ist ordentlich.

Als dieses Treiben bekannt wurde, schauten Juristen auf das Konstrukt: Darf das eigentlich eine Apotheke? Darf sie selbst als eine Art Pick-up-Stelle oder Arzneimittelabholstelle für eine ausländische Apotheke fungieren? Schnell war die Sache vor Gericht, wo sie heute trotz diverser Urteile noch immer liegt – ein Verfahren steht mittlerweile beim Bundesgerichtshof zur höchstrichterlichen Klärung an.

Damit nicht genug. Als die Winterfelds ihr Konzept auf einem Managementkongress vorstellten, fand die Apothekenkooperation Linda Gefallen daran: Linda, mittlerweile unter dem Dach einer Aktiengesellschaft, muss ihren angeschlossenen Apotheken etwas bieten. Payback allein reicht nicht mehr, "Vorteil24" muss es seit Mitte des Jahres sein. Über 40 Pilot-Apotheken haben sich auf eine Testphase für das "Vorteil24"-System eingelassen – eine Herausforderung logistischer, finanztechnischer, konzeptioneller und juristischer Art. "Vorteil24" bedeutet, dass der Kunde nach 24 Stunden sein in Holland bestelltes Arzneimittel in seiner deutschen Apotheke abholen kann: da müssen Großhandel (hier Phoenix) und Logistikpartner (hier Phoenix-Tochter Transmed) spuren. Die Bestellung der Ware und finanzielle Abwicklung des Inkassos, die Vergütungsgewährung für die Apotheke und die Gutscheine für die Kunden laufen in der Apotheke über ein eigenes Kassenterminal, auch wegen Fragen zur Mehrwertsteuer (wo fällt sie an und wofür?). Da dem bisherigen Software-Haus Awinta mit ProMedisoft das Konstrukt aus standespolitischen Gründen zu heiß wurde und es ausgestiegen ist, soll nun Phoenix-Tochter ADG die Software stellen. Ein detaillierter Vertrag (der der DAZ vorliegt) zwischen "Vorteil24" und der teilnehmenden Apotheke schreibt außerdem vor, was der Apotheker im System "Vorteil24" zu tun und zu lassen hat bis hin zu Auflagen einer besonderen Sprachregelung, sollte sich die Presse für das System interessieren. Und weil die "Vorteil24"-Macher schon juristische Probleme witterten, hat man versucht, eine leicht komplizierte Konstruktion über das System zu legen, die das Ganze gerichtsfest machen soll: Nicht die Linda-Apotheke bestellt die Arzneimittel in den Niederlanden, sondern der Kunde bevollmächtigt formal ein zwischengeschaltetes Dienstleistungsunternehmen (Sequalog), einen Kurierdienst zu beauftragen, seine Arzneimittel auf seine Rechnung (hier 50 Cent) von der niederländischen Apotheke zur deutschen Apotheke zu bringen. Um Probleme mit der Mehrwertsteuer zu umgehen, erhält der Apotheker von diesem Dienstleistungsunternehmen Sequalog eine Provision für seinen Aufwand, abhängig vom Preis des Arzneimittels. Wobei die Honorierung bewusst so ausgelegt ist, dass sich dieses Procedere nur bei hochpreisigen Arzneimitteln wirklich lohnt.

Juristen und Behörden allerdings lassen sich von diesem System nicht beeindrucken. Sie sind bereits dabei, dieses Konstrukt auseinander zu nehmen. Um nur einige Knackpunkte zu nennen: Die formale Arzneiabgabe erfolgt ohne physische Vorlage des Rezepts in den Niederlanden; der Kunde wird nicht über Konsequenzen des Bezugs der Arzneimittel in den Niederlanden aufgeklärt (wer haftet für Arzneimittelschäden?); die Aushändigung der Arzneimittel erfolgt in Deutschland. Diese Aufgabenteilung ist nach deutschem Apothekenrecht so nicht vorgesehen und ein Verstoß gegen das Apothekengesetz – die Verantwortung für die Abgabe wird dadurch auf einen Dritten verlagert. Wenn der Apotheker eine Abholstelle für Arzneimittel in seiner Apotheke mit eigener Kasse unterhält, dann spricht dies dafür, dass er einen "shop in shop" betreibt – im deutschen Apothekenrecht ganz klar nicht erlaubt. Außerdem: Die Vereinbarung, wonach der Apotheker Verschreibungen an einen Dritten weiterleitet und dafür eine vertraglich vereinbarte Vergütung erhält, widerspricht dem Leitbild des Apothekers in seiner Apotheke. Letztlich schleicht sich damit der Fremdbesitz durch die Hintertür in die öffentliche Apotheke.

Ganz abgesehen vom Flurschaden: Was sollen Politiker denken, wenn wir Apothekerinnen und Apotheker das machen, von dem wir wollen, dass es die Politik abschaffen soll? "Vorteil24" – da wird nicht nur kräftig gezündelt, nein, die Lunte brennt!


Peter Ditzel

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