Drogen- und Suchtbericht: Tabak-, Alkohol- und Medikamentenabhängigkeit alarmie

(ghb). Der neue Drogen- und Suchtbericht der Bundesregierung zeigt Licht und Schatten: So ist die Zahl der Drogentoten weiter rückläufig (-4%), eine Studie zur Tabaksteuer sowie das "Modellprojekt heroingestützte Behandlung" brachten positive Ergebnisse. Gleichzeitig warnt die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Sabine Bätzing, aber vor den weiterhin großen Gefahren durch Tabak, Alkohol und andere "harmlose" Drogen: "Sorge bereitet der steigende Cannabiskonsum bei Jugendlichen, hier müssen die Risiken stärker diskutiert und frühzeitig Hilfsangebote bereitgestellt werden", so Bätzing bei der Vorstellung am 3. Mai in Berlin.

Laut Drogen- und Suchtbericht starben im letzten Jahr in Deutschland 1326 Menschen wegen ihres Rauschgiftkonsums. Die Zahl der Todesfälle infolge des Konsums illegaler Drogen ist damit im Vergleich zum Vorjahr um 4% gesunken und seit dem Jahr 2000 rückläufig. Sie befindet sich auf dem niedrigsten Stand seit 1989. Auch die Zahl der polizeilich aufgefallenen Erstkonsumenten so genannter "harter Drogen" ist gesunken.

Empfehlung für "heroingestützte Behandlung"

Dazu erklärte Bätzing: "Es ist eine erfreuliche Nachricht, dass die Anzahl der Todesfälle infolge des Konsums illegaler Drogen im Jahr 2005 weiter zurückgegangen ist. Mit dazu beigetragen hat der Ausbau an niedrigschwelligen Beratungsangeboten für Opiatabhängige, aber auch die Verbesserung in der Substitutionsbehandlung in den letzten Jahren. Ebenso hat sich gezeigt, dass das Modellprojekt zur heroingestützten Behandlung für viele Patienten ≠ein letzter Strohhalm' gewesen ist."

Das "Modellprojekt heroingestützte Behandlung" des Bundes wurde in sieben deutschen Städten - Hamburg, Hannover, Bonn, Köln, Frankfurt, Karlsruhe, München - unter Beteiligung der betroffenen Kommunen und Länder durchgeführt.

Bätzing hält es für sinnvoll, die in der Studie angewandte Behandlung "auch in Zukunft für eine zahlenmäßig begrenzte Gruppe Schwerstabhängiger unter engen Voraussetzungen als Hilfsangebot bereitzustellen. Die heroingestützte Therapie dient dem Überleben der Schwerstabhängigen und ist ein wichtiger Mosaikstein in der Versorgung Opiatabhängiger. Zudem sinkt die Beschaffungskriminalität."

Union: Keine Millionen für kleine Minderheit

Dieser Meinung schlossen sich die Grünen an: Deren drogen- und suchtpolitischer Sprecher Harald Terpe forderte die Unions-Bundestagsfraktion als Reaktion auf den Suchtbericht auf, "ihren Widerstand gegen die jetzt notwendigen Gesetzesänderungen zu beenden." Das dreijährige Modellprojekt habe die Überlegenheit der heroingestützten Behandlung gegenüber der Methadonsubstitution klar nachgewiesen.

Die Drogenbeauftragte der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Maria Eichhorn, reagierte ausweichend: "Heroin zukünftig als Medikament für die Behandlung Schwerstopiatabhängiger zuzulassen, lässt viele Fragen offen, etwa die Frage der Kosten. Viele Millionen Euro werden in Zeiten knapper Kassen für eine kleine Gruppe von Menschen ausgegeben."

Viel wichtiger sei die Präventionsarbeit und die Therapie der vielen jugendlichen Cannabiskonsumenten, für die noch nicht einmal ausreichende Mittel bereitstehen, so die Unions-Drogenexpertin. Außerdem sei nach den Erfolgen von Nichtrauchergesetzen etwa in Italien und Irland auch in Deutschland ein generelles öffentliches Rauchverbot und ein Tabakverbot im Umfeld von Jugendlichen nötig. Die Prävention bei Jugendlichen müsse verstärkt werden, da Tabak Einstiegsdroge für härtere Drogen sei.

Cannabis bleibt Nr. 1

Dieser Meinung schloss sich die Bundesbeauftragte an - zumindest was den Cannabis-Konsum angeht. Denn trotz aller Aufklärung ist Cannabis nach wie vor die am weitesten verbreitete illegale Droge in Deutschland. Über ein Viertel der Jugendlichen hat mindestens einmal Cannabis konsumiert. Das Einstiegsalter ist in den letzten Jahren gesunken und liegt aktuell bei 16,4 Jahren. Dazu erklärt Bätzing: "Je früher die Jugendlichen zum Joint greifen, desto größer ist das Risiko für eine psychische Abhängigkeit. Überall in Europa ist die Entwicklung zu verzeichnen, dass die Jugendlichen die Risiken des Cannabiskonsums unterschätzen." Gefordert sei eine stärkere Aufklärungsarbeit und frühzeitig einsetzende Beratungs- und Hilfsangebote.

Eine Schlüsselfunktion hat laut Bätzing die Tabakprävention. "Wer keine Zigaretten raucht, wird auch nicht so schnell zum Joint greifen. Es ist deshalb erfreulich, dass Rauchen bei Jugendlichen heute schon deutlich weniger 'angesagt' ist", so die Drogenbeauftragte. Während im Jahr 2001 die Raucherquote der 12- bis 17-Jährigen noch bei 28% lag, betrug sie im Jahr 2005 nur noch 20%. Großen Anteil habe hier auch die Tabaksteuererhöhung gehabt, die in einer gesonderten Studie ausgewertet wurde.

Studie: Höhere Tabaksteuer erfolgreich

Die Studie "Umsetzung, Akzeptanz und Auswirkungen der Tabaksteuererhöhung vom 1. September 2002" legte die Bundesbeauftragte zeitgleich mit dem Suchtbericht im Internet vor. Die Studie belegt, dass 6,1% der Befragten wegen der letzten Stufe der Tabaksteuererhöhung mit dem Rauchen aufgehört haben. Damit sei nochmals der Erfolg der Tabaksteuererhöhung belegt.

"Im Vergleich zu illegalen Drogen wiegen die Schäden durch den Konsum legaler Suchtstoffe ungleich schwerer: Wir gehen von über 110.000 tabakbedingten und über 40.000 alkoholbedingten Todesfällen pro Jahr in Deutschland aus, rund 1,7 Mio. Menschen gelten als medikamentenabhängig," betonte Bätzing.

Studien im Web

Den aktuellen Drogen- und Suchtbericht sowie die Studie "Umsetzung, Akzeptanz und Auswirkungen der Tabaksteuererhöhung vom 1. September 2002" finden Sie im Internet unter: www.drogenbeauftragte.de. Die Studienergebnisse und Erfahrungsberichte zur "Heroinstudie" sind auf der Seite www.heroinstudie.de veröffentlicht.

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