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Giftanschlag: Was ist Polonium 210?

(diz/gsf). Der russische Ex-Geheimdienstagent Alexander Litvinenko, der an den Folgen einer Vergiftung mit Polonium 210 gestorben ist, machte Russland für seinen Tod verantwortlich. Die russische Regierung weist diese Vorwürfe als absurd zurück. Was hat es mit dem Element Polonium 210 auf sich?

"Im Urin Litvinenkos hatten Ärzte eine ungewöhnlich hohe Dosis von Alpha-Strahlen entdeckt, die auf Polonium 210 zurückzuführen sind", meldete die "Zeit" online. Wie die "New York Times" berichtete, können größere Mengen des Elements nur in Atomreaktoren hergestellt werden. "Das ist keine Waffe, die ein Amateur konstruieren kann", erklärt diese Zeitung.

Das GSF-Forschungszentrum für Umwelt und Gesundheit in Neuherberg teilte Hintergründe zur Toxizität und Radiotoxizität von Polonium (Po), dem chemischen Element mit der Ordnungszahl 84 mit. Es ist ein silbriges, radioaktives Metall, das sich chemisch ähnlich wie Tellur und Wismut verhält. Es entsteht ständig in der Natur in der langen natürlichen radioaktiven Zerfallskette von Uran-238. Polonium wurde 1897 von Marie und ihrem Ehemann Pierre Curie entdeckt und nach ihrem Heimatland Polen benannt, das damals unter Fremdherrschaft war und politisch nicht als unabhängiges Land betrachtet wurde.

Po kommt in der Natur in Form einiger Isotope (mit den Atomgewichten 208, 209, 210) vor (sehr selten: ca. 100 Mikrogramm pro Tonne Uranerz), jährlich werden künstlich schätzungsweise etwa 100 Gramm hergestellt. Es wird technisch z. B. gemischt mit Beryllium als Neutronenquelle verwendet (so z. B. auch als Triggermaterial für Atombomben), zum Eliminieren statischer Aufladungen in der Photo- und Textilindustrie und als leichtgewichtige Wärmequelle für thermoelektrische Zellen (z. B. in der Raumfahrt). So kann ein Gramm Po-210 140 Watt Energie erzeugen. Raucher nehmen mit dem Zigarettenrauch größere Mengen davon auf, da sich Po in der normalen Umwelt als Radonfolgeprodukt auch auf Tabakblättern absetzt.

Po-210 hat eine Halbwertszeit von 138 Tagen und emittiert beim Zerfall ein Alphateilchen mit 5,4 MeV (Megaelektronenvolt) Energie, das eine Reichweite in Gewebe von weniger als 0,1 mm hat. In den menschlichen Körper gebracht (z. B. über Inhalation, vor allem beim Rauchen), durch eine kleine Wunde oder durch Ingestion mit der Nahrung) ist es ein starkes Gift. Laut Prof. Dr. Herwig Paretzke, Direktor des Instituts für Strahlenschutz des GSF-Forschungszentrums für Umwelt und Gesundheit könnten bereits 0,1 Mikrogramm reines Po-210 im Verlauf von Tagen im Körper eine tödliche Dosis von 10 Gray hervorrufen (der Dosis-Konversionskoeffizient beträgt ca. 5x10-7 Sv/Bq, die spezifische Aktivität ist fast 2x1014 Bq/g). Die biologische Halbwertszeit von Polonium im menschlichen Körper beträgt 30 bis 50 Tage; es wird zu 90% über Fäzes und zu 10% über Urin ausgeschieden. Wegen des nur sehr geringen Gammastrahlungsanteils beim radioaktiven Zerfall ist eine Po-210-Inkorporation eines Menschen von außen nicht in einem Ganzkörperzähler, sondern nur über Ausscheidungsanalytik festzustellen.

Glossar

  • Elektronenvolt, abgekürzt eV, ist die bevorzugte Energieeinheit in der Elementarteilchenphysik. Gebräuchliche Vielfache von eV sind Kiloelektronenvolt (keV), Megaelektronenvolt (1 MeV), Gigaelektronenvolt (GeV), Teraelektronenvolt (1TeV).
  • Gray ist eine abgeleitete Größe der SI-Einheiten. Sie ist die durch Radioaktivität und andere ionisierende Strahlung verur-sachte Energiedosis und beschreibt die pro Masse absorbierte Energie. Sie findet vor allem Anwendung in der Medizin, wo sie die angewendete Strahlungsdosis bei der Strahlentherapie angibt.
  • Das Sievert (Einheitenzeichen: Sv) ist die Maßeinheit der Äquivalentdosis.
  • Becquerel, abgekürzt Bq, ist die SI-Einheit der Radioaktivität. Die Einheit ist nach dem französischen Physiker Antoine Henri Becquerel benannt, der 1903 den Nobelpreis für die Entdeckung der Radioaktivität erhalten hat. Das Becquerel gibt die Anzahl der Atome an, die pro Sekunde zerfallen.

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