Praxis

Ein neues Spiel mit der Hoffnung - rein physikalisch

Doris Uhl

Am 19. Oktober 2009 wird in der ARD der Film „Heilung unerwünscht“ ausgestrahlt und es beginnt ein neues Spiel mit der Hoffnung von Patienten, die an unheilbaren Erkrankungen leiden. Diesmal sind es nicht Krebskranke, sondern Neurodermitis- und Psoriasis-Patienten.

Geschickt eingefädelt – an Zufall mag man trotz aller Beteuerungen kaum glauben – werden zunächst einmal mit dem Film Emotionen geschürt.

Die Erfolge bleiben nicht aus. Verzweifelte Patienten versuchen in Apotheken, die Heilung versprechende Vitamin- B12-Avocadoöl-haltige Salbe zu bekommen. Sie soll ihnen helfen, ohne die verteufelten Cortisoncremes auszukommen. In dem Film wird die Pharmaindustrie angeprangert, aus Profitgier verhindert zu haben, dass dieses in klinischen Studien geprüfte, wirksame und nebenwirkungsfreie Medikament auf den Markt kommt. Zu sehen sind Bilder von leidenden, bis zur Unkenntlichkeit vermummten Kleinkindern, die mit großen traurigen Augen in die Welt schauen, Bilder von verzweifelten Eltern und einem Erfinder, der psychisch am Ende ist. Selbstlos will der Autor des Filmes monatelang recherchiert haben. Seine Erkenntnisse samt der gefragten Rezeptur veröffentlicht er dann noch gleich in einem Buch, ebenfalls unter dem Titel „Heilung unerwünscht“. Und welch ein Zufall, die Firma Regeneratio Pharma GmbH, hervorgegangen aus der glücklosen Regeneratio Pharma AG des Erfinders der Salbe, hat mit der Schweizer Firma Mavena Health Care AG einen Vertriebspartner gefunden, der die Salbe schon im November unter dem Namen Regividerm® auf den Markt bringen will. Ein genialer Marketing- Coup. Der Coup ist auch deshalb so genial, weil geschickt bestehende Gesetze genutzt wurden, um die aufwendige Zulassung als Arzneimittel zu umgehen.

Denn Regividerm® ist keinesfalls ein zugelassenes Medikament, sondern nur ein registriertes Medizinprodukt der Klasse IIa, das in Eigenverantwortung des Herstellers ohne Genehmigung einer Behörde auf den Markt gebracht werden kann. Es besteht lediglich Anzeigepflicht. Wenn man nach klinischen Studien sucht, findet man für die Vitamin-B12-haltige Salbe nur drei winzige Untersuchungen: Eine mit 13 Psoriasis- Patienten aus dem Jahre 2001, eine mit 49 Neurodermitis-Patienten aus dem Jahre 2004 und eine mit 21 Patienten im Alter von sechs Monaten bis 18 Jahren mit Ekzemen. Über Wirksamkeit und Sicherheit, gerade auch im Hinblick auf eine Langzeitanwendung, können diese im Film hochgepriesenen Studien keine Aussagen treffen. Eine Zulassung als Arzneimittel ist mit ihnen nicht zu bekommen, weshalb man den eleganten Weg der Registrierung als Medizinprodukt gewählt hat. Eine Registrierung als Medizinprodukt ist laut Gesetz für Stoffe und Zubereitungen aus Stoffen möglich, wenn die bestimmungsgemäße Hauptwirkung weder durch pharmakologisch oder immunologisch wirkende Mittel noch durch Metabolismus erreicht wird. Wie wirkt aber nun Regividerm®? Glaubt man dem Hersteller, dann fängt das darin enthaltene Vitamin B12 übermäßiges, im Rahmen der Entzündung produziertes NO ab. Ein rein physikalischer Eingriff in das Entzündungsgeschehen? Spannend wird sein, ob die Bezirksregierung Düsseldorf als zuständige Behörde dieser Argumentation des Herstellers folgen wird und eine rein physikalische Wirkung sieht. Sollte sie zur Ansicht gelangen, dass es sich doch um ein pharmakologisch wirksames Arzneimittel handelt, dann werden wohl die Gerichte den Fall klären müssen. Erinnerungen an den Infektblocker Cystus 052® werden wach, der zwar vom BfArM als Arzneimittel eingestuft worden ist, aber bis zur gerichtlichen Klärung dieser Frage weiter vertriebsfähig ist.

In diesem ganzen Dilemma bleibt uns Apothekern nur, die nach der Salbe fragenden Patienten über die Hintergründe aufzuklären und sie an ihren behandelnden Arzt zu verweisen, der dann, falls er es für vertretbar hält, unter engmaschiger Kontrolle die Vitamin-B12-Avocadoöl- Salbe verordnet. Nur so lässt sich verhindern, dass letztlich wieder einmal zahllose Patienten die Verlierer in diesem Spiel mit der Hoffnung sind und die alleinigen Gewinner eine zwar kleine, aber trotzdem nicht selbstlose Pharmafirma und ihr Vertriebspartner.


Doris Uhl
Redakteurin der Deutschen Apotheker Zeitung

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