Arzneimittel und Therapie

Frühe Immuntherapie versus konservative Behandlung

In einer belgischen Studie wurden mit einer frühen kombinierten Immuntherapie des Morbus Crohn bessere Ergebnisse erzielt als unter der konventionellen Behandlung. Sollten diese Resultate in weiteren Untersuchungen bestätigt werden, könnte sich der Behandlungsalgorithmus bei Patienten mit Morbus Crohn ändern.

Gängige Leitlinien sehen zur Initialbehandlung eines Morbus Crohn für die meisten Patienten eine Glucocorticoidtherapie vor. In der Regel erfolgt so eine rasche Symptomkontrolle, die allerdings nicht immer von Dauer ist, da Resistenzen und Abhängigkeiten auftreten können. Ein weiterer Nachteil der Corticoidtherapie ist die Entwicklung eines Morbus Cushing, der mit einem erhöhten Mortalitätsrisiko einhergeht. Daher wechseln die meisten Kliniker nach einer gewissen Zeit auf Immunsuppressiva wie Azathioprin oder Methotrexat bzw. auf Antimetaboliten wie etwa Mercaptopurin. Diese Substanzen sind allerdings nur moderat wirksam, und nach einer gewissen Zeit ist eine erneute Cortisongabe erforderlich. Therapien mit TNF-Antagonisten wie etwa Infliximab (Remicade®) sind Patienten vorbehalten, bei denen Corticoide, Immunsuppressiva und Antimetaboliten nicht mehr wirksam sind. Erfahrungen aus der Therapie der rheumatoiden Arthritis – einer Erkrankung, die viele Gemeinsamkeiten mit dem Morbus Crohn aufweist – deuten darauf hin, dass der frühzeitige Einsatz von Infliximab auch beim Morbus Crohn hilfreich sein könnte. Um diese Vermutung zu verifizieren, wurde eine Studie durchgeführt, in der die konventionelle Therapie mit der frühen kombinierten Immuntherapie verglichen wurde.

TNF-Antagonisten


Der Tumornekrosefaktor alpha (TNF α) ist ein Mediator entzündlicher Prozesse. Das proinflammatorische Zytokin aktiviert viele Entzündungsgene und hält so inflammatorische Prozesse in Gang. Daher erscheint eine Blockade des Tumornekrosefaktors als sinnvoller Ansatz, um inflammatorische Vorgänge zu unterbinden. TNF-α-Blocker werden bei unterschiedlichen Erkrankungen wie Psoriasis, rheumatischen Erkrankungen und bei Morbus Crohn eingesetzt. Bislang sind in Deutschland zur Therapie des Morbus Crohn nur die TNF-Blocker Infliximab (Remicade®) und Adalimumab (Humira®) zugelassen. Ein neuer Vertreter dieser Wirkstoffgruppe ist Certolizumab (Cimzia™; FDA-Zulassung).

Früher Einsatz von Infliximab

An der zweijährigen, multizentrischen und randomisierten Open-label-Studie nahmen 133 Patienten teil, bei denen während der letzten vier Jahre ein Morbus Crohn diagnostiziert worden war und die zur Zeit weder mit Corticoiden, noch mit Immunsuppressiva oder Infliximab behandelt wurden. Sie wurden zwei Gruppen zugeteilt und erhielten eine der folgenden Therapien:

  • Kombinierte Immuntherapie (67 Probanden): Drei Infusionen von Infliximab (5 mg/kg Körpergewicht) in den Wochen 0, 2 und 6 sowie täglich Azathioprin (2 bis 2,5 mg/kg Körpergewicht) für die gesamte Studiendauer. Bei einer Unverträglichkeit auf Azathioprin wurde auf Methotrexat gewechselt. Beim akuten Schub konnten zusätzlich Infliximab oder Corticosteroide gegeben werden.

  • Konventionelle Therapie (66 Patienten): Corticosteroide (Methylprednisolon oder Budesonid) gefolgt von Azathioprin und dann Infliximab.

Der primäre Studienendpunkt war eine ohne Corticoide und ohne Darmoperation erzielte Remission in den Wochen 26 und 52.

Tödliche Pilzinfektionen durch TNF-Blocker


Für Wirkstoffe gegen den Tumornekrosefaktor alpha wurden die Hinweise in den Fachinformationen von Seiten der amerikanischen Food and Drug Administration (FDA) verschärft, nachdem mehrere Erkrankungen an invasiven Pilzinfektionen bekannt wurden, die teilweise nicht erkannt und deshalb nicht rechtzeitig behandelt wurden, was mehrfach zum Tod des Patienten geführt hat. Es muss künftig deutlicher als bisher vor den Infektionsrisiken gewarnt werden.

Die FDA bezeichnet die TNF-Blocker Infliximab (Remicade®), Etanercept (Enbrel®), Adalimumab (Humira®) und Certolizumab (in USA Cimzia®), die zur Behandlung der rheumatoiden Arthritis und anderer Autoimmunerkrankungen eingesetzt werden, als Immunsuppressiva und stellen sie damit auf eine ähnliche Ebene wie die Medikamente, die nach Organtransplantationen Abstoßungsreaktionen verhindern sollen. Wie bei diesen klassischen Immunsuppressiva besteht bei den TNF-Blockern prinzipiell ein erhöhtes Risiko für invasive Pilzinfektionen wie Histoplasmose, Kokzidioidomykose, Blastomykose, Aspergillose, Candidiasis und andere opportunistische Infektionen. Die FDA hofft, das Problembewusstsein der Ärzte zu steigern. Diese sollen ihre Patienten nach Symptomen wie Fieber, Abgeschlagenheit, Gewichtsverlust, Schwitzen oder Husten befragen und intensiv auf mögliche Zeichen invasiver Pilzinfektionen untersuchen. Bei Verdacht auf eine Infektion sollten die TNF-Blocker abgesetzt werden.


[Quelle: FDA: Manufacturers of TNF-Blocker drugs must highlight risk of fungal infections. Pressemitteilung der FDA vom 4. September 2008.]

Höhere Remissionsraten unter früher Immuntherapie

Nach einem halben Jahr befanden sich 60% der Patienten, die eine kombinierte Immuntherapie erhalten hatten, in der Remission, die ohne Corticoide oder chirurgische Eingriffe erzielt wurde. Unter der konventionellen Therapie war dies nur bei 35,9% der Probanden der Fall (das bedeutet eine absolute Differenz von 24,1%; p = 0,0062). Nach einem Jahr lagen die entsprechenden Raten bei 61,5% bei der kombinierten Immuntherapie und bei 42,2% unter der konventionellen Behandlung (absolute Differenz 19,3; p = 0,0278). Die Rate starker Nebenwirkungen lag unter der kombinierten Immuntherapie bei 30,8%, unter der konventionellen Therapie bei 25,3% (p = 1,0).

Die Studienautoren folgern aus diesen Ergebnissen, dass eine kombinierte, frühe Immuntherapie zu höheren Remissionsraten und einem geringeren Verbrauch an Corticosteroiden führt als die herkömmliche Behandlung. Der frühzeitige Beginn einer intensiven Immuntherapie könnte somit auch zu besseren Langzeitprognosen führen.

In einem Begleitkommentar wird auf eine weitere Studie hingewiesen, deren Ergebnisse in der zweiten Hälfte dieses Jahres erwartet werden. In dieser Studie (Sonic-Studie = Study of biological and immunomodulator naive patients in Crohns disease) werden bei 500 Patienten mit frühem Morbus Crohn Monotherapien mit Azathioprin oder Infliximab mit der Kombinationstherapie (Azathioprin und Infliximab) verglichen. Sollte sich auch in dieser Studie ein Benefit für die frühe Kombinationstherapie zeigen, könnte sich dies auf den Behandlungsalgorithmus auswirken.


Quelle

D`Haens G., et al.: Early combined immunosuppression or conventional management in patients with newly diagnosed Crohn`s disease: an open randomised trial. Lancet 2008; 371: 660-667

Sandborn W.: Initial combination therapy in early Crohns disease. Lancet 2008; 371: 635-636


Apothekerin Dr. Petra Jungmayr

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