Seite 3

Nur aus der Apotheke vor Ort

Peter Ditzel

Warnung aus der EU: Boom bei gefälschten Arzneimitteln! Solche oder ähnliche Schlagzeilen hört man in den letzten Wochen immer häufiger. Erst am vergangenen Montag, 7. Dezember, berichtete die "Welt" über ein Gespräch mit Industriekommissar und Kommissions-Vizepräsident Günter Verheugen, in dem er sagte: "Die Zahl der gefälschten Arzneimittel in Europa, die beim Patienten landen, steigt immer mehr." Unter den gefälschten Arzneimitteln fänden sich vor allem Antibiotika, Krebs- und Antimalaria-Mittel, Cholesterinsenker, Schmerzmittel und – natürlich – die "Potenzpille" Viagra. Innerhalb von nur zwei Monaten habe man bei gezielten Zollkontrollen in allen Mitgliedsländern allein 34 Millionen gefälschte Tabletten sichergestellt. Auch wenn diese Zahl nicht neu ist – Verheugen sagt jetzt deutlich, was er von Medikamentenfälschungen hält: sie sind ein "Kapitalverbrechen" und "jede Fälschung ist ein versuchter Massenmord. Selbst wenn ein Medikament nur unwirksame Stoffe enthält, kann es dazu führen, dass Menschen daran sterben, weil sie glauben, ihre Krankheit mit einem wirksamen Mittel zu behandeln." Womit der EU-Kommissar Recht hat. Solche deutlichen und klaren Worte habe ich bisher vonseiten unserer Bundesregierung vermisst. Da fragt man sich schon, ob man hier in Deutschland die Lage nicht so ernst nimmt? Fehlt bei uns einfach das Bewusstsein für diese Gefahren? Oder glaubt man vielleicht, mit sogenannten Länderlisten und DIMDI-Siegeln der Gefahren Herr werden zu können? Oder sieht man mittlerweile, was die Zulassung und Propagierung des Arzneimittelversandhandels angerichtet hat und will es nur nicht eingestehen? Lesen Sie hierzu auch den Gastkommentar von Theo Dingermann und Ilse Zündorf.

Die Fakten: Die frühere Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt hat sich für den Versandhandel mit Arzneimitteln in Deutschland eingesetzt und für seine Zulassung gekämpft. Der Bevölkerung wurde lange Jahre suggeriert, Arzneimittel bei Internetapotheken sind bequem zu bestellen und kostengünstiger als bei der Apotheke um die Ecke. Mit solchen Hinweisen wurden viele Bürger erst so richtig auf die Bezugsmöglichkeiten von Arzneimitteln via Internet aufmerksam gemacht. Die Krankenkassen taten ihr Übriges dazu, schickten ihren Versicherten sogar Briefe nach Hause mit der sanften Aufforderung, doch einmal Arzneimittel bei Versandapotheken zu bestellen. Die Bürger wurden direkt ins Internet zur Arzneimittelbestellung geschickt mit der Gefahr, dass sie nicht nur auf der Seite einer sicheren deutschen Versandapotheke landen, sondern auch bei dubiosen ausländischen Shops. Wenn man auf Internet-Seiten nicht gezielt im Impressum oder bei den Angaben zum Betreiber einer Seite sucht, weiß man oft nicht, bei welcher Internetapotheke man sich gerade aufhält. Ist es doch oft so, dass ein Internetuser, der ein Arzneimittel über den Versandhandel beziehen möchte, das Arzneimittel googelt – und dann mit hoher Wahrscheinlichkeit auch bei einer dubiosen ausländischen Internetapotheke landen kann, die zu alledem ihre Seiten sogar in deutscher Sprache aufgebaut hat. Wie soll der arglose Internetsurfer hier gut von böse unterscheiden? Und damit wächst die Gefahr immens, dass er an Arzneimittel gelangt, die gefälscht sein können. Selbst wenn sie Traubenzucker oder Stärke enthalten, kann es für den Bezieher gefährlich werden, da er damit keine Therapie betreibt. Und wenn die Fälscher hochwirksame Stoffe verarbeiten in falschen Dosierungen oder nicht deklarierte Wirkstoffe hinzufügen, kann dies lebensgefährlich werden. Zudem bekommt der Verbraucher mit, dass es Internetapotheken gibt, die Verschreibungspflichtiges ohne Rezept liefern oder – wie in England – eine ärztliche Pseudo-Konsultation in Form eines einfachen Online-Fragebogens davor schalten, die ebenfalls keine Hürde darstellt.

Halten wir fest: Arzneimittel werden massenweise gefälscht. Für die Fälscher ist es ein lukratives Geschäft, da die Strafen vergleichsweise niedrig sind und das Risiko, gefasst zu werden, relativ gering ist. Dringender Handlungsbedarf ist angesagt! Die Europäische Union muss sich umgehend damit befassen, wie Arzneimittel fälschungssicher und Arzneimittelvertriebswege noch sicherer zu machen sind. Ein Vorschlag zur Fälschungsabwehr wird derzeit bereits in Schweden erprobt. Jede Arzneimittelpackung wird mit einem Data-Matrix-Code bedruckt, wie man sie bereits von Bahn oder Flugtickets her kennt. Dieser Code enthält eine individuelle Packungsnummer, die in einer Datenbank hinterlegt ist. In der Apotheke kann der Apotheker die Echtheit der Packung überprüfen, indem er diesen Code scannt und die Datenbank ihm rückmeldet, dass die Packung echt ist. Zusätzlich soll die Packung noch mit einem Siegel versehen werden.

Alles schön und gut. Aber: Schade nur, dass in diesem Zusammenhang weder Brüssel noch Berlin die Bevölkerung laut und deutlich darauf aufmerksam machen: die sicherste, einfachste und beste Sofortmaßnahme zum Schutz gegen Fälschungen ist der Einkauf und der Bezug von Arzneimitteln in der Apotheke vor Ort. Herr Rösler, warum sagen Sie dies nicht allen Menschen? Warum läuft hier nicht schon längst eine Kampagne pro Apotheke vor Ort?

Peter Ditzel

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.