Ernährung aktuell

Wie viel Eiweiß braucht eine Diät?

Seitdem es die Ernährungswissenschaft gibt, wird über die Frage diskutiert, wie eine gesundheitlich optimale Relation der Makronährstoffe Eiweiß, Kohlenhydrate und Fett auszusehen hat. Empfohlen wurde bislang, dass 10 bis 15 Prozent der Gesamtenergie als Eiweiß, 55 bis 60 Prozent als Kohlenhydrate und höchstens 30 Prozent als Fett zugeführt werden sollen. Die Frage, wie der weltweit zunehmenden Adipositas und den daraus entstehenden ernährungsabhängigen Erkrankungen beizukommen ist, hat jedoch zu Verunsicherung hierbei geführt. Gute Argumente sprechen für eine Fettzufuhr im Sinne der obigen Empfehlung. Sind aber rund 60 Energieprozent Kohlenhydrate in jedem Falle empfehlenswert? Das hinterfragen viele Veröffentlichungen der letzten Jahre. Insbesondere das optimale Verhältnis von Kohlenhydraten zu Eiweiß wird durch neuere Befunde interessant. Hierüber soll im Folgenden berichtet werden.
Eiweiß erwünscht Eiweißreiche Lebensmittel sind im Rahmen einer Diät positiv.
Foto: Schweizerische Brotinformation SBI

Bei der Bewertung von verschiedenen Ernährungsformen werden mehrere Stoffwechselreaktionen, die für eine dauerhafte Gesundheit maßgebend sind herangezogen (Tabelle). Je nach Lebensalter oder angestrebtem gesundheitlichen Ziel muss die Frage einer angemessenen Eiweißversorgung im Licht der jeweiligen Stoffwechselsituation betrachtet werden. Dabei kommen folgende Stoffwechselsituationen bzw. Lebensumstände in Betracht:

  • Altersphase
  • Normalisierung eines erhöhten Körpergewichts (Übergewicht und Fettsucht)
  • Stabilisierung eines normalisierten Körpergewichts, das heißt Verhütung eines Wiederanstiegs des Körpergewichts (Jo-Jo-Effekt!)
  • Muskelaufbau bis zum Body Building (worauf hier im Weiteren nicht eingegangen wird).

Bereits in den 1980er Jahren hat Wechsler darauf hingewiesen, dass eine hypoenergetische Diät das Risiko der Einschmelzung von fettfreier Körpermasse birgt. Die fettfreie Körpermasse besteht aus den lebensnotwendigen Hauptkomponenten Muskulatur und Knochen. Beide sind für Mobilität und Standfestigkeit unerlässlich. Zudem ist die Muskulatur der größte Speicher von Eiweiß, der den Körper in Phasen erhöhter Eiweiß-Synthese mit den lebensnotwendigen Aminosäuren versorgen muss. In Wechslers Untersuchungen betrug der Eiweißverlust des Körpers bei 27 fettsüchtigen Patienten während einer vierwöchigen Periode totalen Fastens 1,145 kg. Nur wenn täglich 33 g Eiweiß zugeführt wurde, reduzierte sich dieser Verlust auf 0,44 kg. Als Eiweißquelle wurde Eiklar, das heißt ein Protein mit hohem biologischem Wert verabreicht. Bereits diese wegweisenden Forschungsarbeiten zeigten, dass die Eiweißzufuhr bei jeder Körpergewichtsreduktion eine besondere Aufmerksamkeit verdient. Und so werden kommerziellen Diäten (Formuladiäten) zur Körpergewichtsreduktion seither in aller Regel 0,8 bis 1,5 g hochwertiges Eiweiß pro Kilogramm Körpergewicht und Tag zugesetzt.

Mehr Protein, mehr Gewichtsverlust …

Bei allen Bemühungen zur Körpergewichtsreduzierung dürfen drei Dinge nicht aus dem Auge verloren werden:

  • Führt die verabreichte Kost zu einer nachhaltigen Gewichtsnormalisierung oder ist sie lediglich eine vorübergehende Antwort mit nachfolgendem Wiederanstieg zum Ausgangsgewicht? Diese Frage ist insofern sehr wichtig, als sie darüber entscheidet, ob es zu dem häufig beobachteten frustrierenden Jo-Jo-Effekt bei vielen Übergewichtigen führt.
  • Wie verteilt sich die Gewichtsminderung, die sich auf der Waage zeigt auf die beiden Teilkomponenten Fettmasse und fettfreie Körpermasse? Erstere soll abnehmen, zweitere jedoch so weit wie möglich erhalten bleiben.
  • Wie werden die Risikofaktoren für Diabetes und Herz-Kreislauf-Krankheiten durch das ernährungstherapeutische Vorgehen beeinflusst?

Aus mehreren kontrollierten Interventionsstudien schält sich dazu folgendes Bild heraus. Zum einen war in diesen Studien die Körpergewichtsabnahme umso höher, je größer der Proteinanteil in der verabreichten Diät war. Regelmäßig fand sich dabei, dass der relative Anteil des Fettverlustes umso höher war, je höher der Proteinanteil der jeweiligen Diät war. Diese beiden Befunde lassen sich stoffwechselphysiologisch miteinander verknüpfen, denn je mehr fettfreie Körpermasse erhalten bleibt, umso höher ist der verbleibende – wenn auch in jedem Fall abnehmende – Gesamtenergieverbrauch, da Muskelgewebe mehr Energieumsatz zeigt als die gleiche Menge Fettgewebe. Verständlich wird dadurch auch, dass in mehreren kontrollierten Interventionen mit eiweißreichen Diäten übereinstimmend über einen geringeren Wiederanstieg des Körpergewichts nach Beendigung der intensiven Reduktionsphase berichtet wurde. Man sollte nicht vergessen, dass ein Erhalt der fettfreien Körpermasse auch durch körperliche Aktivität gefördert wird. Auch gaben die Personen, die eine Diät höheren Eiweißanteils verzehrten mehr Sättigungsgefühl und weniger Hunger an als diejenigen, die stattdessen mehr Kohlenhydrate verzehrten. Dadurch lässt sich erklären, warum auch der Gesamtenergieverzehr unter einer proteinreichen Diät niedriger lag. Nebenbei gesagt könnte dies auch eine Erklärung dafür sein, warum in den letzten Jahren über überdurchschnittliche Gewichtsabnahmen unter sogenannten Low-Carb-Diäten berichtet wurde – sind doch solche Low-Carb-Diäten in aller Regel durch einen höheren Proteingehalt bei niedrigem Kohlenhydratanteil gekennzeichnet.

… und weniger Risikofaktoren

Das Risiko für Herz-Kreislauf-Krankheiten – also vor allem atherosklerotische Durchblutungsstörungen wie Herzinfarkt und Schlaganfall – wird durch Veränderungen wie Blutdruckanstieg, erhöhte Blutfette (Cholesterol und Triglyceride) und einen gestörten Kohlenhydratstoffwechsel begünstigt. Besonders ungünstig ist es, wenn alle diese Faktoren im sogenannten Metabolischen Syndrom zusammenwirken. Besonders nachteilig auf die Kreislauffunktion wirkt sich der Diabetes mellitus aus, der sich häufig aus dem Metabolischen Syndrom entwickelt.

In zahlreichen kontrollierten Ernährungsversuchen wurde übereinstimmend gezeigt, dass Diäten mit hohem Proteingehalt (und dementsprechend moderatem Kohlenhydratanteil) vorteilhafte Wirkungen auf eine Reihe von Risikofaktoren ausübten. Am deutlichsten fielen die Triglyceride im Blut ab bei gleichzeitigem Anstieg der schützenden HDL-Fraktion. Die LDL-Fraktion zeigte eine Verschiebung von den kleinen dichten atherogenen zu den weniger schädlichen großen Formen. Darüber hinaus geben epidemiologische und kontrollierte Interventionsstudien deutliche Hinweise darauf, dass eine Steigerung des Proteinverzehrs mit einem Abfall des Blutdrucks einhergeht.

Eiweißreich – niedrige Energiedichte

Die Energiedichte einer Mahlzeit errechnet sich aus dem Verhältnis von Energiegehalt zum Volumen. 180 g unpaniertes Schnitzel mit 200 kcal hat also eine Energiedichte von 1,1 kcal/g, 200 g Leberkäse mit 600 kcal eine Energiedichte von 3,0 kcal/g. Beim Verzehr von Schnitzel stellt sich wegen einer früheren Magenfüllung (größeres Volumen) eher ein Sättigungsgefühl ein als durch den Leberkäse. Mit anderen Worten: niedrige Energiedichte = mehr Sättigung = weniger Gesamtenergieverzehr = weniger Risiko für ein Übergewicht.

In diesem Zusammenhang ist wichtig, dass häufig verzehrte eiweißreiche Grundnahrungsmittel wie magere Milchprodukte, mageres Fleisch und viele Fischarten eine Energiedichte aufweisen, die unter 1,5 kcal/g und damit unter der Grenze liegt, die im Interesse einer Verhütung des Übergewichtes nicht überschritten werden sollte (Schusdziarra u. Hausmann, 2007). Insofern lässt sich auf der Grundlage solch eiweißreicher Grundnahrungsmittel eine Kost komponieren, die auch wegen einer erwünscht niedrigen Energiedichte einen zusätzlichen Beitrag zur Verhütung einer Gewichtszunahme leistet.

Überflüssig zu sagen, dass dafür diese Lebensmittel als Magerprodukte eingekauft und fettsparend zubereitet werden müssen.

Wie viel Eiweiß und in welcher Form?

Da die Deutsche Gesellschaft für Ernährung einen Eiweißverzehr von bis zu 2,0 g/kg Körpergewicht und Tag für Gesunde als unbedenklich eingestuft hat, ist eine solche Verzehrsmenge in Form von mageren Milchprodukten (Milch, fermentierte Milchprodukte, Quark, Frischkäse), schierem Fleisch und Geflügel, Leguminosen (Bohnen und Erbsen) und Fisch zu empfehlen. Wenn dieses Ziel (z. B. durch Krankheit, Gebrechlichkeit oder hohes Alter) nicht erreicht wird, sollte ein eiweißreiches Supplement in Erwägung gezogen werden.

Fazit

Neuere Erkenntnisse der Stoffwechsel- und Ernährungsforschung legen nahe, die von internationalen und deutschen wissenschaftlichen Gremien für Gesunde als unbedenklich eingestuften Eiweißmengen von bis zu 2,0 g/kg Körpergewicht und Tag zu empfehlen. Eine solch moderat erhöhte Eiweißzufuhr ist besonders bei der Gewichtsreduktion und der Verhütung des Wiederanstiegs des Körpergewichts nach einer solchen Maßnahme zu beachten. Eine höhere Eiweißzufuhr in diesem Sinne hat sich zudem als nützlich für die Minderung des Risikos für Herz-Kreislauf-Krankheiten und Diabetes erwiesen.

 

Weiterführende Literatur

Layman, D K et al, Protein in optimal health: heart disease and type 2 diabetes. Am J Clin Nutr 2008, 87(suppl) 1571S-5S

Weigle, DS et al, A high-protein diet induces sustained reductions in appetite, and ad libitum caloric intake, and body weight, despite compensatory changes … Am J Clin Nutr 2005, 82:41-8

Appel et al, Effect of protein, monounsaturated fatty acids and carbohydrates on blood pressure. JAMA 2005, 294 (19) 2455- 64

Schusdziarra,V , Hausmann,M, Satt essen und abnehmen, mmi Verlag, Neu-Isenburg 2007

 

 

Autor 

Prof. Dr. Christian A. Barth, 

München 

barth@dife.de

 

 

Tabelle: Kriterien für die Beurteilung von Makronährstoffrelationen
gesundheitliches Ziel
zu vermeiden
zu beachten
Gewichts-
normalisierung
Verlust an Muskulatur und Knochen
Langfristig Gebrechlichkeit im Alter
Gewichts-
normalisierung
Jo-Jo-Effekt
Führt zu therapeutischem Nihilismus bei Patient und Arzt
Muskelmasse und
-kraft
Sarkopenie
Bedeutsam für
Osteoporose
Gesunder Kohlenhydratstoffwechsel
Insulinresistenz
Risiko für
Altersdiabetes
Gesunde Blutgefäße
Kleine dichte
atherogene LDL
Abfall der HDL
Risiko für Herzinfarkt und Schlaganfall
Gesunder Kreislauf
Hoher Blutdruck
Bahnt der Atherosklerose den Weg

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