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Kombimodell: Rendite-Hochrechnungen lassen Entwicklungen ahnen

OBERHAUSEN (ri). Insgesamt beschäftigten sich drei Redner bei der von Heitfeld und Hexal veranstalteten Tagung "Reform Positionierung Ų Apotheken-Strategie-Forum" mit Rendite-Hochrechnungs-Modellen, wobei Wirtschaftsanwalt Dr. Bernhard Bellinger "seine" Zahlen erst zu einem späteren Zeitpunkt veröffentlichen möchte. Wir stellen Ihnen deshalb ausführlich das Modell des Apothekers Dr. Hans Reers vor. Im angehängten Kasten finden Sie die Musterrechnung von Hans Georg Heyne, Steuerberater und Rechtsanwalt sowie Partner der Ernst & Young AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft.

Doch zunächst das Modell von Dr. Hans Reers. Seine Hochrechnung bezieht sich auf das Jahr 2002 als Basis, da das Beitragssatzsicherungsgesetz (BSSichG) nur als kurzlebiger Ausgabenbremsklotz der GKV für 2003 installiert und mit Inkrafttreten des neuen Gesetzes wieder aufgehoben wird.

Für die Betrachtung der Hochrechnung des Referenten gilt die AMpreisV, die die Handelsspannen von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln nach § 2 für den Großhandel (GH) und nach § 3 für Apotheken empfindlich verändert. Da die neu geplanten Spannenveränderungen erheblichen Einfluss auf die Wirtschaftlichkeit eines Apothekenbetriebes haben, ist die rechnerische Auseinandersetzung hiermit zwingend notwendig, um sich frühzeitig ein Bild davon zu machen, in welche Richtung der wirtschaftliche Zug in 2004 fährt.

Betrachtungen der Großhandels-Ebene: GH-Zuschläge

Nach § 2 der AMpreisV (GH-Zuschläge für Fertigarzneimittel) betrug der Aufschlagsatz des Großhandels (GH) in 2002 durchschnittlich 12,7 % und leistete nach Mitteilung des PHAGRO hiervon einen durchschnittlichen Rabatt an Apotheken von effektiv 7,3 %. Somit verblieben dem Großhandel noch 5,4 % (12,7 % ./. 7,3 % Rabatt = 5,4 %) zur Ertragsschöpfung und Bedienung eigener Kosten. Durch Novellierung von § 2 AMpreisV wird der Aufschlagsatz beim Großhandel über das Gesamtsortiment um 5,8 % auf nur noch durchschnittlich 6,9 % gekappt, resultierend aus einem Aufschlagsatz im Verschreibungsbereich von 6,3 % und dem umsatzkleineren OTC-Bereich von 8,0 %.

Unter Voraussetzung einer gleichen Absatz-, Ertrag- und Kostenstruktur wie in 2002 stehen zur Rabattgewährung an Apotheken in 2004 theoretisch somit nur noch maximal effektive 1,5 % (6,9 % ./. 5,4 % = 1,5 %) zur Verfügung. Da die Betriebskosten von Großhandel zu Großhandel ca. 2,4 % vom Gesamtergebnis sehr unterschiedlich sind, limitieren diese auch in erster Linie die Höhe einer Rabattgewährung an Apotheken. Während hier der genossenschaftliche Großhandel seine Betriebskosten mit ca. 6 bis 7 % fährt, kommen andere mit 4 bis 5 % vom Gesamtumsatz aus. Die hohen Betriebskosten beim genossenschaftlichen Großhandel ist jedoch z. T. auch durch die freiwilligen Anteile der Genossen und die Ausschüttung darauf begründet.

Großhandels-Rabatt

Wird der durchschnittliche Rabatt in 2002 von 7,3 % komplett gestrichen, bedeutet das für den Rohgewinn einer Durchschnittsapotheke allein im GKV-Bereich einen erhöhten Wareneinsatz (WE) von ca. 43 000 Euro und auf den gesamten WE ca. 74 000 Euro. Die mögliche Rabattierung in 2004 auf reduzierte 1,5 % in 2004 bringen dann im GKV-Bereich nur noch ca. 8000 Euro und auf den gesamten WE ca. 14 000 Euro.

Wie dem auch sei: Diese Absenkung ist vom Gesetzgeber bewusst so gewählt, damit Rabattgewährungen an Apotheken in Zukunft nicht mehr möglich sind und auf einen sog. "Bonus" für Rationalisierungseffekte in der Warenlogistik begrenzt bleiben.

Das heißt: Intensive Verhandlungen mit dem Großhandel sind zwingend notwendig, um schon auf der Einkaufsstufe den wirtschaftlichen Dammbruch zumindest mit Sandsäcken zu minimieren. Hier müssen eventuell auch langjährige gute Geschäftsbeziehungen zu Grabe getragen werden, damit die eigene Apotheke überleben kann.

Für die Apotheken tritt an Stelle der bisher degressiv gestalteten Apothekenzuschläge in § 3 Abs. 3 der AMpreisV nun für verschreibungspflichtige Arzneimittel das sog. Kombimodell. Es basiert auf dem holländischen Fixum-Modell, wobei hier aber nicht berücksichtigt wurde, dass in den Niederlanden eine Apotheke ca. 10 000 Einwohner, in Deutschland aber nur ca. 3900 Einwohner versorgt.

Dagegen werden alle apothekenpflichtigen, nicht verschreibungspflichtigen Arzneimittel auch in Zukunft bei einer ärztlichen Verordnung wie gewohnt durch die degressiv gestalteten Zuschläge kalkuliert, wobei im GKV-Bereich dann ein Abschlag von 5 % greift. Im HV sind diese jedoch nach § 1 Abs. 4 AMpreisV von Preisspannen und Preisen ausgenommen, also frei kalkulierbar. Das Kombimodell soll nach ABDA-Aussage "einigermaßen rohertragsneutral für die Gesamtheit aller Apotheken sein". Bei gleichen Apothekeneinkaufspreis (AEP) und gleichem Verordnungsverhalten sollen hiermit keine nennenswerten Umsatz-, sondern lediglich sog. Struktureffekte erzielt werden.

Kombi-Modell-Rechnung

Nach Überzeugung von Reers sollten sich Apotheker darüber bewusst sein, dass das Abgabehonorar in DM 15,84 beträgt. Da im Schnitt pro Rezept 1,5 Packungen verordnet werden, erzielen Apotheker pro Rezept 12,15 Euro (PKV) oder 9,57 Euro (GKV inkl. Abschlag) entsprechend 23,76 DM (PKV) oder 18,72 DM (GKV inkl. Abschlag). Um vielfach gehörte Verunsicherungen aus der Kollegenschaft auszuräumen, wies der Redner in diesem Zusammenhang darauf hin, dass der GKV-Abschlag von 2,00 Euro als Bruttobetrag nach § 130 SGB V zu verstehen ist. Netto wären es dann 1,72 Euro.

Euro-Berechnungsdifferenz

Die sich daraus ergebende Differenz von 0,28 Cent beträgt im GKV-Bereich immerhin 9457 Euro für die Durchschnittsapotheke. Um nun die Auswirkungen auf die Rendite in 2004 hochzurechnen, betrachtete Reers die Umsatzstruktur der Apotheken in 2002. Grundlage dieser Betrachtungsweise war die Auskunft der ABDA mit Stand April 2003 im Faltblatt "Die Apotheke" und die in der DAZ vom 15. Mai 2003 veröffentlichten Zahlen (s. DAZ Nr. 20 vom 15. 5. 2003, S. 68 ff). Danach beträgt der Gesamtumsatz der Apotheken in 2002 netto genau 31,1 Mrd. Euro (ohne MwSt). Mit Arzneimitteln wurden ca. 29 Mrd. Euro Umsatz oder 94 % getätigt, der Umsatz mit Nicht-Arzneimitteln betrug 2 Mrd. Euro oder 6 %.

Der größte Umsatz im Arzneimittel-Markt resultiert aus ärztlichen Verordnungen mit ca. 80 % und ca. 25 Mrd. Euro, während mit OTC-Arzneimitteln 4,4 Mrd. Euro entsprechend ca. 14 % umgesetzt worden sind. Im Verordnungsmarkt dominiert der Anteil an verschreibungspflichtigen Arzneimittel mit ca. 22 Mrd. Euro oder ca. 70 %. Hiervon entfallen auf den GKV-Bereich ca. 20 Mrd. Euro und auf den PKV-Bereich ca. 2 Mrd. Euro, während nicht-verschreibungspflichtige, apothekenpflichtige Arzneimittel mit 6,6 Mrd. Euro ca. 21 % des Gesamt-Umsatzes ausmachen. Der Gesamtumsatz von 31,1 Mrd. Euro entspricht bei 21 465 Apotheken, also einem durchschnittlichen Nettoumsatz von 1,45 Mio. Euro (genau: 1,44887) pro Apotheke (Brutto = 1,68 Mio. Euro). Das durchschnittliche Betriebsergebnis vom Institut für Handelsforschung Köln (s. DAZ Nr. 20 vom 15.5.2003, S. 71) kommt hier wie die Treuhand Hannover (AWA vom 1.7.2003, S. 4) faktisch zum gleichen Ergebnis.

Betriebsergebnis netto 2002

Danach hatte eine Apotheke einen durchschnittlichen Rohertrag von 30,28 %, also 439 060 Euro, von 1,45 Mio. Nettoumsatz, erzielt. Hieraus wurden dann die steuerlich abzugsfähigen Kosten (22,27 % von 1,45 Mio. Euro oder 322 915 Euro) bedient. Ebenfalls ist zu berücksichtigen, dass hier der effektive Wareneinsatz, also inkl. Rabatte, gerechnet wurde.

Daraus ergibt sich aus 21 465 Apotheken in 2002 ein Durchschnittsgewinn von 8,01 % oder gleich 116 145 Euro auf Basis von 1,45 Mio. Euro netto. In 2002 wurden in den deutschen Apotheken insgesamt 1,650 Mio. Arzneimittel-Packungen verkauft. Der Referent rechnete die freiverkäuflichen Arzneimittel mit 67 Mio. Stück = 4 % und die apothekenpflichtigen Arzneimittel mit 855 Mio. Stück oder 52 % ab. Es entfallen also auf den Verschreibungsbereich 725 Mio. Packungen oder 44 % vom Gesamt-Volumen. Von diesen 725 Mio. Packungen entfallen zu Lasten der GKV 655 Mio. Packungen mit einem Umsatz von 19,7 % Mrd. Euro und zu Lasten der PKV 70 Mio. Packungen mit einem Umsatz von ca. 2,2 Mrd. Euro. Danach lassen sich Packungsanzahl und Roherträge differenzieren.

Rohgewinnvergleich 2002/2004

Bei 21 465 Apotheken in 2002 bedeutet das für die Durchschnittsapotheke 33 776 Packungen mit einem Gesamt-Umsatz von 1 020 266 Euro (21,9 Mrd. Euro geteilt durch 21 465 Apotheken). Hierbei setzten sich in Bezug zum GKV-Anteil von 25 850 Packungen mit einem Apothekenverkaufspreis (AVP) von 777 568 Euro und einen PKV-Anteil von 7827 Packungen mit einem AVP von 242 698 Euro zusammen. Unter Rabattberücksichtigung von 7,3 % in 2002 bedeutet das in der GKV-Versorgung (AEP-Volumen von 587 363 Euro – brutto = 630 240 Euro – und einen AVP-Volumen von 777 568 Euro) einen Rohertrag von 206 087 Euro und aus dem PKV-Bereich (Nettoumsatz von 242 698 Euro) einen Rohertrag von 75 362 Euro. Somit betrug der Rohertrag bei verschreibungspflichtigen Arzneimittel in 2002 281 449 Euro. Zum Vergleich des Rohertrags in 2002 von 281 449 Euro aus 33 776 Packungen mit dem Kombimodell bezog sich Reers außerdem auf die Angaben in der AWA vom 15. Juli 2003, da hier auch die Gängigkeit von verschreibungspflichtigen Arzneimittel in zwölf verschiedenen AEP-Klassen wieder gespiegelt wird.

Die Hochrechnung unter Berücksichtigung der Häufigkeit in den einzelnen AEP-Klassen ergibt also einen Rohgewinn in 2004 inkl. einer Rabattierung von 1,5 % für den GKV-Bereich in Höhe von 223 387 Euro und für den PKV-Bereich von 77 735 Euro und somit einen gesamten Rohbetrag in 2004 von 301 122 Euro.

Kombimodell rohertragsneutral

Insofern ist die Aussage des Referates Statistik der ABDA zutreffend, dass "das Kombimodell einigermaßen rohertragsneutral für die Gesamtheit aller Apotheken sein wird und bei gleichem AEP und gleichem Verordnungsverhalten auch keine nennenswerten Rohertrags-Minderungen zu erwarten sind." Größere Wirkung wird jedoch bei Veränderung der Verordnungsstruktur zu erwarten sein, auf die der Redner ebenfalls einging:

Durch das Kombimodell werden teure, hochpreisige Arzneimittel zum Teil erheblich preiswerter, niedrigpreisige Arzneimittel werden zum Teil erheblich teurer! Auffällig ist, dass bei einem AEP zwischen 13,00 Euro und 36,00 Euro die Roherträge nach dem Kombi-Modell in etwa mit denen aus 2002 übereinstimmen, während in allen anderen AEP-Klassen die Unterschiede enorm sind. Interessant ist in diesem Zusammenhang auch die Fragestellung, bei welchem AEP oder AVP pro Packung das Kombi-Modell rohertragsmäßig für uns günstiger im Vergleich zur noch gültigen AMpreisV ist und ab wann nicht mehr.

Im PKV-Bereich erzielen wir bei einem AEP von 23,85 Euro oder einem AVP von 37,90 Euro in 2004 eine gleich hohe Rendite wie mit der aktuellen AMpreisV. Unter 23,85 Euro AEP bzw. unter 37,90 Euro AVP steigt die Rendite nach dem Kombimodell ebenfalls, oberhalb fällt sie im Vergleich zur aktuellen AMpreisV.

Im GKV-Bereich müssen Apotheker neben den unterschiedlichen Aufschlagsstrukturen auch die unterschiedlichen Abschläge berücksichtigen. So erzielen sie eine gleich hohe Rendite bei einem AEP in 2002 von 25,50 Euro bzw. von 22,20 Euro in 2004. Gleiches gilt auch für den AVP von 41,75 Euro in 2002 bzw. 35,90 Euro in 2004. Das bedeutet also, unter einem AEP von 24,50 Euro bzw. AVP von 41,75 Euro in 2002 oder einem AEP von 22,20 Euro bzw. AVP von 35,90 Euro in 2004 steigt die Rendite nach dem Kombimodell, oberhalb derselben fällt sie im Vergleich zur aktuellen AMpreisV. Damit beträgt der durchschnittliche AVP bei verschreibungspflichtigen AM ca. 30,00 Euro netto und vergrößert somit nach dem Kombimodell gerechnet den Rohgewinn.

Generika

Nach Überzeugung von Reers ist zu erwarten, dass der Anteil an Generika weiter um jährlich ca. 15 % wächst. Neu sind Festbeträge auch für die patentgeschützten "Me-too"-Produkte, die i. V. mit einer schärferen Auslegung der unteren Preis-Drittel-Linie sowie dem neu geplanten, 15%igen Preisabstand zum Original- bei den Import-Arzneimittel zwar zu weiteren Umsatzverlusten beitragen werden. Doch diese führen durch die damit verbundene Senkung der AVP zur Erhöhung des Rohgewinns. Hier ist also Umdenken notwendig nach dem Motto: Umsatz ist noch lange kein Ertrag!

Der Referent erwartet negative Umsatz- und Ertragseffekte für stark verordnungslastige Apotheken in Verbindung mit einem überdurchschnittlich hohen Anteil an verschreibungspflichtigen Produkten aus dem Hochpreis-Segment, wie Zytostatika, Interferone, Erythropoetin u. a. Hiervon ist im Regelfall die Durchschnitts-Apotheke ebenso betroffen, wie die in Center- oder City-Lauflagen.

Im Hinblick auf die geplante Verquickung der Verschreibungspflicht mit der Erstattungsfähigkeit durch die GKV erlaubte sich der Referent eine Spekulation: "Diese Verquickung bedeutet für mich, dass Arzneimittel erst ein gewisses gesundheitliches Gefährdungspotenzial selbst bei bestimmungsgemäßem Gebrauch nach § 48 AMG aufweisen müssen oder auf Grund ihres vermutlichen Risikos nach § 49 AMG noch nicht endgültig zu beurteilen sind, um erstattungsfähig zu sein. Das bedeutet im Umkehrschluss, wirksame und nebenwirkungsarme Arzneimittel sollen ihre GKV-Erstattungsfähigkeit verlieren, da sie nicht mit einem ausreichend hohen Risikopotenzial behaftet sind." Reers erwähnte diesen Punkt, da nach aktuellen Umfragen ca. 35 % der Ärzte ihren Patienten statt des bisher erstattungsfähigen Präparats ein verschreibungspflichtiges Alternativprodukt verordnen werden. Das bedeutet zumindest eine Teilkompensation im Umsatz neben den Ausnahmen in ca. zehn bis zwölf besonderen Indikationsklassen (z. B. ASS + Mistel) und bei Kindern bis zum zwölften Lebensjahr.

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