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Apothekerverband Mecklenburg-Vorpommern: Gesundheitsreform – viele praktis

ROSTOCK (tmb). Über 200 Mitglieder des Apothekerverbandes Mecklenburg-Vorpommern kamen am 24. September 2003 zur Wirtschaftstagung des Verbandes nach Rostock-Warnemünde Ų und das in einem Bundesland mit weniger als 400 Apotheken. Das enorme Interesse galt den Neuerungen im Apothekenwesen aufgrund des GKV-Modernisierungsgesetzes. In Vorträgen und Diskussionen wurden die praktischen Folgen der Reform beleuchtet. Je tiefer in die Thematik eingestiegen wird, um so mehr neue Fragen und Problemfelder ergeben sich, die für Apotheken in allen Bundesländern gleichermaßen bedeutsam sind.

Der Verbandsvorsitzende Dr. Gerhard Behnsen beklagte, die Regierung habe im Vorfeld der Reform alle Argumente von berufsständischen Organisationen als Lobbyismus abgetan. Gegen den starken politischen Druck hätten sich die Standesorganisationen nicht durchsetzen können. Doch seien immerhin Abmilderungen erreicht worden, die sich noch als wesentlich erweisen könnten.

Mehr Wettbewerb im Gesundheitswesen

Dr. Sebastian Schmitz, ABDA-Geschäftsführer Wirtschafts- und Vertragsrecht, führte in die apothekenrelevanten Neuregelungen aufgrund des GKV-Modernisierungsgesetzes ein. Im Vorfeld der Reform hätten Politiker und Krankenkassenfunktionäre immer wieder betont, der Wettbewerb sollte die Probleme des Gesundheitswesens lösen.

Allerdings stellten sich die Vertreter der Krankenkassen unter Wettbewerb eine Struktur vor, bei der Leistungserbringer mit ihren kleinen Betriebseinheiten den monopolistischen Krankenkassen gegenüberstehen. So könnten die Krankenkassen die Preise diktieren.

In der nun vorliegenden Reform ergeben sich für Apotheken neue Wettbewerbsstrukturen durch selektive Einzelverträge, die Teilöffnung der Krankenhäuser für die ambulante Versorgung, den Arzneimittelversandhandel und die neue Arzneimittelpreisverordnung. Schmitz erläuterte diese Aspekte des Wettbewerbs, wie er dies bereits eine Woche zuvor im Arbeitskreis 3 des Deutschen Apothekertages in Köln getan hatte (einen ausführlichen Bericht hierzu finden Sie in DAZ 39 auf den Seiten 92 bis 100).

Ergänzend zu seinen Ausführungen auf dem Apothekertag hob Schmitz das Hausapothekenmodell als Reaktion der Apotheker auf die Herausforderungen der integrierten Versorgung besonders hervor. Zusätzliche Leistungen aufgrund solcher Verträge müssten auch zusätzlich honoriert werden. Hierzu würden bereits Verhandlungen geführt.

Auch der Wettbewerb auf dem Hilfsmittelmarkt werde weiter zunehmen. Hier würden die Festbeträge auf Landesebene bis Ende 2004 durch Bundesfestbeträge ersetzt. Ein neues Erstattungsgrenzensystem für Hilfsmittel wirke letztlich als reines Preisdumping.

Wer zahlt für neue Leistungen?

Teilnehmer äußerten Zweifel, ob die Krankenkassen zusätzliche Leistungen der Hausapotheken bezahlen würden. Stattdessen sollten solche Leistungen den Patienten kostenpflichtig angeboten werden. Verbandsgeschäftsführer Dr. Heinz Weiß sieht dagegen durchaus Ansätze für die Verhandlungsbereitschaft der Kassen, beispielsweise im Rahmen eines DMP für Diabetiker.

Behnsen argumentierte, die Krankenkassen könnten angesichts des Wettbewerbs um die Versicherten eine nachweisbar bessere Leistung nicht ignorieren. Nach Ansicht von Schmitz sollten die Apotheker den Krankenkassen Angebote zur wirtschaftlichen Arzneimittelauswahl unterbreiten.

Zuzahlungen und Befreiungen – Fragen aus der Praxis

In der weiteren Diskussion ging es um praktische Fragen zum Umgang mit den voraussichtlichen Neuregelungen ab Januar 2004. Nach Einschätzung von Schmitz brauchen Apotheken nicht die Verordnungsfähigkeit ausnahmsweise verordneter nicht-verschreibungspflichtiger Arzneimittel zu prüfen, zumal sie die Indikation nicht kennen können. Bis zum 31. März liege die Entscheidung ohnehin beim Arzt.

Insbesondere im wirtschaftsschwachen Mecklenburg-Vorpommern werden viele Probleme aufgrund der neuen Befreiungsregeln erwartet. Prinzipiell dürfte am 1. Januar niemand mehr befreit sein, weil Befreiungen künftig erst ausgesprochen werden können, wenn eine bestimmte Belastung bereits erreicht wurde.

Doch seien alte Befreiungsbescheide mit längerer Gültigkeitsdauer formal noch gültig. Wie Schmitz erläuterte, befürwortete die ABDA, dass die Krankenkassen solche Befreiungen gegenüber jedem einzelnen Versicherten persönlich widerrufen, um für klare Verhältnisse zu sorgen.

Es sei auch noch offen, wie Versicherte ihre bereits geleisteten Zuzahlungen für Hilfsmittel nachweisen sollen. Für Hilfsmittel zum Verbrauch sollen pro Monat nur bis zu 10 Euro zugezahlt werden müssen. Zu klären sei auch, welche Hilfsmittel dies betrifft.

Weitere Probleme werden durch die erstmals fälligen Zuzahlungen für Sozialhilfeempfänger erwartet. Daraufhin forderte ein Teilnehmer der Veranstaltung, die Krankenkassen sollten nach dem Jahreswechsel in jeder Apotheke einen Mitarbeiter zur Information der Versicherten bereitstellen. Die Apotheken könnten die umfangreiche Aufklärungsarbeit weder personell noch finanziell leisten.

Wilhelm Soltau, ehemaliger Kammerpräsident in Mecklenburg-Vorpommern, sieht weitere Probleme durch das Zusammenspiel von Kombimodell und neuer Zuzahlungsregel auf die Apotheken zukommen. Da alle verschreibungspflichtigen Arzneimittel dann über 8,10 Euro kosten, komme künftig niemand mehr ohne eine Zuzahlung von mindestens 5 Euro aus der Apotheke.

Die Medien würden voraussichtlich enorme Preiserhöhungen in den Apotheken beklagen, ohne die Zusammenhänge darzustellen. Hier bräuchten die Apotheker unbedingt Unterstützung durch eine wirksame Öffentlichkeitsarbeit.

Preiswettbewerb bei Hilfsmitteln

Im weiteren Verlauf der Veranstaltung stellten verschiedene Vertreter des Verbandes die Marktsituation bei unterschiedlichen Hilfsmitteln und bei Impfstoffen dar, bei denen Preiswettbewerb herrscht. Dabei ging es immer wieder um die grundsätzliche Frage, ob der Apothekerverband Niedrigpreisen zustimmen soll, damit die Apotheken im Markt bleiben. Solche Preise könnten aber allenfalls für Apotheken mit sehr großen Umsätzen rentabel sein.

Als Lösungsmöglichkeit zeichneten sich Verträge ohne Kontrahierungszwang ab. So könne in jeder Apotheke für jeden Vertrag einzeln geprüft werden, ob sich der Beitritt zu den ausgehandelten Bedingungen lohnt bzw. ob die drohenden Verluste in diesem Fall im Interesse der gesamten Wettbewerbssituation hingenommen würden.

Dabei sei zu bedenken, dass Versandhändler, die sich in einem Bereich etablieren, ihr Geschäft leicht auf andere Marktsegmente ausdehnen können. So drohe parallel zum Hilfsmittelversand für Diabetiker künftig der Versand von Insulin durch Versandapotheken.

Arbeiten nach der Reform

Weitere Vorträge bei der Wirtschaftstagung befassten sich mit der betriebswirtschaftlichen Entwicklung der Apotheken vor dem Hintergrund des Beitragssatzsicherungsgesetzes und der künftigen Reform sowie mit der Beziehung zwischen Apotheken und pharmazeutischem Großhandel nach der Änderung der Preisstrukturen.

Ausführliche Berichte hierzu lesen Sie bitte auf den Seiten 28 und 31 in dieser DAZ.

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