Arzneimittel und Therapie

Dabigatran als Alternative zu Vitamin-K-Antagonisten

Um das Schlaganfallrisiko bei Vorhofflimmern zu senken, werden Vitamin-K-Antagonisten eingesetzt. Ihr Einsatz ist jedoch kompliziert, so dass zu häufig darauf verzichtet wird. Eine Alternative wäre der orale Thrombininhibitor Dabigatran (Pradaxa®). Mit Spannung erwartet wurden deshalb neue Ergebnisse einer Studie, die den Effekt von Dabigatran bei Patienten mit Vorhofflimmern untersuchte. Sie wurden aktuell auf dem diesjährigen Kongress der europäischen Kardiologen präsentiert und zeigen, dass Dabigatran das Schlaganfallrisiko bei Vorhofflimmern einfacher reduzieren kann.

Vorhofflimmern ist häufig. Und es ist gefährlich. Mehr als 40% der über 60-Jährigen und etwa 10% der über 80-Jährigen leiden unter dieser Herzrhythmusstörung. Vorhofflimmern ist selbst zwar nicht unmittelbar lebensbedrohlich, erhöht jedoch das Risiko für thrombembolische Ereignisse wie Schlaganfälle deutlich, da die Arrhythmie im Vorhof des Herzens die Bildung arterieller Thromboembolien begünstigt. "Das Risiko für einen Schlaganfall ist bei Patienten mit Vorhofflimmern um das Siebenfache erhöht", betonte Prof. Dr. Stefan Hohnloser in Barcelona. Vorhofflimmern ist für etwa ein Sechstel aller Schlaganfälle verantwortlich, bei einem Viertel der Patienten kommt es zu einem Rezidiv. Die Verläufe sind besonders schwer, die Mortalitätsrate hoch, so Hohnloser.

Vitamin-K-Antagonisten: effektiv, aber kompliziert

Um Schlaganfälle bei Vorhofflimmern zu verhindern, werden die Patienten derzeit mit Vitamin-K-Antagonisten behandelt, in den USA mit Warfarin, hierzulande vor allem mit Phenprocoumon. Mit großem Erfolg, wenn man auf die Wirksamkeit blickt. Kontrollierten Studien zufolge lässt sich die Schlaganfallrate um 64%, die Zahl der Todesfälle um 25% reduzieren. Die Probleme liegen in anderen Bereichen: Das therapeutische Fenster ist eng (INR 2,0 – 3,0; siehe Kasten), entsprechend häufig sind Gerinnungskontrollen und Dosisanpassungen notwendig um die Balance zwischen schweren Blutungen und Unwirksamkeit zu halten. Die Liste der Interaktionen mit anderen Medikamenten und Nahrungsmitteln ist lang. Complianceprobleme liegen auf der Hand. Dies hat dazu geführt, dass Vitamin-K-Antagonisten zu selten eingesetzt werden, so Hohnloser. Lediglich 50% der Patienten, die dafür infrage kommen, werden damit behandelt.

Was ist der Quick-Wert?

Mit der Thromboplastinzeit, auch als Quick-Wert bezeichnet, lässt sich die exogene Blutgerinnung beurteilen. Sie wird als Kontrollwert herangezogen, wenn eine gerinnungshemmende Therapie mit einem Vitamin-K-Antagonisten, etwa Warfarin oder Phenprocoumon, durchgeführt wird. Mittlerweile wird zusätzlich auch die "International Normalized Ratio" (INR) angegeben, die anhand des Quick-Werts errechnet wird. Damit lassen sich Quick-Werte, die in verschiedenen Laboren bestimmt wurden, besser vergleichen. Es gelten folgende Werte:

1,0: Normalwert, keine gerinnungshemmende Behandlung

2,0 – 3,0: niedrig dosierte gerinnungshemmende Behandlung

3,0 – 4,5: hoch dosierte gerinnungshemmende Behandlung

RE-LY-Studie: Dabigatran auf dem Prüfstand

Deutlich einfacher könnte die Schlaganfallprävention bei Patienten mit Vorhofflimmern schon bald mit dem oralen direkten Thrombininhibitor Dabigatranetelixat (Pradaxa®) werden, der bislang nur für die Prävention von venösen thromboembolischen Ereignissen bei Patienten mit elektivem chirurgischem Hüft- oder Kniegelenkersatz zugelassen ist (siehe Interview). Vorteile des Prodrugs: Es wird schnell zu wirksamem Dabigatran verstoffwechselt, kann in einer fixen Dosis gegeben werden (Plasmahalbwertszeit 12 bis 17 h), Gerinnungskontrollen sind überflüssig und, da er nicht über Cytochrom-P450 abgebaut wird, ist das Interaktionsrisiko mit Medikamenten gering. In der RE-LY(Randomized Evaluation of Long term anticoagulant therapy)-Studie konnte Dabigatran nun im Vergleich zu gut kontrolliertem Warfarin auch seine Wirksamkeit und Sicherheit in der Prävention von Schlaganfällen bei Patienten mit Vorhofflimmern unter Beweis stellen. In die weltweite Studie wurden 18.113 Patienten aus 951 Prüfzentren in 44 Ländern eingeschlossen. Voraussetzung war ein nicht-valvuläres Vorhofflimmern mit mindestens einem weiteren wichtigen Risikofaktor für einen Schlaganfall, wie ein vorausgegangener ischämischer Schlaganfall, transitorischer ischämischer Attacke, systemische Embolie, linksventrikuläre Dysfunktion, ein Alter über 75 Jahre bzw. über 65 Jahre mit zusätzlichem Diabetes mellitus, Hypertonie oder einer koronare Herzkrankheit in der Anamnese. Die Studienteilnehmer erhielten entweder zweimal täglich doppelblind Dabigatranetexilat 110 mg (n = 6015), 150 mg (n = 6076) oder, offen, eine individuell angepasste Dosis Warfarin (INR 2,0 – 3,0) (n = 6022). Die Studiendauer lag bei zwei Jahren. Primärer Endpunkt war die Inzidenz von Schlaganfällen, einschließlich hämorrhagischen Schlaganfällen, und systemischen Embolien.

Wirkung abhängig von der Dosierung

Die Studienergebnisse zeigen, dass Dabigatran, unabhängig von der Dosierung, Warfarin in Wirksamkeit und Sicherheit nicht unterlegen ist. Mehr Aufschluss gibt der differenzierte Blick auf die einzelnen Dabigatrandosen:

  • Unter der 150-mg-Dosierung wird eine signifikante Reduktion des primären Endpunkts um 34% erreicht mit einer Senkung der jährlichen Rate an Schlaganfällen und systemischen Embolien von 1,7% unter Warfarin und 1,1% unter Dabigatran 150 mg. Das Risiko schwerer Blutungen blieb konstant (jährliche Rate: 3,4% unter Warfarin versus 3,1% unter Dabigatran 150 mg).
  • Unter der 110 mg-Dosierung wird das Risiko für Schlaganfälle und systemische Embolien vergleichbar gut reduziert wie unter gut kontrolliertem Warfarin (jährliche Rate: 1,7% unter Warfarin versus 1,5% unter Dabigatran 110 mg). Die jährliche Rate schwerer Blutungen sank jedoch um 20% von 3,4% gegenüber 2,7%.

Unter beiden Dosen Dabigatran traten zudem signifikant seltener hämorrhagische Schlaganfälle auf. Unter der höheren Dosierung kam es zu einer Reduktion der vaskulären Mortalität.

Dyspepsie als relevante Nebenwirkung

Umfangreich sind auch die Daten zur Sicherheit von Dabigatran. Dabei wurde keine Lebertoxizität beobachtet. Als einzige relevante Nebenwirkung gilt die Dyspepsie, die unter Dabigatran 110 mg und 150 mg signifikant häufiger auftritt als unter Warfarin (11,8% versus 11,3% versus 5,8%). Sie kann etwa bei Patienten mit floridem Ulcusleiden problematisch werden.

Welche Dosierung für welche Patienten?

Nun werden die Studienergebnisse den Zulassungsbehörden vorgelegt. Dabei wird spannend sein, welche Dosierung von Dabigatran für welche Patientengruppe infrage kommt. So wird bei Patienten mit generell erhöhtem Blutungsrisiko die niedrigere Dosierung infrage kommen, so Hohnloser. Möglicherweise lassen sich aus Subgruppenanalysen konkrete Hinweise finden.

 

Quelle

Prof. Dr. Stuart Conolly, Hamilton (Canada); Prof. Dr. Stefan Hohnloser, Frankfurt: Re-Ly: Study of stroke prevention in atrial fibrillation, Barcelona, 30. August 2009, veranstaltet von der Boehringer Ingelheim GmbH & Co. KG, Ingelheim. 

Conolly, S. J.; et al.: Dabigatran versusu warfarin inpatients with atrial fibrillation. N. Eng. J. Med. 361; published online 30. August 2009. 

 


Apothekerin Dr. Beate Fessler

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.