Praxis

U. Birnbaum, E. Räuscher Arzneimittelbezogene Probleme und ihre

In der Apotheke werden jeden Tag zahlreiche arzneimittelbezogene Probleme erkannt und gelöst. Dadurch erhöhen die Apotheken die Arzneimittelsicherheit und reduzieren unnötige Arznei–mittelkosten oder vermeiden Behandlungsfehler mit den entsprechenden Folgekosten. Um genaueren Aufschluss darüber zu erhalten, welche Leistungen die Apotheker kontinuierlich zur sicheren Arzneimitteltherapie der Patienten erbringen, hat die Apothekerkammer Sachsen-Anhalt das Pilotprojekt "Arzneimittelsicherheit " initiiert. Die teilnehmenden Apotheken haben im Verlauf von knapp zwei Jahren insgesamt über tausend Fälle dokumentiert und zur Auswertung an die Apothekerkammer weitergeleitet. Dabei zeigte sich, dass sie insbesondere mögliche Arzneimittelinteraktionen verhindert haben.

Ablauf der Erhebung Im Zeitraum von September 2003 und Juni 2005 wurden in 93 öffentlichen Apotheken in Sachsen-Anhalt insgesamt 1047 arzneimittelbezogene Probleme erfasst. Da im Mai 2005 das Zentrum für Arzneimittelinformation und Pharmazeutische Praxis (ZAPP) der ABDA eine Aktionswoche in öffentlichen Apotheken durchführte, um die täglich in der Apotheke erbrachten Beratungsleistungen zu dokumentieren, gingen bei der Landesapothekerkammer Sachsen-Anhalt auch Meldebögen aus anderen Bundesländern ein, so dass insgesamt 1147 arzneimittelbezogene Probleme dokumentiert und ausgewertet worden sind.

Was sind arzneimittelbezogene Probleme? Unter arzneimittelbezogenen Problemen versteht man alle Ereignisse und Effekte, die in Verbindung mit der Arzneimittelanwendung stehen und die Anwendungssicherheit der Arzneimitteltherapie gefährden und damit den Anwendungserfolg mindern können [1].

Arzneimittelbezogene Probleme werden auch als eine unerwünschte Erfahrung des Patienten definiert, die in offensichtlichem Zusammenhang mit der Arzneimitteltherapie steht und akut oder potenziell das für den Patienten gewünschte Ergebnis beeinträchtigt [2].

Unberücksichtigt bleibt dabei zunächst, welche Gründe für das Auftreten arzneimittelbezogener Probleme verantwortlich sind und welche Konsequenzen sich bei Nichtbeachtung hätten ergeben können.

Klassifikation nach PI-Doc® Die erfassten arzneimittelbezogenen Probleme wurden mit PI-Doc® (Problem-Intervention-Dokumentation) klassifiziert. PI-Doc® wurde im Jahre 1995 in Deutschland aufgrund einer empirischen Studie und unter Berücksichtigung der Klassifizierung von Strand und des PAS-Systems (Problem, Analysis and Solution) entwickelt [3, 4, 5] und erstmals 1998 in der Studie zur Erfassung arzneimittelbezogener Probleme in Bayern an einer größeren Fallzahl (n = 3007) erfolgreich getestet [6]. Für die Erhebung in Sachsen-Anhalt wurden sechs Hauptgruppen mit insgesamt 48 Untergruppen unterschieden (s. Kasten).

Interventionen bei ABP Zunächst wurde die relative Häufigkeit der verschiedenen arzneimittelbezogenen Probleme (ABP) sowie der jeweiligen Interventionen zur Problemlösung analysiert (Abb. 1).

Bei 1008 von 1147 erfassten ABP wurden Interventionen dokumentiert; in 139 Fällen wurde keine Intervention dokumentiert. Am häufigsten traten Probleme der Hauptgruppe A "unzweckmäßige Wahl des Arzneimittels/Hilfsmittels " auf (43%), gefolgt von der Hauptgruppe W "Arzneimittelinteraktionen " (30%). Re–lativ selten wurden Probleme der Kategorie U "unerwünschte Arzneimittelwirkungen " erfasst (1,7%).

Betrachtet man beispielsweise die arzneimittelbezogenen Probleme der Hauptgruppe A "unzweckmäßige Wahl des Arzneimittels/Hilfsmittels " genauer, so zeigt sich, dass oft Arzneimittel verordnet wurden, die nicht mehr im Handel waren. Insbesondere wurde immer wieder Bextra® (Valdecoxib) verordnet, obwohl Laien- und Fachpresse die Marktrücknahme bekannt gemacht hatten. Weiterhin traten häufig Schreib- bzw. Druckfehler auf. Auch fehlten Namenszusätze sowie eindeutige Angaben zur Wirkstärke, Dosierung und Darreichungs–form, sodass es in einigen Fällen nicht möglich war, die Präparate eindeutig zu identifizieren. In 53 Fällen verordneten die Ärzte ein für den Patienten falsches Arzneimittel, was der Apotheker erkannte, sodass er potenzielle Schäden verhindern konnte.

Die arzneimittelbezogenen Probleme der Kategorie W "Arzneimittelinteraktionen " bezogen sich mehrheitlich auf den entsprechenden Hinweis in der Literatur oder im Beipackzettel (Untergruppe W1). Anhand der Zahlen wird deutlich, dass bei den verordnenden Ärzten Informations- und Beratungsdefizite existieren, die die zusätzliche Aufmerksamkeit des Apothekers erfordern.

Arztkontakt und Empfehlung zum Arztbesuch In 67,8% (778 von 1147) der arzneimittelbezogenen Probleme hat der Apotheker den Arzt kontaktiert. In der Regel handelte es sich dabei um verschreibungspflichtige Arzneimittel.

In 38 Fällen (3,3%) hat der Apotheker den Patienten zu einem Arztbesuch aufgefordert. Die Erfahrungen aus der Apothekenpraxis zeigen jedoch, dass dies im Allgemeinen häufiger geschieht. Möglicherweise wurde die Aufforderung zum Arztbesuch nicht immer dokumentiert, da in den Dokumentationsbögen ein entsprechendes Kästchen fehlte.

Kodierung nach ATC-Klassifikation Die von den arzneimittelbezogenen Problemen betroffenen Arzneimittel wurden nach der ATC (anatomisch-therapeutisch-chemischen)-Klassifikation gemäß WHO Collaborating Centre for Drug Sta–tistics Methodology, Stand 2002 [7] manuell kodiert. Dabei wurden die Wirkstoffe nach Zielorgan (zwölf anatomischen Hauptgruppen), therapeutischer Indikation sowie chemischer Wirkstoff–klasse und Identität geordnet.

Insgesamt war es möglich, 1726 Arzneimittel eindeutig einem ATC-Kode zuzuordnen. 99 weitere arzneimittelbezogene Probleme betrafen Hilfsmittel (52), Rezepturen (37), pflanzliche Arzneimittel (6), Verbandstoffe (3) und Hilfsstoffe (1), denen kein ATC-Kode zugeordnet werden konnte. Bestimmte Gruppen wurden aus Gründen der Praktikabilität zusammengefasst, so dass insgesamt 349 verschiedene Wirkstoffe/Produktgruppen unterschieden wurden.

Bezüglich der anatomischen Zuordnung sorgten Arzneimittel, die das kardiovaskuläre System beeinflussen, mit 31,9% für die meisten AMP. Die beiden häufigsten Wirkstoffgruppen waren hier die Betablocker und ACE-Hemmer, und zwar führte bei den Betablockern Metoprolol mit 3,3% (61 von 1147 Fällen; Tab. 1) und bei den ACE-Hemmern Capto–pril mit 2,0% (37) und Ramipril mit 1,7% (32).

15,4% der arzneimittelbezogenen Probleme entfielen auf Präparate für das Zentrale Nervensystem, 11,4% auf Präparate für das Muskel- und Skelettsystem sowie 11,2% auf Präparate für das Alimentäre System und den Stoffwechsel.

Wirkstoffspezifische Problemprofile Es zeigte sich, dass Arzneistoffe mit bestimmten Wirkstoffen Problemschwerpunkte bilden. Daraus lassen sich Problemprofile erstellen und Beratungsschwerpunkte ableiten, die dann in die tägliche Patientenberatung bei der Abgabe des Arzneimittels bzw. Hilfsmittels in der Apotheke einfließen können. Auf die vier am häufigsten von AMP betroffenen Wirkstoffe Diclofenac, Insulin, Metoprolol und Captopril wird im Folgenden näher eingegangen.

Problemprofil Diclofenac Diclofenac ist der Wirkstoff mit den meisten erfassten arzneimittelbezogenen Problemen (Tab. 1). In 76,2% der Fälle (48 von 63) gab es hier theoretisch mögliche Arzneimittelinteraktionen, das heißt: Hinweise in der Literatur oder im Beipackzettel auf eine Arzneimittelinteraktion (W1), und zwar überwiegend mit einem ACE-Hemmer (Abb. 2). Die zusätzliche Einnahme von nicht-steroidalen Antiphlogistika schwächt den blutdrucksenkenden Effekt der ACE-Hemmer, wodurch der mittlere arterielle Blutdruck um 5 bis 10 mm Hg ansteigt, was auf längere Sicht das Herzinfarkt- und Schlaganfall-Risiko erhöhen kann. Bei Patienten mit bereits bestehender Niereninsuffizienz kann sich die Nierenfunktion weiter verschlechtern. Sofern notwendig, informierte der Apotheker den Arzt und empfahl, Kontrollmessun–gen des Blutdrucks durchzuführen.

Das Beispiel Diclofenac macht deutlich, wie wichtig es ist, dass der Apotheker den Patienten umfassend über entsprechende Risiken, Nebenwirkun–gen und Wechselwirkungen informiert. Denn bei Patienten, die nicht-steroidale Antirheumatika über einen längeren Zeitraum einnehmen, treten in über 60% der Fälle Nebenwirkungen wie Übelkeit, Dyspepsie, Sodbrennen oder Oberbauchschmerzen auf [8]. Diese Symptome können mit gastrointestinalen Läsionen verbunden sein, die zu Magen- und Darmgeschwüren führen können. Einfache Maßnahmen, wie z. B. die Einnahme der NSAR mit den Mahlzeiten oder mit einem großen Glas Wasser, können gastrointestinale Symptome reduzieren. Deshalb sind entsprechende Hinweise durch den Apotheker bei der Arzneimittelabgabe unerlässlich [9].

Zehn andere PI-Doc®-Kategorien bei der Verordnung von Diclofenac wurden nur je einmal oder zweimal dokumentiert.

Problemprofil Insulin Bei den Insulin-Verordnungen wurden insgesamt 61 arzneimittelbezogene Probleme dokumentiert, die zwölf verschiedenen PI-Doc®-Kategorien zuzuordnen sind (Abb. 3). In 14 Fällen (26,2%) gab es in der Literatur oder im Beipackzettel Hinweise auf Arzneimittelinteraktionen (W1), z. B. bei gleichzeitiger Verordnung eines Betablockers.

In zwei Fällen zeigten sich Sym–ptome einer Interaktion (W2).

So klagte eine Patientin über Schwindel und Schwächeanfälle, die in diesem Zusammenhang mög–licherweise Anzeichen einer Hypoglykämie waren, da die gleichzeitige Einnahme des ACE-Hemmers Captopril die Insulinwirkung verstärken kann (s.u.). Symptome einer Unterzuckerung traten auch bei der gleichzeitigen Verordnung von Insulin und dem Betablocker Metoprolol auf (s.u.).

In 13 Fällen (21%) wurde in der Verordnung der Arzneimittelname unbeabsichtigt verwechselt (A13) und in acht Fällen (13%) eine unzweckmäßige Darreichungsform (A8) verordnet wie z. B. Fertigspritzen anstelle von Patronen.

Auch Doppelverordnungen des gleichen Wirkstoffs (A4), fehlende bzw. falsche Applikationshilfen oder Zubehörteile, z. B. Kanülen (A6) und mangelndes Wissen über die korrekte Applikation (C1) wurden in mehreren Fälle als ABP dokumentiert und erfordern die besondere Aufmerksamkeit und Kontrolle des Apothekers.

Zudem werden immer wieder Insulinpräparate verordnet, die bereits außer Handel sind. Dann ist es in vielen Fällen möglich, das richtige Präparat zu ermitteln und nach Rücksprache mit dem Arzt abzugeben.

Festzustellen bleibt, dass Diabetespatienten ein hohes Potenzial an arzneimittelbezogenen Problemen aufweisen, was auch zahlreiche andere Studien belegen [6, 10]. Deshalb sind ein geschultes Monitoring und eine intensive Beratung unerlässlich, um langfristig den Therapieerfolg zu sichern.

Problemprofil Metoprolol Auch bei den Metoprolol-Verordnungen machten Hinweise auf Arzneimittelinteraktionen in der –Literatur oder im Beipackzettel (W1) die meisten arzneimittelbezogenen Probleme aus (35 von 61; 59,0%), so z. B. die gleichzeitige Verordnung von Metoprolol mit Diclofenac oder Indometacin (Abb. 4). Bei der Kombination von Metoprolol und Insulin sind in einem Fall Symptome einer Unterzuckerung aufgetreten (s.o.).

Weiterhin wurden verschiedene ABP der PI-Doc®-Hauptgruppen A "unzweckmäßige Auswahl des Arzneimittels/Hilfsmittels " dokumentiert:

  • Verordnung einer falschen Stärke (A7), z. B. von Beloc Zok® forte anstelle von Beloc Zok® oder die Umstellung von einem 50 mg-Präparat auf ein 100 mg-Präparat ohne Information der Patientin über die daraus folgende Dosierungsänderung.
  • Doppelverordnungen (A4) wie z. B. Metoprolol AL® 50 und Metoprolol-ratiopharm® 200 mg Retardtabletten zweimal Metohexal® 100 retard, obwohl in einem Fall Falithrom® gemeint war.
  • Unzweckmäßige Darreichungsform (A8); so wurden in mehreren Fällen unteilbare Metoprolol-Retardpräparate wie Metohexal® Z 100 mg retard mit der Dosierung 1 ◊ ł oder 2 ◊ ł verordnet. In einem anderen Fall erhielt ein Patient das Retardpräparat Beloc Zok®, obwohl er nur Flüssignahrung zu sich nehmen konnte. Die Ehe–frau wunderte sich bei der Zerkleinerung der Tablette über das "kleine Schwämmchen ". Nach Rücksprache des Apothekers mit dem Arzt wurde auf ein nicht-retardiertes Metoprolol-Präparat gewechselt.

Wie diese Beispiele belegen, ist es bei der Abgabe von Metoprolol-Präparaten besonders wichtig, die Angaben zur Stärke, Dosierung und Darreichungsform zu überprüfen, um die Abgabe eines falschen bzw. ungeeigneten Präparates zu vermeiden.

Problemprofil Captopril Auch bei den Capto–pril-Verordnungen wurden am häufigsten theo–retisch mögliche Arzneimittelinteraktionen (W1) dokumentiert, nämlich in 31 von 37 Fällen (83,8%; Abb. 5).

Des Öfteren wurde Captopril zusammen mit Spironolacton verordnet, obwohl aufgrund dieser Kombination eine verstärkte Kalium-Retention und somit eine Hyperkaliämie möglich ist. Durch Hinweise des Apothekers an die Ärzte wurden Kontrolluntersuchungen des Kaliumspiegels initiiert, sofern diese nicht bereits regelmäßig stattfanden. In einem Fall erschien die Spironolacton-Dosierung sehr hoch und wurde nach Rücksprache mit dem Arzt reduziert. In einem anderen Fall zeigten sich Symptome einer Hypoglykämie aufgrund der Wechselwirkung von Insulin und Captopril (s.o.).

Bei gleichzeitiger Verordnung von Captopril mit nichtsteriodalen Antirheumatika (2 Fälle) wurden die Ärzte informiert, dass diese Kombination die blutdrucksenkende Wirkung des Captoprils vermin–dert. Wollten mit Captopril behandelte Patienten im Rahmen der Selbstmedikation ein freiverkäufliches NSAR erwerben, wurden sie auf die Wechselwirkung hingewiesen und ihnen ein anderes schmerzstillendes Arzneimittel empfohlen.

Zwei Doppelverordnungen durch Fach- und Hausarzt wurden bei Captopril festgestellt (A4), z.B. ACE-Hemmer ratiopharm® und Captohexal®. Nur durch die Aufmerksamkeit des pharmazeutischen Personals wurde die Doppelabgabe und -einnahme mit den möglichen Konsequenzen verhindert.

Dreimal wurde Captopril mit einer falschen Stärke verordnet (A7), z. B. Captopril 12,5 anstelle von Captopril 25 oder Captocomp® 50 / 12,5 anstelle von Captocomp® 50 / 25. Dies bestätigt, dass der Apotheker bei der Abgabe von Captopril-Präparaten unbedingt die Angaben zur Stärke bzw. zur Dosierung überprüfen sowie für mögliche Wechsel–wirkungen sensibilisiert sein muss.

Fazit: Apotheker wichtig für die Arzneimittelsicherheit Das von der Apothekerkammer Sachsen-Anhalt initiierte Projekt "Arzneimittelsicherheit " bestätigt erneut die Bedeutung des Apothekers für die Arzneimittelsicherheit. Durch den engen Kontakt zum Patien–ten und die für ihn zugänglichen Informationen ist es dem aufmerksamen Apotheker möglich, arzneimittelbezogene Probleme zu erkennen und gemeinsam mit dem Arzt bzw. auch direkt mit dem Patienten zu lösen. Seine tagtäglichen Leistungen sind auch gesundheitspolitisch und gesundheits–ökonomisch von Bedeutung, da nicht erkannte arzneimittelbezogene Probleme die Gesundheit des Patienten gefährden oder die Effektivität der Pharmakotherapie schwächen und damit weitere Kosten im Gesundheitswesen verursachen können.

Unter Alltagsbedingungen werden arzneimittel–bezogene Probleme besonders dann häufig erkannt, wenn das Problembewusstsein für konkrete therapeutische Situationen geschärft ist. Die Erarbeitung wirkstoffspezifischer Problemprofile ist hierbei sinnvoll und hilfreich, da sich dadurch detaillierte und differenzierte Hinweise zu Problemschwerpunkten bei ausgewählten und häufig verordneten Arzneimitteln ableiten lassen. Ein Apotheker, der die Problemschwerpunkte kennt, kann besser beraten, Schäden vermeiden und den Therapieerfolg sichern und steigern.

Kosteneinsparungen durch Apotheker Der Apotheker erhöht nicht nur die Arzneimittel–sicherheit, sondern senkt auch die Kosten, was hier nicht näher untersucht wurde, da die Hoch–rechnung aus einer vergleichsweise kleinen Datenmenge immer Unsicherheiten birgt. Aus anderen Arbeiten ist aber bekannt, dass in begrenztem Umfang direkte Kosteneinsparungen z. B. durch die Vermeidung von Doppelverordnungen zu erwarten sind [12]. Noch wichtiger sind die Einsparungen, die sich durch die Vermeidung von Krankenhauseinweisungen ergeben.

Leistungen dokumentieren und weiter ausbauen Apotheker sollten nicht nur im Rahmen von Studien [6, 13–16] oder bei Spontanmeldungen, sondern routinemäßig alle auftretenden arzneimittelbezogenen Probleme und ihre Lösung dokumentieren, um zu belegen, welchen Beitrag sie zur Arz–neimittelsicherheit und optimalen Arzneitherapie leisten. Flächendeckend und kontinuierlich erhobene Daten er–höhen die statistische Aussagekraft. Eine zeitsparende EDV-Dokumentation ist durch die Einbindung entsprechender Dokumentationsbögen in die Apotheken-Softwareprogramme möglich.

Ferner sollten Fortbildungsveranstalten – auch gemeinsam mit Ärzten – durchgeführt werden, in denen relevante arzneimittelbezogene Probleme dargestellt und –Lösungsansätze entwickelt werden, die in der täglichen Beratung anwendbar sind. Die Einbindung der Ärzte in derartige Maßnahmen ist sinnvoll, um die Rücksprachen zu erleichtern.

Apotheken erhöhen die Arzneimittelsicherheit und reduzieren unnötige Arzneimittelkosten, Behandlungsfehler werden vermieden. Das zeigte ein von der Apothekerkammer Sachsen-Anhalt initiiertes Pilotprojekt. 100 Apotheken haben knapp zwei Jahre lang typische Probleme und ihre Lösungen dokumentiert.

Modifiziertes PI-Doc®-Kodierungssystem auf der Basis der Erhebung in Sachsen-Anhalt 2005

A Unzweckmäßige Wahl des Arzneimittels/Hilfsmittels

  • A1 Arzneimittel/Hilfsmittel für die Indikation ungeeignet
  • A2 physiologische Kontraindikation nicht berück–sichtigt
  • A3 Kontraindikation durch Begleiterkrankung nicht berücksichtigt
  • A4 Doppelverordnung des gleichen Wirkstoffs/Hilfsmittels
  • A5 Doppelverordnung aus der gleichen Wirkstoffgruppe/Hilfsmittelgruppe
  • A6 fehlende bzw. falsche Applikationshilfen, Zubehörteile, Zusatzgeräte
  • A7 falsche Stärke
  • A8 unzweckmäßige Darreichungsform
  • A9 unzweckmäßige Packungsgröße
  • A10 falsche Schreibweise des Handelsnamens
  • A11 Arzneimittel/Hilfsmittel außer Handel
  • A12 (unzweckmäßiger) Wechsel eines Generikums durch den Arzt
  • A13 unbeabsichtigte Verwechselung des Arzneimittelnamens/Hilfsmittelnamens

C Unzweckmäßige Anwendung durch Patienten/Compliance

  • C1 mangelndes Wissen über korrekte Applikation, Anwendung, Handhabung
  • C2 technische Handhabungs- und Bedienungsprobleme des Patienten und ihre Ursachen
  • C3 Patient wendet Arzneimittel/Hilfsmittel ohne vorliegende Indikation an
  • C4 Patient wendet empfohlenes Arzneimittel/Hilfsmittel nicht an (primäre Non-Compliance)
  • C5 selbständige Veränderung der empfohlenen Dosierung
  • C6 unzweckmäßige Dauer der Anwendung
  • C7 unzweckmäßiger Anwendungszeitpunkt
  • C8 kein oder unzureichendes therapeutisches Drug Monitoring, wo erforderlich

D Unzweckmäßige Dosierung

  • D1 Patient kennt seine Dosierung nicht
  • D2 keine Stärke angegeben, wenn mehrere Stärken verfügbar
  • D3 Überdosierung
  • D4 Unterdosierung
  • D5 unzweckmäßige Dosierungsintervalle

W Arzneimittelinteraktion

  • W1 Hinweis auf eine Arzneimittelinteraktion in Literatur/Beipackzettel
  • W2 Symptome einer Interaktion
  • W3 Angst des Patienten vor einer Interaktion (Non-Compliance)

U Unerwünschte Arzneimittelwirkung

  • U1 Angst des Patienten vor unerwünschten Arzneimittelwirkungen
  • U2 Symptome einer unerwünschten Arzneimittel–wirkung
  • U3 Unterbrechung der Medikation aufgrund einer nicht akzeptablen Unverträglichkeit

S Sonstige Probleme

patientenbezogen

  • SP1 begrenztes Wissen über die Art der Erkrankung oder eines Arzneimittels/Hilfsmittel
  • SP2 Angst vor der Anwendung von Arzneimitteln allgemein
  • SP3 Unzufriedenheit mit der gegenwärtigen Behandlung
  • SP4 unzweckmäßiger Lebensstil des Patienten
  • SP5 Patient möchte sein bisheriges Arzneimittel nicht wechseln
  • SP6 Patient erhält trotz bestehender Indikation kein Arzneimittel

kommunikationsbezogen

  • SK1 Text der Packungsbeilage ist zu schwierig
  • SK2 falsch verarbeitete bzw. keine Information von anderen Gesundheitsanbietern
  • SK3 Sprachbarrieren bei ausländischen Patienten

rezepturbezogen

  • SR1 galenische Probleme
  • SR2 Unzweckmäßige Dosierung
  • SR3 Unzweckmäßige Wahl einer Rezeptur

technische und logistische Probleme

  • ST1 Verordnung für den falschen Patienten
  • ST2 Probleme mit der Krankenkasse (Kostenübernahme)
  • ST3 unvollständig ausgefülltes Rezept
  • ST4 Sonderbeschaffungen
  • ST5 schadhafte Arzneiform bzw. defektes Gerät

Bewertung der Arzneimittelproblemprofile

Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass bei den ausgewählten Wirkstoffen die theoretisch möglichen Arzneimittelinteraktionen (W1) das häufigste arzneimittelbezogene Problem sind. Da viele Patienten mehrere Arzneimittel gleichzeitig anwenden müssen, ist grundsätzlich ein hohes Interaktionspotenzial vorhanden. Das unterstreicht erneut die Notwendigkeit des Apothekers, Interaktionschecks durchzuführen und gegebenenfalls die Therapie negativ beeinflussende Interaktionen in entsprechender Zusammenarbeit mit dem behandelnden Arzt zu verhindern.

Viele Verordnungsfehler kommen daher, dass viele verschiedene Hersteller denselben Wirkstoff in einer großen Variabilität hinsichtlich Darreichungsform, Wirkstärke und Packungsgröße auf den Markt bringen. Jeder Arzt verordnet viele verschiedene Präparate mit demselben Wirkstoff [11], aber nicht immer ist die Auswahl optimal; dafür sind detaillierte Kenntnisse zu den einzelnen Präparaten unerlässlich.

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