Arzneimittel und Therapie

Neues Applikationssystem und Betreuungsprogramm

Beta-Interferone werden bei der multiplen Sklerose möglichst frühzeitig eingesetzt, um die Schwere und Frequenz der Krankheitsschübe zu verringern und den progressiven Verlauf aufzuhalten. Für Interferon beta 1b (z. B. Betaferon®) gibt es jedoch Hinweise darauf, dass ohne spezielle, individualisierte Betreuung mehr als 50% der Patienten die Therapie innerhalb von zwei Jahren abbrechen.
Injektomaten Patientenfreundliche vollautomatische 3-Phasen-Injektionstechnik mit akustischen und optischen Signalen. Die Kanüle bleibt während des gesamten Injektionsvorganges für den Patienten unsichtbar.

Über die Hälfte der Abbrüche finden dabei in den ersten drei Monaten nach Therapiebeginn statt. Dies hat den Nachteil, dass Therapiechancen, die die langfristige Prognose der Erkrankung verbessern helfen können, nicht ausreichend genutzt werden. Moderne Patientenbetreuungs-Strategien können dazu beitragen, die Therapietreue (Adhärenz, siehe Kasten) der Patienten zu verbessern.

Unterstützung durch Betreuungsprogramme

Eine Möglichkeit zur Förderung der Adhärenz sind spezielle, auf die Bedürfnisse der MS-Patienten abgestimmte Betreuungsprogramme. Ein solches Programm mit der Bezeichnung Betaplus® wird Patienten angeboten, die mit dem Interferon beta 1b Betaferon® behandelt werden. Es handelt sich dabei um ein großes und umfassendes Betreuungsprogramm mit derzeit etwa 10.350 Patienten (Stand Dezember 2008).

Kernpunkte des Betreuungsprogramms sind:

  • regelmäßige Hausbesuche und Telefonkontakte durch speziell geschulte Schwestern bzw. Betreuer
  • gebührenfreie Telefonberatung durch Mitarbeiter und Krankenschwestern eines Serviceteams
  • medizinische Telefon-Hotline (Tel. 0214-305 13 48) für Fragen zur multiplen Sklerose und der Therapie mit Interferon beta 1b
  • Website mit tagesaktuellen Informationen sowie Foren für Erfahrungsaustausch und Diskussion (www.ms-gateway.de)
  • umfangreiche Informationsmaterialien (Magazin "lidwina", Broschüren, DVD, Newsletter, Vortragsmaterialien für Patientenveranstaltungen).

Bundesweit gibt es 60 speziell für dieses Betreuungsprogramm ausgebildete Schwestern und Betreuer. Während der Arzt Ansprechpartner für therapeutische Entscheidungen ist, hilft die Schwester oder der Betreuer den Patienten beim Erlernen der richtigen Injektionstechnik und unterstützt sie darüber hinaus bei der Krankheitsbewältigung, insbesondere bei den vielen alltäglichen Problemen und Fragen, die eine multiple Sklerose mit sich bringen kann. Diese reichen von Partnerschaftsproblemen, Schwierigkeiten im sozialen und beruflichen Umfeld bis hin zu Themen wie Umgang mit einer Behinderung oder einer Frühberentung. In vielen Fällen entwickelt sich während dieser Betreuung ein sehr persönliches, vertrauensvolles Verhältnis zwischen MS-Patienten und Schwestern bzw. Betreuern. Das Programm zeigt messbare Erfolge: Erhebungen über 24 Monate haben eine Abbrecherrate von nur 9% bei Patienten mit multipler Sklerose, die an diesem Betreuungsprogramm teilnahmen, gezeigt.

Adhärenz statt Compliance

Der Begriff Compliance wird heute zunehmend durch den Begriff Adhärenz ersetzt. Der Grund: Compliance bedeutet ein passives Befolgen von Therapieanweisungen und steht daher für ein eher "paternalistisches" Arzt-Patienten-Verhältnis. Die Mehrzahl der Patienten wünscht sich heute jedoch eine gute Aufklärung über ihre Erkrankung und deren Behandlungsmöglichkeiten sowie eine gemeinsame Entscheidungsfindung (shared desicion making). Adhärenz steht für ein aktives Befolgen von Therapieempfehlungen aufgrund dauerhafter Überzeugung. Der informierte Patient übernimmt eine aktive Rolle beim Umgang mit seiner Erkrankung, was zwangsläufig mit einem höheren Aufklärungs- und Betreuungsaufwand verbunden ist.

Nebenwirkungsmanagement fördert die Adhärenz

Wie bei jeder wirksamen Behandlungsform können auch bei der Interferontherapie unerwünschte Wirkungen auftreten. Die unter Interferon beta 1b am häufigsten beobachteten Nebenwirkungen sind grippeähnliche Symptome (z. B. Fieber, Schüttelfrost, Schwitzen, Kopf- oder Muskelschmerzen) und Reaktionen an der Injektionsstelle (z. B. Rötung, Schwellung, Entzündung, Schmerz). Im Rahmen des Betreuungsprogramms wird der Patient durch den Arzt und die Schwester bzw. den Betreuer auf diese unerwünschten Wirkungen vorbereitet und bekommt darüber hinaus Möglichkeiten zur Linderung der Beschwerden an die Hand. So lassen sich die grippeähnlichen Symptome durch die Einnahme von Ibuprofen oder Paracetamol gut beherrschen. Außerdem haben kontrollierte Studien mit dem Interferon-beta-1b-Präparat Betaferon® gezeigt, dass sich die Wahrscheinlichkeit des Auftretens grippeähnlicher Symptome durch eine langsame Aufdosierung deutlich senken lässt. Die Behandlung wird daher in der Regel zunächst mit einem Viertel der wöchentlichen Dosis begonnen und dann langsam gesteigert.

Auf die richtige Injektionstechnik kommt es an

Das Risiko von Reaktionen an der Injektionsstelle kann durch eine optimale Injektionstechnik vermindert werden. Zur Verabreichung von Betaferon® wurden die beiden Injektomaten Betaject® Comfort und Betaject® Lite entwickelt, die als besonders patientenfreundlich gelten. Im Gegensatz zu anderen Systemen enthalten sie eine deutlich dickere und griffigere Spritze sowie die dünnste bislang für Injektomaten verfügbare Kanüle. Die Verabreichung erfolgt vollautomatisch per Knopfdruck, wobei ein akustisches Signal das Ende der Injektion anzeigt. Die Kanüle wird anschließend vom Injektomaten gesteuert zurückgezogen und bleibt somit während des gesamten Injektionsvorganges für den Patienten unsichtbar.

Quelle

Priv.-Doz. Dr. med. Karl Baum, Hennigsdorf; Carola Büther, Hennigsdorf; Prof. Dr. Theodor Dingermann, Frankfurt; RA Jörg Hohmann, Hamburg: "Der Patient in Spannungsfeld der MS-Substitutionstherapie", Berlin, 31. März 2009, veranstaltet von der Bayer HealthCare GmbH, Leverkusen.

Apothekerin Claudia Bruhn

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