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Sterbehilfe – aktiv, passiv oder gar nicht?

Peter Ditzel

Sterbehilfe ist kein Tabuthema mehr. Nach dem jüngsten Vorstoß des Hamburger CDU-Justizsenators Roger Kusch, der sich für die Zulassung der aktiven Sterbehilfe ausgesprochen hat, haben sich mittlerweile einige Politiker, Medienvertreter und Meinungsbildner mit der Frage beschäftigt: Soll in Deutschland die aktive Sterbehilfe, also Tötung auf Verlangen in der letzten Lebensphase, wenn stärkste Schmerzen quälen und keinerlei Aussicht auf Genesung besteht, legalisiert werden? Als Apotheker sollten wir uns an der Diskussion beteiligen, zumal durch unsere Hände Präparate gehen, die dafür eingesetzt werden könnten. Wir sollten uns dazu eine Meinung bilden, denn als Heilberufler muss es uns interessieren, ob und dass Menschen ein menschenwürdiges Sterben und einen menschenwürdigen Tod erfahren. Die Deutschen haben dazu bereits eine Meinung: Einer im Auftrag des „Stern” durchgeführten Umfrage zufolge sind 74 % der befragten Bundesbürger für eine Legalisierung der Sterbehilfe.

Befürworter der aktiven Sterbehilfe nennen in erster Linie das Selbstbestimmungsrecht des Menschen, das die Entscheidung einschließt, ob das eigene Leben noch als lebenswert empfunden wird. Dieses Selbstbestimmungsrecht schließt auch das Recht zum Sterben mit ein. Das Problem ist nur: Bei der aktiven Sterbehilfe muss noch eine weitere Person mit in die Tötung einbezogen werden, was die Frage letztlich auch unter juristischen und ethischen Gesichtspunkten erheblich komplizierter macht. Soll es also ein Recht auf Tötung geben? Soll man z. B. in einer Patientenverfügung verlangen können, dass man im finalen Stadium von einem Arzt die Todesspritze bekommt? Wann hört das Leben auf, menschenwürdig zu sein, wann beginnt menschenunwürdiges Sterben? Wann ist dieses Stadium erreicht? Wenn Befürworter der aktiven Sterbehilfe argumentieren, den freien Willen Schwerstkranker zu respektieren und in ganz schweren Fällen aktive Sterbehilfe zuzulassen, dann ist hier die Frage zu diskutieren, inwieweit diese schwerstkranken Patienten überhaupt noch einen freien Willen haben aufgrund ihrer Krankheit und der Schmerzen.

Ist die passive Sterbehilfe hier ein Kompromiss? Wenn jegliche Behandlung des Schwerstkranken auf sein Verlangen hin eingestellt wird, wenn lebensunterstützende Maßnahmen unterbleiben und am Leben erhaltende Apparate abgeschaltet werden und nur noch die Schmerzen behandelt werden – kommen wir so in dieser Diskussion weiter? Vielleicht, denn in diesen Fällen wird keine zweite Person zur Tötung mit einbezogen. Und passive Sterbehilfe wird, wie zu hören ist, in bestimmten Fällen und bei eindeutigen Patientenverfügungen bereits praktiziert.

Ein Grenzfall zwischen aktiver und passiver Sterbehilfe dürfte sicher die Variante sein, wenn das todbringende Präparat dem Patienten so bereit gestellt wird, dass er es selbst einnehmen kann, mit eigener Hand, sofern er dies im letzten Stadium überhaupt noch kann.

Über all diese Fragen muss jetzt diskutiert werden. Unser Gesundheitswesen ist zum Glück (noch) nicht so weit in finanziellen Nöten, dass bestimmte Therapien nur bis zu einem bestimmten Alter ausgeführt werden. Denn dies könnte das Gefühl bei Patienten erhöhen, ab einem bestimmten Lebensalter und bei bestimmten Krankheiten in dieser Gesellschaft unerwünscht zu sein. Das könnte auch der aktiven Sterbehilfe Vorschub leisten.

Als noch dringlicher sehe ich jedoch die Diskussion über Themen wie Palliativmedizin, Einrichtung von Hospizstationen und die Betreuung Schwerstkranker an. Hier gibt es auch in Deutschland viel Nachholbedarf. Selbst eine effektive Schmerztherapie wird noch lange nicht jedem Schwerstkranken zuteil. Bundesgesundheitsministerin Schmidt hat sich in der letzten Woche für eine bessere Palliativversorgung ausgesprochen. Nach ihren Vorstellungen sollen „Palliative Care Teams” gebildet werden, in denen spezialisierte Ärzte und Pflegekräfte zusammenarbeiten und die Patienten zu Hause versorgen. Diese Teams sollen mit Krankenkassen entsprechende Verträge abschließen. Auch die Palliativversorgung in den Krankenhäusern selbst und in Hospizen soll verbessert werden. Schmidt schätzt die Kosten für diese Maßnahmen auf rund 210 Mio. Euro jährlich. Durch eine wirtschaftlichere Verordnungsweise von Arzneimitteln und geschätzte Einsparungen von 2,9 Mrd. Euro, wie Experten des Arznei-Verordnungsreports vorrechnen, wäre dies leicht zu finanzieren, meint Schmidt.

Ihre Meinung interessiert mich – wie stehen Sie zur Sterbehilfe? Schreiben Sie mir!

Peter Ditzel

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