Feuilleton

Arzneimittelgeschichte: Alchemie und Pharmazie

Alchemie – was ist das? Hexerei und Zaubersprüche? Zischende Retorten, in denen geheimnisvolle Substanzen brodeln? Der Stein der Weisen? Goldmacherei? Die Suche nach der Panacee? Viele Legenden ranken sich um die Alchemie.

Die Alchemie kannte – wie schon die antike Naturphilosophie – die vier Elemente Feuer, Wasser, Luft und Erde, fügte ihnen aber noch ein fünftes Element hinzu, die Quinta essentia oder den Stein der Weisen, mit dessen Hilfe die Umwandlung unedler Metalle in Gold (Transmutation) oder die Herstellung eines Universalheilmittels (Panacee) möglich sein sollte.

Ein frühes Dokument der Alchemie ist die "Tabula smaragdina" des legendären Hermes Trismegistos, die nach der These "wie oben so unten" einen Zusammenhang zwischen Makro- und Mikrokosmos, Menschen und Pflanzen, Planeten und Metallen oder Organen behauptete.

Zwar misslangen die Versuche der Alchemisten, Gold oder ein Universalheilmittel herzustellen, doch machten sie wichtige Entdeckungen und Erfindungen, so etwa die Darstellung von Natriumsulfat, die Säureherstellung im Großmaßstab oder die Herstellung von Porzellan (Meißner Manufaktur). In dieser Hinsicht ist die Alchemie als eine Vorgängerin der heutigen Chemie anzusehen.

Chemiatrie

Derjenige, der die Chemiatrie hoffähig machte, war Theophrastus von Hohenheim genannt Paracelsus (1493 – 1541). Er hat dem galenischen Prinzip der Arzneizubereitung das spagyrische Prinzip entgegengesetzt. Aus einer pflanzlichen Droge gewann er die spagyrische Urtinktur in mehreren Schritten:

  • Durch Fäulnis oder Gärung entsteht zuerst ein Brei.
  • Durch Destillation wird das flüchtige Prinzip (Mercurius) abgetrennt.
  • Der Rückstand wird bei 400 bis 600 °C verascht; dadurch werden das brennbare Prinzip (Sulphur) und das feste Prinzip (Sal) getrennt.
  • Mercurius und Sal werden wiedervereinigt.

Eine große Rolle spielten die Metalle in der Chemiatrie. So hatte Paracelsus aus Blei, dessen Giftigkeit er sehr wohl kannte, eine innerlich anzuwendende Arznei gegen Epilepsie und Melancholie hergestellt. Auch nach Paracelsus wurden Bleizubereitungen noch zur Behandlung schwerer Krankheiten wie Syphilis, Gonorrhö, Typhus oder Cholera empfohlen. Heute wird Blei noch in homöopathischen Präparaten verwendet; vermutlich ist es auch in vielen ayurvedischen Arzneimitteln enthalten.

Spagyrik heute

Im 19. Jahrhundert erreichte die therapeutische Alchemie eine Renaissance, u. a. durch Cesare Mattei (1809 – 1896), der die Elektrohomöopathie entwickelte, sowie durch die Spagyrik von Carl-Friedrich Zimpel (1801 – 1879).

Verschiedene, vor allem im süddeutschen Raum ansässige Firmen produzieren auch heute noch Medikamente nach spagyrischen Regeln: die Firmen Jso (von Johannes Sonntag in Regensburg gegründet), Lemasor (in den frühen 90er-Jahren durch Heilpraktiker entstanden), Pekana (begründet von Apotheker Beyersdorff), Phönix (in Stuttgart von Johann Glückselig gegründet), Phylak Sachsen (1996 von Dr. Naidu eröffnet), Soluna (1920 von Alexander von Bernus gegründet), Strath-Labor in Donaustauf (von Dr. Walter Strathmeyer gegründet) und als größte Firma Staufen-Pharma (aus der Homöopathischen Zentralapotheke in Göppingen entstanden), die nach Zimpels Herstellungsprinzip 2000 Ausgangsstoffe verarbeitet und einen eigenen Pflanzenanbau betreibt.

Dr. Martine Strobel

Quelle 
Dr. Robert Meixner, Weikersheim; Dr. Axel Helmstädter, Eschborn; Dr. Thomas Lederer, Heidelberg; Prof. Dr. Marcus Plehn, Brackenheim. Vortragsveranstaltung „Alchemie und Pharmazie“ der Landesgruppen Baden und Württemberg der Deutschen Gesellschaft für Geschichte der Pharmazie (DGGP) am 16. Oktober 2004 in Weikersheim.

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