EU-Verordnung zu Kinderarzneimitteln in Kraft getreten

BERLIN (ks). Am 26. Januar ist die EU-Verordnung zu Kinderarzneimitteln in Kraft getreten. Bislang sind viele der in der Kinderheilkunde verwendeten Arzneimittel für die Behandlung von Kindern und Jugendlichen nicht ausreichend klinisch geprüft oder speziell für diese zugelassen. Dies soll sich mit der neuen Verordnung, die ab sofort unmittelbar in jedem EU-Mitgliedstaat gilt, ändern.
Arzneimittel sollen künftig eigens für Kinder und Jugendliche zugelassen werden

"Die Verordnung ist ein wichtiger Schritt zur gesicherten Versorgung der Kinder mit Arzneimitteln", erklärte Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt in der vergangenen Woche. Sie vergrößere die Sicherheit bei der Anwendung und erhöhe die Zahl der Arzneimittel, die für Kinder und Jugendliche behördlich zugelassen sind. "Fehldosierungen können vermieden werden, die gesetzliche Krankenversicherung kann diese Arzneimittel problemlos erstatten", so Schmidt.

Ziel der Verordnung ist, dass verstärkt Arzneimittel für Kinder und Jugendliche entwickelt und für die Anwendung bei dieser Patientengruppe eigens zugelassen werden. Gleichzeitig sollen durch die Einführung EU-weit geltender einheitlicher Vorgaben Hindernisse im innergemeinschaftlichen Handel mit Kinderarzneimitteln beseitigt werden. Um dies zu erreichen, werden Phar-maunternehmen Verpflichtungen auferlegt und Anreize gesetzt. So muss ein Zulassungsantrag für ein neues Medikament künftig die Ergebnisse klinischer Studien an Kindern und Jugendlichen enthalten, es sei denn, das Arzneimittel ist für die Anwendung an Kindern und Jugendlichen nicht geeignet. Die Anforderungen an die klinische Prüfung sind in einem pädiatrischen Prüfkonzept niederzulegen, das einem bei der Europäischen Arzneimittelagentur eingerichteten Ausschuss zur Billigung vorgelegt werden muss. Hier fällt sodann die Entscheidung, für welche Altersgruppen ein Medikament entwickelt werden soll. Ausgenommen von den neuen Anforderungen sind homöopathische und traditionelle pflanzliche Arzneimittel.

Als Ausgleich für diese neuen Anforderungen werden den Herstellern Anreize und Vergünstigungen in Form von verlängerten Schutzfristen bei der Vermarktung gewährt. Auch bei Arzneimitteln, die bereits auf dem Markt sind, können solche Vorteile eingeräumt werden, wenn ihre Anwendbarkeit bei Kindern und Jugendlichen nachträglich auf der Basis eines pädiatrischen Prüfkonzepts belegt wird. Für die Förderung der Zulassungen von Generika für Kinder und Jugendliche sind Finanzhilfen der EU vorgesehen. Arzneimittel, die speziell für die Anwendung bei Kindern und Jugendlichen zugelassen wurden, sollen zudem ein besonderes Symbol auf der Verpackung erhalten.

Zuspruch bei der forschenden Industrie

Die pharmazeutische Industrie begrüßte die neue EU-Verordnung grundsätzlich. Cornelia Yzer, Hauptgeschäftsführerin des Verbands Forschender Arzneimittelhersteller (VFA), sprach von einem "guten Kompromiss zwischen Fordern und Fördern". Sie zeigte sich optimistisch, dass die forschenden Pharmaunternehmen künftig erheblich mehr Medikamente für Kinder und Jugendliche entwickeln werden. Schon heute brächten sie jährlich rund 20 Kinderarzneimittel heraus, so Yzer, doch "in wenigen Jahren dürften es dreimal so viele sein". Die VFA-Chefin ist überzeugt, dass in den nächsten Jahren viele Lücken der Kinderapotheke – etwa bei Rheuma, Krebs, verschiedenen Herz-Kreislauf- und Stoffwechselerkrankungen – geschlossen werden können. Sie rechnet damit, dass der neue Ausschuss für Kinderarzneien bei der EMEA schon in diesem Jahr mehr als 200 Vorschläge für Arzneimittelstudien mit Kindern erhalten dürfte. Hinzu kämen rund 160 Anträge auf wissenschaftliche Beratung im Hinblick auf Kinderstudien.

Bedenken bei Generikaherstellern

Die stellvertretende Hauptgeschäftsführerin des Bundesverbands der Pharmazeutischen Industrie (BPI), Barbara Sickmüller, betonte, dass es der "Unterstützung aller gesellschaftlichen Kräfte" bedürfe, um die nun von den Pharmaherstellern geforderten überwachten klinischen Studien bei Kindern durchführen zu können. Obwohl diese Arzneimittelstudien an klare Bestimmungen gebunden seien, sei es verständlich, wenn Eltern Ängste hätten, ihre Kinder hieran teilnehmen zu lassen. Nötig sei daher eine "sachliche öffentliche Diskussion zu den tatsächlichen Risiken und Vorteilen von Arzneimittelstudien", so Sickmüller.

Sie warnte zudem davor, die in der EU-Verordnung vorgesehene – grundsätzlich positive – Förderung bei der Beforschung bekannter Wirkstoffe ins Leere laufen zu lassen. Dies würde geschehen, wenn die Politik diese speziell für Kinder zugelassenen Arzneimittel dem Festbetragsystem unterwerfen würde. "Die Politik muss hier den Innovationsgrad dieser Arzneimittel anerkennen und entsprechend unterstützen", so Sickmüller. Ansonsten würde eine von der Industrie finanzierte Beforschung von bekannten Wirkstoffen konterkariert..

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