Gesundheitsversorgung der Zukunft jetzt gestalten

berlin (ks). Der Kieler Gesundheitsexperte Fritz Beske hat die Politik angemahnt, die Zukunft der Gesundheitsversorgung tatkräftig zu gestalten. Die Veränderung der Altersstruktur in Deutschland sei unaufhaltsam und werde besonders die künftigen Generationen finanziell und personell stark belasten. Was im Jahr 2050 auf uns zukommt, legt Beske in der jüngsten Studie seines Instituts für Gesundheits- und Systemforschung dar.

IGSF stellt Prognose zur Gesundheitsversorgung 2050 vor

"Es liegt an uns, ob wir die Zukunft sich selbst überlassen oder den Versuch unternehmen, sie zu erfassen, zu gestalten und steuernd auf die Entwicklung einzuwirken", betonte Beske bei der Vorstellung der Studie am 20. September in Berlin. Und dass es besser wäre, zur Tat zu schreiten, macht Beske an Zahlen deutlich. So wird die Bevölkerung in Deutschland bis zum Jahr 2050 von 82,3 auf 68,8 Mio. abnehmen. Der Anteil der über 65-Jährigen an der Gesamtbevölkerung wird bis dahin ein Drittel betragen (2000: 16,6%). Zugleich werden altersbedingte Erkrankungen zunehmen. Besonders dramatisch wird sich Beske zufolge die Zahl der Demenz-Patienten entwickeln: Sind heute noch rund eine Mio. Personen betroffen, so werden es 2050 bereits 2,1 Mio. sein. Auch die Volkskrankheit Diabetes wird sich weiter ausbreiten: Von 3,8 Mio. Patienten im Jahr 2000 auf 4,9 Mio. 2050. Die Zahl der Schlaganfälle wird sich laut Beskes Prognose verdreifachen – auf 300.000 neue Fälle jährlich. Dies hat höhere Krankheitskosten zur Folge: Sie werden laut igsf-Studie um 47% von 2658 auf 3895 Euro pro Einwohner und Jahr steigen. In der Pflege ist eine dramatische Entwicklung absehbar: So werde sich die Zahl der Pflegebedürftigen um 118% von 2 Mio. auf 4,4 Mio. erhöhen – der Bedarf an Pflegepersonal werde um 150% steigen. Die Leistungsausgaben der Pflegeversicherung sieht Beske um rund 134% auf 38,3 Mrd. Euro ansteigen. Der Gesundheitsforscher betonte, dass seine Zahlen "exakt gerechnet" und "nicht angreifbar" seien. Sie stützen sich auf die Bevölkerungsvorausberechnung des Statistischen Bundesamtes.

Beske sorgt sich vor allem um die heute 30-Jährigen. Sie müssten nicht nur die Lasten der geburtenstarken Jahrgänge tragen, sondern auch für ihre eigene Gesundheit und Pflege privat vorsorgen. Für Beske ist auch eine "Prioritätensetzung" von Leistungen unumgänglich. Denn mit Beiträgen allein werden die Bedürfnisse nicht mehr zu finanzieren sein. Selbst wenn man den medizinischen Fortschritt nicht einberechnet, wird sich der Studie zufolge der GKV-Beitragssatz von heute 14,2% auf dann 17,5% erhöhen. Rechnet man lediglich ein Prozent fortschrittsbedingte Teuerung ein, liegt er bereits bei 27%.

Abschied vom "Rundum-Happy-Paket"

Dass medizinischer Fortschritt nicht zwingend zu Mehrkosten führen muss, betonte der Vorstandsvorsitzende der AOK Schleswig-Holstein, Dieter Paffrath. Der Co-Autor des Arzneiverordnungsreportes betonte, dass es etwa im Arzneimittelmarkt zu Kostenersparnissen komme, wenn innovative Wirkstoffe nach Patentablauf generisch verfügbar werden. Dennoch sieht auch Paffrath die Notwendigkeit, dass die Politik den Mut findet, den GKV-Leistungskatalog auf das Notwendige zu reduzieren – auch wenn dies keine leichte Aufgabe sei.

Dass sich der Gesetzgeber derzeit zu sehr auf den kleinen Erfolgen der vergangenen Reformen ausruht und keinen akuten Handlungsbedarf sieht, meint auch der Vorsitzende der Kassenärztlichen Vereinigung Schleswig-Holstein, Ralf W. Büchner. Er appellierte an die Politik, sich vom "Rundum-Happy-Paket" zu verabschieden – "sonst rasen wir in eine Katastrophe". .

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