DPhG

Visionen der Diabetes-Therapie

Den Stand der Forschung zu Stammzellen aus embryonalem Gewebe sowie aus Stammzelltypen aus Gewebe von Erwachsenen für die Behandlung von Diabetikern skizzierte Prof. Dr. Jochen Seufert, Leiter des Schwerpunkts Endokrinologie und Diabetologie der Abteilung Innere Medizin II an der Universitätsklinik Freiburg.

Inhaltsverzeichnis: DPhG-Jahrestagung

Jochen Seufert
Foto: DAZ/hb

Die Inzidenz diabetischer Komplikationen bei hochwirksamen medikamentösen Therapien ist relativ hoch. Viele Hoffnungen ruhen daher derzeit auf der Zelltherapie, mit der es gelingen könnte, die funktionelle endogene Insulinsekretion wieder herzustellen. Zelltherapeutische Ansätze bestehen in der Transplantation der gesamten Bauchspeicheldrüse, des Teils, der die Betazellen enthält, d. h. der Langerhansschen Inseln, oder in der Stammzelltherapie.

Die Transplantation der gesamten Bauchspeicheldrüse ist ein schwerer Eingriff, der den Patienten jedoch lange Phasen ohne Insulininjektion verschaffen kann, sofern das Organ nicht abgestoßen wird. Die zweite Methode, die Transplantation von aus Spenderorganen isolierten Langerhansschen Inseln, ist vergleichsweise einfach und kann sogar ambulant durchgeführt werden. Der Erfolg hängt allerdings von der Menge und der Güte des transplantierten Gewebes ab, und eine lang andauernde Insulinunabhängigkeit ist nur durch wiederholte Transplantationen erreichbar. Beide Möglichkeiten sind demnach begrenzt, zumal es viel zu wenig Spenderorgane gibt.

Für die Stammzelltherapie des Diabetes mellitus und anderer Erkrankungen stehen prinzipiell verschiedene Stammzell-Reservoirs mit jeweils spezifischen Vor- und Nachteilen zur Verfügung (siehe Tabelle).

Embryonale Stammzellen

Humane embryonale Stammzellen (ES) sind einfach zu isolieren, zu vermehren und in Insulin-produzierende Zellen zu differenzieren. Einer breiten Anwendung steht jedoch die ethische Problematik entgegen. Zwar ist auch die Stammzelltherapie mit ES aus Mäusen möglich, aber diese sezernieren Insulin nicht im physiologischen Bereich, sondern müssen stärker durch Glucose stimuliert werden.

Einen großen Fortschritt brachte deshalb der Nachweis, dass adulte somatische Körperzellen durch gezielte Manipulation mithilfe retroviraler Vektoren in pluripotente Zellen mit ES-Charakter zurückgeführt werden können (induzierte pluripotente Stammzellen, iPS). Die iPS haben allerdings ein erhebliches tumorigenes Potenzial, und zudem ist eine genetische Manipulation durch die Viren zu befürchten. An iPS ohne virale Vektoren wird daher bereits gearbeitet.

Adulte mesenchymale Knochenmarkstammzellen

Die Umwandlung adulter mesenchymaler Knochenmarkstammzellen in iPS und deren Differenzierung zu Betazellen ist technisch anspruchsvoller als die Gewinnung und Differenzierung von ES, dafür ist dieses Verfahren ethisch unproblematisch. Bis zum "Proof of concept" sind die Wissenschaftler hier zwar schon gekommen, aber das praktische Ergebnis ist noch weit entfernt von der physiologischen Insulinproduktion.

Dessen ungeachtet finden sich im Internet bereits kommerzielle Angebote für Stammzelltherapien diverser Erkrankungen auf der Grundlage des eigenen Knochenmarks. Die Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG) warnt laut Seufert vor Berichten über angebliche positive Behandlungsergebnisse bei Diabetes mellitus und lehnt die Finanzierung solcher Therapien durch Patienten ab. Bislang gibt es nach der Stellungnahme der DDG keine einzige wissenschaftliche Publikation darüber, dass ein Patient erfolgreich mit in vitro hergestellten und transplantierten Betazellen geheilt worden ist.

Gewebsspezifische Stammzellen

Erst seit Kurzem weiß man, dass in den meisten Geweben des erwachsenen Menschen gewebsspezifische Stammzellen vorhanden sind. Sie lassen sich allerdings nur schwer identifizieren und isolieren. Zwar konnten aus dem Pankreas ductale (aus dem Epithel der Pankreasgänge) insulare Stammzellen gewonnen werden, die tatsächlich zu Insulin-produzierenden Zellen differenzieren können. Ihre Insulinproduktion ist jedoch unzureichend, und außerdem können sie derzeit noch nicht in ausreichender Menge in vitro hergestellt werden.

Ein interessanter pharmakologischer Ansatz hat sich aus der Beobachtung ergeben, dass GLP-1 als Wachstumsfaktor für duktale Vorläuferzellen und für Betazellen fungiert. Damit könnten humanes GLP-1 und dessen Analoga zur Expansion von pankreasspezifischen adulten Stammzellen genutzt werden. Der erste Vertreter dieser neuen Wirkstoff-Klasse ist das GLP-1-Analogon Exenatid.

Auch wenn derzeit noch lange nicht alle Hindernisse überwunden sind, gab sich Seufert überzeugt davon, dass in der Zukunft Strategien entwickelt werden können, um voll funktionsfähige Insulin-produzierende Betazellen, aus welcher Quelle auch immer, für den therapeutischen Einsatz bei Patienten mit Diabetes mellitus zu generieren. Potenzielle Einsatzmöglichkeiten sieht er allerdings eher beim Typ-1-Diabetes (zu 100%) als bei dem etwa 20-mal so häufig auftretenden Typ-2-Diabetes, bei dem nicht der absolute Insulinmangel, sondern die Insulinresistenz das eigentliche Problem ist. Hier hält er den Einsatz bei maximal 20% der Erkrankten für sinnvoll. hb

Tab.: Gewinnung und therapierelevante Eigenschaften verschiedener Stammzell-Reservoire

Kriterium
Embryonale
Stammzellen
Adulte
mesenchymale Stammzellen
Adulte
gewebsspezifische Stammzellen
ethische Probleme?
ja
nein
nein
Identifizierung
einfach
einfach
schwierig
Isolation
einfach
einfach
schwierig
Proliferation in vitro
einfach
schwierig
schwierig
gezielte Differenzierung
schwierig
schwierig
einfach
Homing?
schlecht
schlecht
gut
immunogen?
wenig
ziemlich
wenig
tumorigen?
ja
nein
nein

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