Ärzteproteste: Regierung - Viele Probleme sind hausgemacht

BERLIN (ks). Über 20.000 Mediziner aus ganz Deutschland kamen am 18. Januar in Berlin zum "Tag der Ärzte" zusammen um für bessere Arbeitsbedingungen sowie gegen die zunehmende Bürokratisierung und Rationierung zu demonstrierten. Auch das geplante Arzneimittel-Spargesetz war Zielscheibe der Kritik. 46 Verbände der Ärzteschaft hatten zu der Kundgebung aufgerufen - viele Praxen blieben an diesem Tag geschlossen. Während die Regierungsparteien begrenztes Verständnis für die Proteste hatten, schlugen sich die Oppositionsparteien auf die Seite der Mediziner.

Der Vorsitzende des Hartmannbundes, Kuno Winn, sprach von einem "überwältigenden Erfolg" der Protestaktion. Die Verbände hätten unter Beweis gestellt, dass "die deutsche Ärzteschaft geschlossen eine Macht ist, an der die Politik künftig nicht mehr vorbeikomme". Er kündigte weitere Demonstrationen an. Sie sollen in Regionen stattfinden, in denen bald Landtagswahlen anstehen.

Streit um BMG-"Faktenpapier"

Im Vorfeld der Demonstration hatte sich der Streit zwischen Ärzten und Bundesgesundheitsministerium zugespitzt. Das Ministerium hatte ein 15-seitiges Papier mit "Zahlen und Fakten zur Situation der Ärzteschaft" veröffentlicht. Es sollte belegen, dass es um die Honorarsituation und Arbeitsbedingungen weit weniger schlimm bestellt ist als von den Ärzten behauptet. So kämen Mediziner etwa auf eine durchschnittliche Wochenarbeitszeit von 46 Stunden. Seitens der Ärzte war vorgetragen worden, die Hälfte der jungen Ärzte arbeite 60 Stunden in der Woche.

Der Präsident der Bundesärztekammer, Jörg-Dietrich Hoppe, warf der Politik darauf hin vor, "nicht wirklich im wahren Leben angekommen" zu sein. Auch die von der im Papier genannten Steigerungssätze beim Einkommen, haben für Hoppe keine "durchschlagende Überzeugungskraft", wenn man die Inflationsrate und die Steigerung der Personal- und Praxiskosten im Auge behalte. Das "Faktenpapier" des BMG, so der Ärzte-Präsident, sei "wohl eher ein Farcepapier".

Viele Probleme hausgemacht

Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion zeigte für die Anliegen der Ärzteschaft zur Vergütung und zu den Arbeitsbedingungen Verständnis. Wolfgang Zöller (CSU) und Annette Widmann-Mauz (CDU) räumten ein, dass ihre Einkommenssituation die Ärzte "unzufrieden" machen könne. Dazu trügen allerdings auch eine Reihe hausgemachter Probleme bei. So verändere die ärztliche Selbstverwaltung fast im 2-Jahres-Rhythmus das vertragsärztliche Vergütungssystem - mit zum Teil drastischen Auswirkungen auf die Honorare einzelner Facharztgruppen. Darüber hinaus seien viele bürokratische Auflagen durch die eigene Selbstverwaltung verursacht.

In den Koalitionsvereinbarungen habe man bereits auf diese Situation reagiert, betonten die Unionspolitiker. So soll die ärztliche Honorierung leistungsgerechter gestaltet werden. Gesetzliche Auflagen und Reglementierungen, die zu mehr Bürokratie führen (z.B. Disease-Management-Programme) sollen überprüft und entschlackt werden. Auch Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt schlug kurz vor Beginn der Kundgebung ebenfalls versöhnlichere Worte an. Die Honorarverteilung sei nicht gerecht und es sei wahr, dass es Ärzte gebe, die "finanziell mit dem Rücken an der Wand" stünden. Diese Mediziner hätten sie auf ihrer Seite. Doch auch die Ministerin betonte, dass die Verteilung der Honorare und bürokratische Auswüchse Sache der Ärzte selbst seien.

Unterstützung von FDP und Linkspartei

Unterstützung erhielten die protestierenden Ärzte von der Opposition. Der gesundheitspolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Daniel Bahr, warf Schmidt vor, sie spiele die Proteste herunter. Es müsse Schluss sein mit der kurzatmigen Kostendämpfungspolitik, die die Freiberuflichkeit stranguliere. Eine grundlegende Gesundheitsreform sei dringend notwendig. Der gesundheitspolitische Sprecher der Linksfraktion, Frank Spieth, verwies auf die Situation in den ostdeutschen Bundesländern, wo in einigen Landkreisen freiwerdende Hausarztpraxen und Krankenhausstellen dauerhaft nicht mehr besetzt werden können. Martina Bunge, Vorsitzende des Gesundheitsausschusses, wandte sich insbesondere gegen anstehende Budgetierung ärztlicher Behandlungen durch das Arzneimittel-Spargesetz. Mit den geplanten Tagestherapiekosten könne eine bedarfsgerechte Versorgung der Patienten nicht gewährleistet werden. Chronisch Kranke werden über die drohende Malus-Regelung für Ärzte als "Regress-Risiko" stigmatisiert.

VFA kritisiert Bonus-Malus-Regelung

Auch die Pharmazeutische Industrie zeigte sich solidarisch mit den Ärzten. Die Proteste seien ein weiterer Beleg dafür, dass das deutsche Gesundheitssystem an seine Grenzen stoße, erklärte Cornelia Yzer, Hauptgeschäftsführerin des Verbands Forschender Arzneimittelhersteller (VFA). Das geplante Gesetz zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit in der Arzneimittelversorgung werde die Ärzte "in eine noch schwierigere Lage bringen, indem es mit seiner Bonus-Malus-Regelung massiv in ihr Verordnungsverhalten eingreift". Würden niedergelassene Ärzte dazu gebracht würden, Patienten notwendige Arzneimittel zur Vermeidung von Malus-Zahlungen vorzuenthalten, wäre die "Grenze von Moral und Ethik in der Medizin überschritten".

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