Recht

Patientenverfügung: Wer soll wann fürs Ende sorgen?

Nach der Entscheidung des BGH: Aller vorsorglichen Dinge sind drei

(bü). Der Bundesgerichtshof (BGH) hat einen jahrzehntelangen Streit zwischen Ärzten und Heimleitungen auf der einen, Patienten und deren Angehörigen auf der anderen Seite entschieden: Eine (nur noch) lebenserhaltende Behandlung eines Menschen darf straffrei abgebrochen werden, wenn die betreffende Person das so will oder dies vorab bereits entschieden hatte. Dies unabhängig davon, ob der Patient selbst oder zum Beispiel ein Betreuer seinen früher geäußerten Willen erfüllt (siehe Kasten).

Das Urteil des Bundesgerichtshofs


Ein Rechtsanwalt war vom Landgericht Fulda wegen "versuchten Totschlags" zu einer Freiheitsstrafe von neun Monaten (auf Bewährung) verurteilt worden, weil er einer Mandantin geraten hatte, die seit fünf Jahren dauernde künstliche Ernährung ihrer Mutter zu beenden. Sie folgte dem Rat. Die Heimleitung bemerkte das und erstattete Strafanzeige gegen Tochter und Anwalt. Die Tochter wurde wegen "unvermeidbaren Erlaubnisirrtums" freigesprochen, der Anwalt wegen "versuchten Totschlags durch aktives Tun" verurteilt.

Der Bundesgerichtshof hob dieses Urteil auf: Die von der Tochter veranlasste Unterbrechung der künstlichen Ernährung sei wegen des von der Mutter fünf Jahre zuvor – wenn auch nur mündlich – geäußerten Willens, unter solchen Bedingungen nicht weiterleben zu wollen, rechtmäßig gewesen. Die durch die Heimleitung vorgenommene Wiederaufnahme der Sondenernährung sei dagegen als ein "rechtswidriger Eingriff gegen das Selbstbestimmungsrecht der Patientin" zu werten. Das gelte insbesondere seit September 2009, als diesbezüglich neues Recht hinsichtlich lebensverlängernder Maßnahmen in Kraft getreten sei. (Az.: 2 StR 454/09)


Ob es sich um einen schweren Verkehrsunfall oder um Krebs im Endstadium handelt: Wessen Leiden kaum noch gelindert, geschweige denn geheilt werden kann, dessen Leben wird häufig künstlich verlängert – meist unter Einsatz von Maschinen. Die Frage ist, ob dies dem mutmaßlichen Willen des Patienten entspricht. Antworten finden müssen dann Ärzte, die "dem Leben verpflichtet" sind, also einen Menschen am Leben erhalten müssen, solange das möglich ist.

Weder Ärzte noch Angehörige haben also das Recht, "direkte" Sterbehilfe zu leisten und lebensverlängernde Maßnahmen zu beenden. "Indirekte" Sterbehilfe ist allerdings möglich, etwa die Gabe besonders starker Schmerzmittel, ohne die der Patient sehr leiden müsste, die aber dazu führen können, dass der Tod früher eintritt.

Wer den Ärzten "Entscheidungshilfe" geben will, der schreibt eine "Patientenverfügung". Ein solches Schriftstück ist – erst recht jetzt mit Blick auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofs – ein wichtiges Indiz für die Mediziner. Es sei denn, die Verfügung lasse erkennen, der Verfasser habe sich oberflächlich mit der Materie befasst. Deshalb wird eine Patientenverfügung am besten selbst (hand-)geschrieben. Dabei kann sie durchaus einem Formular "nachempfunden" sein. Doch sollte sie zumindest erkennen lassen, dass sich der Verfasser intensiv mit dem Thema befasst hat, etwa so:

Für den Fall, dass ich zu einer Entscheidung oder einem Gespräch nicht mehr fähig bin, verfüge ich: Im Fall ...

• meiner nicht mehr zu heilenden Bewusstlosigkeit,

• aller Voraussicht nach schwerster Dauerschädigung meines Gehirns

• des dauernden Ausfalls lebenswichtiger Funktionen meines Körpers

• oder im Endstadium einer zum Tod führenden Krankheit, wenn die Behandlung nur noch dazu führen würde, das Sterben zu verlängern, insbesondere, wenn die Behandlung mit erheblichen Schmerzen oder Beeinträchtigungen verbunden wäre, will ich

– keine Intensivbehandlung

– die Einstellung der Ernährung, nur noch Mundpflege

– nur angst- und/oder schmerzlindernde Maßnahmen, wenn nötig

– keine künstliche Beatmung

– keine Bluttransfusion

– keine Organtransplantation

– keine künstliche Niere

– keinen Anschluss an eine Herz-Lungen-Maschine.

Meine Vertrauensperson(en): Name(n), Adresse(n), Telefon ...

Diese Verfügung wurde bei klarem Verstand und in voller Kenntnis der Rechtslage unterzeichnet.

Ort, Datum, Unterschrift


Wer sich nicht zutraut, eine solche Verfügung individuell abzufassen, der spricht mit dem Hausarzt oder einem Notar. Verbraucherberatungsstellen helfen ebenfalls oft weiter (siehe auch weiter unten). Natürlich kann die Verfügung jederzeit geändert werden.

Sinnvoll ist es, von der Verfügung Kopien zu ziehen, eine davon zu Hause aufzubewahren und eine weitere in der Hand- oder Brieftasche. Stattdessen genügt es auch, nur einen Hinweis mit sich zu führen, aus dem hervorgeht, dass eine Patientenverfügung geschrieben wurde und wo das Original zu finden ist, zum Beispiel bei der Bundesnotarkammer im Zentralen Vorsorgeregister. Ärzte wie Gerichte haben Zugriff auf die dortige Datei.

Auch an "Vorsorgevollmacht" …

Damit dann zur richtigen Zeit ein Anderer für den sterbenskranken Menschen handeln kann, muss ein weiteres Schriftstück vorhanden sein. Das geschieht mit einer "Vorsorgevollmacht", die zweckmäßig zeitlich mit der Patientenverfügung geschrieben wird. Dadurch kann ein Vertrauter ermächtigt werden, in Fragen der Heilbehandlung bis hin zur Entscheidung, wann sie beendet werden soll, für den Kranken einzutreten. Der Zustimmung des Betreuungsgerichts bedarf es nicht mehr.

Dazu der BGH: Die Vorgabe eines Patienten, unter bestimmten Bedingungen nicht weiterleben zu wollen, "rechtfertigt nicht nur einen Behandlungsabbruch durch bloßes Unterlassen weiterer Ernährung, sondern auch ein ‚aktives Tun’, das der Beendigung oder Verhinderung einer von dem Patienten nicht oder nicht mehr gewollten Behandlung dient". "Krankheitsbedingtes Sterbenlassen" ist kein strafbares Töten, sondern straflose Sterbehilfe.

… und an Betreuungsverfügung denken!

Wer für den Fall der Fälle auch geschäftliche und persönliche Angelegenheiten keinesfalls durch einen Fremden erledigt sehen will, was der Fall sein könnte, wenn nicht rechtzeitig auch dafür vorgesorgt wurde, der setzt – drittens – eine Betreuungsverfügung auf. Darin wird dem Amtsgericht, das für die Bestellung eines offiziellen Betreuers zuständig ist, eine vertraute Person als Betreuer vorgeschlagen, zum Beispiel der Ehepartner, eines der Kinder oder ein Freund.

Beispiel:

Für den Fall, dass eine gerichtliche Betreuung notwendig werden sollte, wünsche ich, dass xxx zum Betreuer bestellt wird, bei seiner Verhinderung yyy. Der Betreuer soll vor allem mein Aufenthaltsbestimmungsrecht wahrnehmen (etwa einen Mietvertrag oder die Überweisung in ein Pflegeheim betreffend), ferner meine finanziellen Angelegenheiten regeln und er soll auch Zugriff auf meine Post haben.


Die Gerichte folgen den Vorschlägen regelmäßig.

Wer sich intensiv mit den Möglichkeiten auseinandersetzen will, wie eine Patientenverfügung formuliert werden kann, der lädt sich aus dem Internet die "Formulierungshilfe Patientenverfügung" von der Home-page des Bundesjustizministeriums herunter. – Ein Beratungsteam der "Unabhängigen Patientenberatung – UPD" steht unter der kostenlosen Rufnummer 08000 117722 für Fragen zur Patientenverfügung bereit. Die 22 Beratungsstellen können auch im Internet unter www.upd-online.de erreicht werden.

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