Kongresse

ESCP-Symposium in Istanbul

Klinische Pharmazie kommt international voran

Die klinische Pharmazie findet in der öffentlichen Apotheke mehr und mehr Eingang. Dies zeigte das 36. Symposium der European Society of Clinical Pharmacy (ESCP), das vom 25. bis 27. Oktober mit rund 800 Teilnehmern in Istanbul stattfand. Das Hauptthema war die Implementierung der klinischen Pharmazie im Krankenhaus und in der öffentlichen Apotheke.

Eine Vielzahl der in Vorträgen und Postern vorgestellten Projekte wurde von öffentlichen Apotheken durchgeführt. Und damit sei man auf dem richtigen Weg, die Wahrnehmung des Apothekers in der Öffentlichkeit– "vom Kaufmann und Schubladenzieher hin zum Arzneimittelfachmann" – zu verändern, sagte Mehmet Domac, der türkische Präsident des Symposiums, in seiner Eröffnungsrede.

Spezielle Ausbildung und Fortbildung

Während des Kongresses boten die Referenten einen Einblick in die Entwicklung in diesem Bereich in den jeweiligen Ländern. Das Gastland, die Türkei, hat in den letzten Jahren sowohl einen Master-Studiengang (M. Sc.) als auch die Promotion (Ph. D.) im Fach Klinische Pharmazie eingeführt. Das Curriculum des Pharmaziestudiums an den Universitäten Marmara, Istanbul und Hacettepe (in Ankara) wurde in den 1990er-Jahren durch die Klinische Pharmazie erweitert. Eine direkte Zusammenarbeit mit einzelnen Stationen an den Universitätskrankenhäusern dieser Städte findet bereits statt. Das Fortbildungsangebot im Bereich Klinische Pharmazie wird von den türkischen Kollegen gut angenommen; alleine in den letzten vier Jahren haben sich etwa tausend Apotheker auf diesem Gebiet fortgebildet.

Soweit ist man in Norwegen noch nicht, dort wird voraussichtlich ab 2008 an der Universität Oslo ein Master-Studiengang angeboten werden. Doch auch dort hat sich die Klinische Pharmazie im Krankenhaus ausgebreitet. Kirsten Viktil, Krankenhausapothekerin in Oslo, berichtete von mehreren Projekten der Pharmaceutical Care bei Patienten mit Asthma oder Diabetes.

Betreuung von entlassenen Patienten

In Schottland dagegen stehen Krebspatienten besonders im Mittelpunkt. Julie Fisher, Krankenhausapothekerin in Edinburgh, erklärte, dass dort noch kein einheitliches System zur Weiterversorgung der aus dem Krankenhaus entlassenen Patienten durch den Offizinapotheker besteht. Zur Versorgung von Krebspatienten hat das Edinburgh Cancer Centre aber ein entsprechendes Konzept erarbeitet und umgesetzt. Der Offizinapotheker erhält vom Cancer Centre ein zweiseitiges Dokument, das ihn über die Chemotherapie und die Begleittherapie des Patienten informiert. So kann er den Patienten umfassender über die Wirkungen und Nebenwirkungen der Arzneitherapie aufklären, die Compliance überwachen und insgesamt besser betreuen. Idealerweise fände dieser Austausch an Informationen auch in die andere Richtung statt. Dies wäre durch einen elektronischen Datentransfer zu ermöglichen, ist bisher jedoch nicht realisiert.

Bereits seit zehn Jahren werden in Frankreich Nierenpatienten erfolgreich betreut. Das System umfasst eine monatliche Verordnungsanalyse durch die Apotheker im Krankenhaus, die sich auch am Drug Monitoring beteiligen, hierbei insbesondere im Falle der Gabe von Epoetin alfa und von Antihypertensiva. Die Apotheker befragen die Patienten direkt und erstellen einen Pharmaceutical Care Plan, den sie ständig der aktuellen Situation des Patienten anpassen.

Klinische Pharmazie stärken

Dass mit der Implementierung der klinischen Pharmazie auch neue Herausforderungen auf den Apotheker zukommen, machte die Schweizer Referentin deutlich: Nach der Definition der WHO ist ein Apotheker nicht nur ein Arzneimitteldistributor, sondern Manager, Lehrer, Lernender, Kommunikator, Entscheidungstreffer, Führungsperson und Patientenbetreuer. Kernelemente dieses "seven stars pharmacist" sind Kommunikation, Fachkompetenz sowie das Formulieren und Erreichen von therapeutischen Zielen. Doch in Europa ist der Apotheker immer noch hauptsächlich mit der Distribution der Arzneimittel beschäftigt. Anders in den USA: Dort ist der Apotheker schon längst zum direkten Patientenbetreuer geworden. So ist es auch nicht verwunderlich, dass europäische Apotheker gern dort ihr Fachwissen in klinischer Pharmazie gewinnen. In Zukunft müsse man sich zur Stärkung der klinischen Pharmazie besonders auf die Vergütung der Leistung, neue Ausbildungsstandorte, lokale Unterstützung, und eine engere Zusammenarbeit der Fakultäten mit den Krankenhäusern konzentrieren, schlug von Gunten vor.

Auch Marcel Bouvy aus den Niederlanden legte dar, dass die Arbeit in der Apotheke weit über das reine Verkaufen hinausgeht. Der Apotheker erhöht die Arzneimittelsicherheit und macht sich dadurch auch ökonomisch nützlich. Schließlich ist er der Letzte, der vor der Anwendung des Arzneimittels noch intervenieren kann. Durch weitere Studien soll in Zukunft der "Mehrnutzen" des klinisch-pharmazeutisch kompetenten Apothekers noch besser dargestellt werden.

Workshops

Praktische Workshops rundeten das Symposium ab. Deren Bandbreite umfasste alle Bereiche von Universität bis Arzneimittelwirkung. Steve Hudson und John McAnaw, University of Glasgow, erörterten, wie Apotheker mehr Kompetenz bei der Patientenbetreuung erlangen können. Ein wichtiges Thema ist die Transmural Pharmacy, also die pharmazeutische Betreuung von Patienten, die gerade aus dem Krankenhaus entlassen wurden. So wäre es wünschenswert, wenn Apotheker in der öffentlichen Apotheke das Monitoring der neuen Medikamente übernehmen, doch fragt sich, ob sie dieser Aufgabe schon gewachsen sind.

Im Workshop von Ann Snyder, University of Florida, und Maira Kinnear, Großbritannien, wurden Bewertungsbögen für Studenten erarbeitet. Die abgefragten Punkte sollen eine möglichst differenzierte Bewertung des klinischen Apothekers mit allen Aspekten, besonders der Kommunikation und dem Erfassen von Problemen bei der Medikation, ermöglichen. Die Bögen können dem Studenten die an ihn gestellten Erwartungen verdeutlichen und später auch zu seiner Beurteilung verwendet werden.

Auch die Pharmakologie, ein klassisches Feld der Pharmazie, war ein Thema. Sule Apikoglu Rabus und Philip Martin aus der Türkei machten auf die vielfältigen Wechselwirkungen von synthetischen Medikamenten mit pflanzlichen Arzneimitteln aufmerksam. In Gruppen wurden anhand von Fallbeispielen Medikamenten-Reviews mit den jeweiligen Interaktionen erarbeitet.

Neben wissenschaftlichen Informationen rund um die Arzneimitteltherapie war der Kongress eine Plattform, um auf internationaler Ebene etwas voneinander zu lernen, die Konzepte anderer Länder zu verstehen und dadurch auch Ideen für das eigene Land mit nach Hause zu nehmen.

Martina Hahn, PharmD (UFL)

MartinaHahn@gmx.de

Orientalisches Ambiente Zwei tanzende Derwische umrahmten die Leinwand auf dem Podium.

Foto: Hahn

Internationaler Erfahrungsaustausch vor der Kulisse des Marmarameers.

Foto: Hahn

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