Mukoviszidose

Aus Kindern werden Leute – auch mit Mukoviszidose

Mukoviszidose ist nach wie vor eine tödliche Krankheit, obwohl es in den vergangenen Jahrzehnten große Fortschritte bei der Behandlung dieser vererbbaren Stoffwechselkrankheit gegeben hat. Das aber wirft neue Probleme auf: Da die Lebenserwartung durch die verbesserten Therapiemöglichkeiten erheblich angestiegen ist, stellt sich nun die Frage, wer die Erwachsenen mit Mukoviszidose behandeln soll. Es wird Zeit, neue Wege zu gehen und Mukoviszidose-Zentren für Erwachsene zu etablieren. Doch es fehlen die Gelder und schon jetzt ist die Finanzierung der recht aufwändigen Therapie ein völlig ungelöstes Problem.

Die Mukoviszidose, auch zystische Fibrose (CF) genannt, ist die häufigste angeborene Stoffwechselerkrankung. Sie nimmt nach wie vor einen tödlichen Ausgang, denn eine kausale Therapie ist bislang nicht bekannt. Während die Patienten allerdings in früheren Jahren bereits im Kindes- oder bestenfalls im Jugendalter starben, erreichen die Betroffenen mittlerweile das Erwachsenenalter. Eine Lebenserwartung von mehr als 40 Jahren ist die Regel, was am ehesten die enormen Fortschritte bei der Therapie widerspiegelt.

"Inzwischen sind rund 50% der Mukoviszidose-Patienten erwachsen. Damit aber werden neue Probleme aufgeworfen", berichtet Dr. Ernst Rietschel vom Mukoviszidose-Zentrum der Universität in Köln. Denn viele Mukoviszidose-Kranke werden nach wie vor beim Pädiater betreut, obwohl sie bereits älter als 20 oder sogar 30 Jahre sind. Weil die Diagnostik und Therapie der zystischen Fibrose stets eine Domäne des Kinderarztes war, zeigt sich die Erwachsenen-Medizin derzeit noch unzureichend vorbereitet, die Versorgung zu übernehmen.


Gendefekt auf Chromosom 7

Grundlage der autosomal rezessiv erblichen Stoffwechselstörung ist ein Gendefekt auf Chromosom 7, wobei mehr als 1000 Mutationen in diesem Mukoviszidose-Gen bekannt sind. Das erklärt laut Rietschel unter anderem, warum es recht unterschiedliche Krankheitsverläufe gibt. "Der Verlauf der Erkrankung wird außerdem durch krankheitsmodulierende Gene und durch Umweltfaktoren mitbestimmt", erklärt der Mediziner. Der Gendefekt hat eine generalisierte Dysfunktion exokriner Drüsen zu Folge, so dass die Bildung von Körpersekreten und deren Ausleitung gestört ist. Am stärksten betroffen sind hiervon die Lunge und die oberen Atemwege, in denen ein zähflüssiger Schleim zum Abtransport von Keimen und Verunreinigungen gebildet wird. Doch auch andere sekretproduzierende Organe wie die Bauchspeicheldrüse, die Leber, der Darm und die Geschlechtsorgane sind betroffen.

Die Viskosität der Sekrete ist so stark erhöht, dass die zähflüssigen Sekrete zunehmend die Ausführungsgänge der Organsysteme verstopfen und so die Symptomatik sowie den Krankheitsverlauf bestimmen.


Mukoviszidose erst im Erwachsenenalter?

Üblicherweise wird die Diagnose "Mukoviszidose" gestellt, wenn wiederholte Bronchitiden, schwer zu behandelnde Pneumonien oder auch Verdauungsprobleme der Kinder auftreten wie beispielsweise übel riechende Fettstühle einhergehend mit Gedeihstörungen und/oder einem Gewichtsverlust. "Aber wir müssen davon wegkommen, nur bei solch gravierenden Symptomen an eine Mukoviszidose zu denken", betont Dr. Rietschel.

Auch weniger "spektakuläre" Symptome können auf eine Mukoviszidose hindeuten. Denn die Erkrankung kann auch einen milden Verlauf nehmen und eventuell erst im jungen Erwachsenenalter auffallen. So sollte bei Gallensteinen, Nasenpolypen oder unklarer Infertilität von Männern auch an eine Mukoviszidose gedacht werden. "Deshalb wird zunehmend auch bei Erwachsenen Mukoviszidose diagnostiziert", sagt Rietschel. Gefragt sind somit nach seinen Worten auch der Gastroenterologe, der Urologe und der Hals-Nasen-Ohrenarzt. Allerdings wird nach den Worten des Pädiaters in der Erwachsenenmedizin noch immer viel zu wenig an die Möglichkeit einer Mukoviszidose gedacht, weshalb bei entsprechender Symptomatik auch ein Hinweis des Apothekers in der Kundenberatung sehr hilfreich sein kann.


Diagnostik per Schweißtest

Die Verdachtsdiagnose Mukoviszidose wird per Schweißtest überprüft, wobei nach einer erhöhten Kochsalzkonzentration im Schweiß gefahndet wird. Denn der Gendefekt bedingt eine Störung des Chloridkanals, der in allen Körperzellen vorhanden ist, aber in den Zellen der Ausführgänge schleimproduzierender Organe eine besondere Rolle spielt. Die Funktionsstörung kann in einzelnen Organen mehr oder weniger stark ausgeprägt sein, was die Unterschiede in der Krankheitsausprägung erklärt. Durch die Störung wird die Ausscheidung von Chloridionen und damit auch der passive Transport der Natriumionen gehemmt, ein Prozess der in den Schweißdrüsen genau umgekehrt abläuft, dort werden Chlorid und Natrium resorbiert. Ist der Chloridkanal gestört, so kann dies nicht geschehen und es kommt zu einer erhöhten Kochsalzkonzentration im Schweiß, weshalb Mukoviszidose-Patienten bei heißer Witterung sorgfältig auch ihren Salzverlust ausgleichen müssen. Das Phänomen der erhöhten Salzkonzentration führte auch zur Erstbeschreibung der Erkrankung im 17. Jahrhundert. Damals wurde beschrieben, dass "Kinder, die salzig schmecken", verhext sind und nicht lange leben werden.

Es sollte sich dann eine molekulargenetische Untersuchung zum Nachweis einer entsprechenden Mutation im Mukoviszidose-Gen anschließen. Wünschenswert wäre laut Rietschel ein allgemeines Neugeborenen-Screening. Denn je früher die Diagnose gestellt wird, umso besser kann behandelt werden und umso besser sind die Eltern auf die anstehenden Probleme vorzubereiten. Das Screening ist derzeit aber nicht etabliert, da es sich bei der Mukoviszidose nicht – wie für Screening-Maßnahmen gefordert – um eine kausal behandelbare Erkrankung handelt.


A und O der Therapie: Sekretmobilisation und Sekretexpektoration

Die Therapie der Mukoviszidose beschränkt sich bislang auf eine symptomatische Behandlung, wobei primär versucht wird, das Sekret in den Atemwegen möglichst flüssig zu halten und dafür zu sorgen, dass das Sputum aus den Atemwegen entfernt werden kann.

Hierbei haben sich Medikamente, wie inhalative DNAse in großen Studien als hilfreich erwiesen. "Die wichtigsten Behandlungsschritte sind deshalb zunächst die Sekretmobilisation und die Sekretexpektoration", so Rietschel, "wobei eine physiotherapeutische Mitbehandlung heute ein Muss ist."

Trotz dieser Bemühungen kommt es im weiteren Verlauf zu Entzündungen in den Atemwegen, und schließlich auch zu einer Dauerbesiedlung mit Pseudomonas-Erregern, die antibiotisch behandelt werden muss. In der ersten Stufe werden die Antibiotika inhalativ (Tobramycin oder Colistin) verabreicht, was aber täglich fünfzehn bis zwanzig Minuten in Anspruch nimmt oder kombiniert intravenös (Cephalosporine oder Carbapeneme kombiniert mit einem Aminoglykosid) und im Bedarfsfall, etwa im Urlaub, kann die Behandlung oral mit einem Chinolon erfolgen, was aber rasch zur Resistenzbildung der Pseudomonaden führen kann. "Die Behandlung muss dabei individuell gesteuert werden", erklärt der Kölner Mediziner.

Die chronische Entzündung führt auch unter regelmäßiger antibiotischer Behandlung zu einer fortschreitenden Zerstörung des Lungengewebes mit zunehmender Einschränkung der Lungenfunktion, zunehmend mehr Sputumproduktion und damit schließlich auch zur respiratorischen Globalinsuffizienz. "Die Patienten bekommen zunächst ein Problem mit dem Einatmen des Sauerstoffs und später auch mit dem Ausatmen des Kohlendioxids", so Rietschel. Die Lebensqualität verschlechtert sich bei dieser Entwicklung zusehends, bis schließlich als letzte Therapieoption eine Lungentransplantation erwogen werden muss.

Infolge des Mangels an Spenderorganen ist dieser Eingriff jedoch nicht bei jedem Patienten möglich. "Die Lungentransplantation bedeutet aber keine Heilung, da neben der Lunge ja auch andere Organe von der Mukoviszidose betroffen sind. Sie bringt außerdem infolge der Immunsuppression noch ein verstärktes Risiko für Infektionen mit sich", sagte Rietschel. Die 5-Jahres-Überlebensrate nach dem Eingriff beziffert er auf etwa 60%.


Neue Therapien für die Lunge

Vor dem Hintergrund der trotz aller Erfolge immer noch eng begrenzten Therapiemöglichkeiten bei der Mukoviszidose wird intensiv an der Entwicklung neuer Therapieoptionen wie zum Beispiel an Antibiotika gearbeitet, die als Pulver zu inhalieren sind, da dies die Inhalationszeiten verkürzt. Es wird ferner laut Rietschel künftig Medikamente geben, welche die durch die Pseudomonas-Infektion bedingte Entzündungsreaktion günstig beeinflussen und die ebenfalls inhalierbar sind und es wird auch Medikamente geben, die den Defekt des Chloridkanals teilweise kompensieren. "Es handelt sich hierbei um Wirkstoffe, die den Chloridkanal maximal stimulieren und um Wirkstoffe, die zusätzlich Natriumkanäle aktivieren", sagte Rietschel. Es wird nach seiner Ansicht wohl eines Tages auch eine Gentherapie für die Mukoviszidose geben. "Daran wird derzeit intensiv gearbeitet".

Neben der Lungenproblematik entwickeln viele Mukoviszidose-Patienten Komplikationen im Bereich der Bauchspeicheldrüse, wenn die gebildeten Enzyme nicht in ausreichender Menge ins Darmlumen abgegeben werden, so dass die Fettverdauung gestört ist und in geringerem Ausmaß auch die Verdauung von Proteinen und Kohlenhydraten.

Fettstühle, Gedeihstörungen und Minderwuchs sind die Folge, wenn die Pankreasenzyme nicht rechtzeitig substituiert werden. Fast alle Patienten bedürfen zusätzlich einer Substitution der fettlöslichen Vitamine A, D, E und K. Auf lange Sicht droht den Patienten allerdings auch im Bereich des Pankreas ein Gewebeuntergang, was bei 20 bis 30% der erwachsenen Mukoviszidose-Patienten einen CF-assoziierten Diabetes mellitus zur Folge hat.

Seltener gibt es Komplikationen durch eine Beteiligung der Leber. Liegt diese aber vor, so kann sich eine Leberzirrhose ausbilden mit entsprechenden Komplikationen durch den Leberumbau wie Ösophagusvarizen, Aszites und dem drohenden Leberversagen.

Kausaltherapeutisch bleibt nur die Lebertransplantation, die kombiniert werden kann mit einer Lungentransplantation, ein Eingriff, der bislang nur selten durchgeführt wurde, der nach Rietschel aber als Option in Betracht zu ziehen ist.


Enorm wichtig: Psychologische Führung

Neben der medizinischen Behandlung ist insbesondere eine gute psychologische Betreuung der Mukoviszidose-Patienten wie auch ihrer Eltern bedeutsam. Denn die Belastungen durch die chronische, die normale Lebenserwartung nach wie vor erheblich limitierende Erkrankung wie auch ihrer sehr zeitaufwändigen Behandlung sind enorm groß. Die Patienten müssen bei praktisch allem, was sie tun, überlegen, welche Konsequenzen das für ihren Krankheitsverlauf hat, eine Situation, die die Entwicklung der Heranwachsenden erheblich beeinflusst.

Die Behandlung und Betreuung sollte deshalb stets in einem spezialisierten Mukoviszidose-Zentrum erfolgen, so auch der internationale Konsens. Nur dort steht ein Team zur Verfügung, das allen Bedürfnissen der heranwachsenden Patienten gerecht werden kann. Zum Team gehören neben dem Kinder- und Jugendarzt und dem betreuenden Psychologen auch erfahrene Mitarbeiter aus den Bereichen Ernährungsberatung, Physiotherapie und Sozialarbeit. Denn es geht auch um die Berufsberatung der Kinder und Jugendlichen und darum, ihnen bei allgemeinen Fragen zur Krankheitsbewältigung beizustehen.


Umfassende Betreuung älterer Patienten gefordert

Durch die Fortschritte der Therapie und die deutlich längere Lebenserwartung sind zunehmend auch Internisten gefragt: "Wir brauchen Kollegen dieser Disziplin im Team, die als Allround-Internist mit den Problemen der Mukoviszidose-Patienten in der Pneumologie, der Hepatologie und der Endokrinologie erfahren sind", so Rietschel. Im Idealfall sollte der Internist nach seinen Vorstellungen im Zentrum die Betreuung der Patienten übernehmen, die der Obhut des Pädiaters entwachsen und an der Schwelle des Erwachsenwerdens stehen. Im Kölner Mukoviszidose-Zentrum ist diese Situation realisiert worden, in vielen anderen Zentren aber werden auch die erwachsenen Patienten immer noch von Kinder- und Jugendärzten betreut.

Auch die Anforderungen an das Mukoviszidose-Zentrum sind nach Rietschel komplex: Ziel ist eine möglichst umfassende Betreuung im ambulanten Setting, wobei viele Patienten so gut geschult sind, dass sie sogar die intravenöse Antibiotikatherapie zuhause durchführen.

Doch es muss auch eine stationäre Behandlung möglich sein und zwar auf Kinder wie auch auf Erwachsenenstationen, auf denen das Pflegepersonal mit den Problemen und Komplikationen der Patienten vertraut ist.


Das zentrale Problem ist die Finanzierung

Die geschilderte Betreuung von Patienten mit zystischer Fibrose ist zeit- und kostenaufwändig. Das zentrale Problem ist dadurch die Finanzierbarkeit, die laut Rietschel in Zeiten knapper öffentlicher Kassen erheblich gefährdet ist. Wichtig wäre nach seinen Worten die Etablierung von Mukoviszidose-Zentren für Erwachsene, denn bislang noch werden die meisten erwachsenen Mukoviszidose-Patienten in den Zentren bei Kinder- und Jugendärzten behandelt. Das "Erwachsenwerden" der Patienten wird dadurch aber gehemmt, der Übergang vom Kind zu einem verantwortlich und selbstverantwortlich agierenden Jugendlichen und Erwachsenen erheblich erschwert.

Auch unabhängig von Mukoviszidose-Zentren für Erwachsene fehlt es an Geldern, um die Betreuung der Patienten zu sichern. Zwar werden die medizinischen Leistungen von den Krankenkassen übernommen, nicht finanziert aber werden die psychosoziale Betreuung und die Ernährungsberatung sowie die Betreuung durch den Sozialarbeiter. Auch der erhöhte Dokumentations- und Verwaltungsaufwand durch das komplexe Krankheitsbild wird bei der Finanzierung nicht berücksichtigt. "Das kommt bei uns zum Tragen, da jeder Patient sehr intensiv betreut werden muss. Eine Mischkalkulation wie in der Hausarztpraxis gibt es nicht", monierte Rietschel. Die Beratung im Team, die Betreuung der Eltern erkrankter Kinder, das alles sind Zusatzleistungen, die erbracht werden müssen, um den Bedürfnissen der Familie gerecht zu werden und die extrem viel Zeit kosten, die aber nicht durch die Krankenkassen honoriert werden. "Rund 50 Prozent der Teamkosten werden somit nicht finanziert", fasst Rietschel die Situation zusammen. Ändern ließe sich das nach seinen Worten nur durch spezielle Versorgungsverträge mit den Krankenkassen.

Derzeit müssen die Kosten über Spendengelder und Aktivitäten der Selbsthilfegruppen aufgebracht werden, damit die Betreuung der Patienten gesichert ist – ein, so Rietschel, "erbärmlicher Zustand in einem Land, das sich Industrienation schimpft".

Nationale Mukoviszidose-Woche


Die erste Oktoberwoche – vom 30. September bis zum 7. Oktober 2006 – ist die nationale Mukoviszidosewoche. Hier finden bundesweit zahlreiche Veranstaltungen statt, die gemeinsam um Unterstützung für Mukoviszidose-Patienten werben.

Informationen hierzu erhalten Sie über den Mukoviszidose e. V.
Winfried Klümpen, In den Dauen 6
53117 Bonn
Telefon: 02 28/9 87 80-30
Wkluempen@muko.info

Ausführliche Informationen für Patienten und sehr viele Tipps zum Leben mit Mukoviszidose finden sich unter www.mukoviszidose.net

Wer sich für Mukoviszidose-Kranke engagieren möchte, kann dies bundesweit über die Christiane-Herzog-Stiftung für Mukoviszidose-Kranke, Spendenkonto: Deutsche Bank 24 Karlsruhe, Konto 11 55 555, BLZ 660 700 24 und Stadtsparkasse München, Konto 9191, BLZ 701 500 00 oder den Mukoviszidose e. V. Spendenkonto: Sozialbank Köln, Konto 70 88 801, BLZ 370 205 00 tun.



Quelle: Dr. Ernst Rietschel, Kölner Mukoviszidose-Ambulanz


Christine Vetter, freie Medizinjournalistin



Lesen Sie hierzu auch folgende Artikel:

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.