Palliativmedizin und Hospizarbeit: Über die Möglichkeiten der Palliativmedizin

BERLIN (ks). Die aktive Sterbehilfe wird in der Öffentlichkeit derzeit hitzig diskutiert. Darüber wird zum Leidwesen der Deutschen Hospiz Stiftung zumeist ausgeblendet, welche Alternativen für die letzte Lebensphase bestehen. So können Palliativmedizin und Hospizarbeit Sterbende würdig in den Tod begleiten. Doch die Versorgungslandschaft ist karg. Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt ist das Problem bewusst. Sie kündigte an, die palliativmedizinische Versorgung in der kommenden Legislaturperiode zu verbessern.

Eine Vielzahl von Medienberichten rankte sich in den vergangenen Wochen um die aktive Sterbehilfe. So eröffnete die Schweizer Sterbehilfeorganisation jüngst ein Büro in Hannover und löste damit Proteste aus. Auf viel Widerspruch traf auch der Vorstoß des Hamburger Justizsenators Roger Kusch (CDU), der sich für die aktive Sterbehilfe aussprach. Es folgte eine Forsa-Umfrage im Auftrag des "Stern". Bei dieser beantworteten 74 Prozent die Frage, ob es Ärzten erlaubt sein, Schwerstkranken auf deren persönlichen Wunsch hin ein tödliches Mittel zu verabreichen, mit "Ja". Lediglich 20 Prozent der Befragten lehnten eine aktive Sterbehilfe ab.

Andere Ergebnisse bei der Hospiz Stiftung

Am 20. Oktober stellte nun die Deutsche Hospiz Stiftung eine eigene Studie zum Thema Sterben vor. In dieser sprachen sich nur 35 Prozent für eine aktive Sterbehilfe aus. 56 Prozent wollen sterbenskranken Menschen hingegen lieber Palliativmedizin und Hospizarbeit zukommen lassen. Die Ergebnisse der Forsa-Umfrage führt Stiftungsvorstand Eugen Brysch darauf zurück, dass die meisten Menschen wenig darüber wissen, welche alternativen Wege es für Sterbende gibt. So wüssten lediglich drei Prozent der Deutschen etwas mit dem Begriff Palliativmedizin anzufangen und lediglich 20 Prozent wüssten, was unter Hospizarbeit zu verstehen ist.

Die Deutsche Hospiz Stiftung erläutert daher bei ihren seit 1997 laufenden Befragungen in wenigen Sätzen, was es mit den Begriffen auf sich hat: Eine moderne Schmerztherapie kombiniert mit seelsorglicher und sozialer Begleitung von Schwerstkranken. Aktive Sterbehilfe wird dagegen erklärt als "Tötung eines Menschen auf dessen Verlangen oder ohne dessen Zustimmung". Mit diesem Hintergrundwissen antwortete in diesem Jahr nur gut jeder Dritte, dass er eine aktive Sterbehilfe für Schwerkranke und Sterbende eher befürworten würde als den Einsatz von Palliativmedizin und Hospizarbeit. Im Jahr 2000 sprachen sich 36 Prozent für aktive Sterbehilfe aus, 1997 waren es noch 41 Prozent.

Palliativmedizin fristet Nischendasein

Dass der Zuspruch für die Sterbehilfe in den letzten fünf Jahren nicht abgenommen hat, erklärt sich die Deutsche Hospiz Stiftung damit, dass gegenwärtig lediglich 2 Prozent der Sterbenden in Deutschland eine umfassende und professionelle Sterbebegleitung erhalten. Eine hospizliche Versorgung erhalten nur 4,1 Prozent. Nach einer Studie des Verbands der Angestellten-Krankenkassen stehen den 850.000 jährlich sterbenden Menschen derzeit nur 1.130 Plätze in stationären Hospizen zur Verfügung.

Hospiz Stiftung: Kein Sterbehilfe-Gesetz!

Die Deutsche Hospiz Stiftung fordert angesichts der Umfrageergebnisse Konsequenzen. Brysch betonte, dass Deutschland kein Sterbehilfe-Gesetz benötige. Wer dies fordere führe ein "Scheindiskussion" und gehe "an den Bedürfnissen der Menschen vorbei". Die bestehende Gesetzeslage reiche völlig aus, um in Einzelfällen der Sterbehilfe Gerechtigkeit walten zu lassen.

Das deutsche Strafrecht ermöglicht es auch jetzt schon, Sterbehelfer straffrei zu belassen. So wurde in Berlin jüngst die Mutter, die ihrem schwerkranken Sohn Sterbehilfe leistete, zwar schuldig gesprochen, eine Tötung auf Verlangen begangen haben. Eine Strafe wurde in Anbetracht der Umstände des Falles jedoch nicht verhängt. Statt über eine Legalisierung der aktiven Sterbehilfe zu diskutieren fordert die Stiftung, eine flächendeckende ambulante und stationäre Palliative-Care-Versorgung einzuführen. Palliative-Care müsse in alle Bereiche des Sozial- und Gesundheitssystems integriert werden, betonte Brysch.

240 Millionen für Palliativmedizin

Bei Ulla Schmidt trifft der Wunsch nach einer verbesserten palliativmedizinischen Versorgung auf offene Ohren. Sie erklärte in einem Interview mit der "Neuen Osnabrücker Zeitung" (Ausgabe vom 20. Oktober), sie wolle dieses Problem in dieser Legislaturperiode angehen. Für sie ist der Ausbau der von Hospizen und Palliativstationen "die richtige Antwort auf die Forderungen nach aktiver Sterbehilfe, die wir strikt ablehnen." Konkret möchte Schmidt einen eigenständigen Leistungsanspruch auf eine "spezialisierte ambulante Palliativversorgung" einführen, der vor allem unheilbar Schwerstkranken zu Gute kommen soll. "Palliative-Care-Teams" aus Ärzten und Pflegekräften sollen hierfür Verträge mit Krankenkassen abschließen. Rund 330 dieser Teams hält die Ministerin für notwenig, um eine flächendeckende Versorgung sicher zu stellen. Rund 100 Mio. Euro würde dies kosten.

Hinzu kämen weitere 110 Mio. Euro für Medikamente, Heil- und Hilfsmittel, sowie 26 Mio. Euro für eine optimale hausärztliche Versorgung. Schmidt hält dies für finanzierbar: Um diese notwendige und humanitäre Versorgung sicherstellen zu können, sei es "ein Gebot der Stunde Unwirtschaftlichkeiten zu vermeiden", betonte die Ministerin. Schmidt: "Würden z.B. Krankenkassen und Ärzte endlich zu einer wirtschaftlicheren Verordnung von Arzneimitteln kommen, wären allein hier 2,9 Mrd. Euro zu sparen." Diese Einsparpotenzial hatte der jüngst erschiene Arzneiverordnungs-Report 2005 ermittelt.

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