Arzneimittel und Therapie

Aus der Forschung: Stammzelltherapie bei Herzinfarkt – nur eine Hoffnung?

Die Debatte um den Einsatz von Stammzellen zur Behandlung schwerwiegender Erkrankungen ist nicht neu. Die Diskussionsbeiträge hierzu überstreichen ein sehr breites Spektrum und reichen von euphorischer Zustimmung bis zu Verdammung als Teufelswissenschaft. Dennoch gibt es in den letzen Jahren immer wieder neue Ansätze, diese natürlichen Ressourcen zu therapeutischen Zwecken zu nutzen.

Auch in Deutschland werden wir immer häufiger direkt mit der Stammzelltherapie konfrontiert: So hat an der kardiologischen Klinik in Düsseldorf, Prof. Dr. med. Bodo Strauer als erster Kliniker in Deutschland unveränderte Stammzellen verwendet, um für Patienten mit schwerem Herzinfarkt eine bessere Prognose zu erreichen [1].

Stammzellen als Therapeutika Unter dem Begriff Stammzellen versteht man nicht spezialisierte Zellen, die die Fähigkeit haben, sich in verschiedene Zelltypen (z. B. Herz-, Nerven-, Blut-, Muskel- und Knorpelzellen) zu entwickeln. Diese Fähigkeit nennt man Pluripotenz. Solche Zellen können sich teilen ohne ihre Pluripotenz zu verlieren, sich aber ebenso in spezialisierte, organspezifische Zellen differenzieren. Man unterscheidet je nach Herkunft zwischen embryonalen und adulten Stammzellen. Dieser Unterschied macht auch den Kernpunkt der Ethikdebatte aus, denn humane embryonale Stammzellen kann man nur aus humanen Embryonen gewinnen (Abb. 1). Dagegen kommen adulte Stammzellen in Knochenmark, Blut oder Fettgewebe vor und können daraus angereichert und kultiviert werden. Auch wenn die Differenzierungspotenz adulter Stammzellen geringer eingeschätzt wird als die embryonalen Ursprungs, lassen sich auch solche Zellen in spezialisierte Zellen überführen. Sowohl bei embryonalen als auch bei adulten Stammzellen kommt der Erforschung jener Faktoren eine wesentliche Rolle zu, die den spezifischen Differenzierungsprozess auslösen und steuern.

Genau hier liegt im Moment die Probleme der medizinischen Nutzung von Stammzellen, z. B. für die Wiederherstellung von Organfunktionen, wie der Pankreasfunktion bei juvenilem Diabetes. Ein völlig anderer Ansatz besteht in der Transplantation unveränderter Stammzellen, die aus dem Blut oder Knochenmark eines Patienten angereichert und zur Therapie einer Erkrankung desselben Patienten verwendet werden (Abb. 2). Diese Methode vereint gleich zwei wesentliche Vorteile, das Fehlen von Abstoßungsreaktionen sowie die Vermeidung gentechnologischer Manipulationen mit bislang unbekannten Gefahren.

Neue Studien bei Herz–infarkt aus Frankfurt Die Frankfurter Forscher um den Kardiologen Prof. Dr. med. Andreas Zeiher und die Molekularbiologin Prof. Dr. Stefanie Dimmeler haben nach vielen zell- und tierexperimentellen Untersuchungen zwei klinische Studien in der medizinischen Fachzeitschrift New England Journal of Medicine veröffentlicht, die ihre Ergebnisse zur Therapie von Herzinfarktpatienten mit angereicherten Stammzellen beschreiben [2, 3]. Der Hintergrund ist, dass bei vielen Herzinfarktpatienten auch die derzeit beste Therapie nicht ausreicht. Sie entwickeln innerhalb von Monaten nach dem Infarkt eine teilweise schwere Herzinsuffizienz, die mit starker Einschränkung von Lebensqualität und Lebenserwartung einhergeht.

Eine der beiden Studien stellt mit 204 eingeschlossenen Patienten die weltweit größte ihrer Art dar.

Eingeschlossen wurden nur Patienten (57±11 Jahre, 84% Männer), die trotz erfolgreicher Reperfusion der geschädigten Herzmuskulatur eine ernsthafte Störung der Pumpfunktion aufwiesen. So lag die Auswurffraktion bei diesen Patienten unter 45% (normal ca. 70%), ein schlechtes Zeichen für die weitere Progression der Erkrankung. Das Knochenmark wurde bei jedem dieser Patienten durch Punktion des Beckenkammes gewonnen. Daraus wurde eine heterologe Population von hämatopoetischen, mesenchymalen und weiteren Knochenmarkstammzellen isoliert. Diese Zellen wurden den Patienten im Anschluss intrakoronar in das Infarktareal injiziert. Nach vier Monaten erfolgte eine Koronar–angiographie zur Beurteilung des Behandlungserfolgs auf die Auswurffraktion und auf das enddiastolische Volumen, bestimmt wurde unter anderem die Wandspannung und der myokardiale Energieverbrauch.

Verbesserte Prognose Bei allen Patienten verbesserte sich die Auswurffraktion und das enddiastolische Volumen. Darüber hinaus verhinderte die neuartige Therapie die typische und prognostisch ungünstige Dilatation des linken Ventrikels. Dies ließ sich am fehlenden Anstieg des endsystolischen Volumens (maximales Füllungsvolumen der linken Herzkammer) ablesen.

Schließlich zeigten die Untersuchungen nach einjähriger Beobachtungsphase auch eine Verbesserung der Prognose. Es gab in der Verumgruppe weniger Reinfarkte, weniger Behandlungen (Revaskularisationen) und weniger kombinierte Ereignisse einschließlich Tod.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die autologe Stammzelltherapie zu einer Verbesserung der Morbidität bei Patienten führte, die trotz optimaler Therapie schwerwiegende Infarktfolgen aufwiesen. Die Ergebnisse dieser Untersuchungen geben zu der berechtigen Perspektive Anlass, dass die autologe Stammzelltherapie die Aussichten von Patienten mit schwerem Herzinfarkt verbessern kann.

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.