AMPreisV

AMPreisV im Wandel

Grundlagen und Geschichte der Arzneimittelpreisverordnung

Von Uwe Hüsgen | Arzneimittel sind "Waren der besonderen Art"; deshalb unterliegen sie zum weitaus größten Teil der Apothekenpflicht. Außerdem existiert beim Handel und der Abgabe von Arzneimitteln eine staatlich kontrollierte Aufschlagmarge: "Die Preise und Preisspannen müssen den berechtigten Interessen der Arzneimittelverbraucher, […] der Apotheken und des Großhandels Rechnung tragen." Auch aus diesem Grunde bedarf es der regelmäßigen Überprüfung dieser Preise und Preisspannen durch den Gesetz- bzw. Verordnungsgeber (s. hierzu § 78 Arzneimittelgesetz).

Grundlage und Rechtfertigung für den außergewöhnlich strengen und restriktiven Umgang mit Medikamenten sind die entsprechenden gesetzlichen Bestimmungen zu Forschung, Herstellung und Vertrieb von Arzneimitteln. Im Interesse einer ordnungsgemäßen Arzneimittelversorgung trägt der Gesetzgeber damit Sorge für die Sicherheit im Verkehr mit Arzneimitteln, insbesondere für deren Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit (§ 1 Arzneimittelgesetz, AMG).

Apothekenpflicht – Dispensierverbot für Ärzte

Da Arzneimittel so gut wie immer auch Nebenwirkungen haben, sind sie in Deutschland – von wenigen, in §§ 44 bis 46 AMG geregelten Ausnahmen abgesehen – per Gesetz apothekenpflichtig (§ 43 AMG). Ungeachtet dieser Vertriebsbindung dürfen bestimmte Arzneimittel aus Gründen des Verbraucherschutzes zudem nur gegen Vorlage einer ärztlichen Verordnung abgegeben werden (Rx-AM). Unabhängig vom Status des Arzneimittels ist die Trennung zwischen Verordnung und Abgabe, d. h. zwischen Arzt und Apotheke, seit Jahrhunderten gesetzlich geregelt. Durch das Dispensierverbot für Ärzte soll deren Unabhängigkeit bei der Therapiewahl gewahrt werden.

Für alle apothekenpflichtigen Arzneimittel gilt ein Selbstbedienungsverbot (§ 52 AMG in Verbindung mit § 17 Apothekenbetriebsordnung), das in jüngster Zeit vom BVerwG in beeindruckender Weise bestätigt worden ist. Denn Arzneimittel bedürfen der Information und Beratung, wobei die entsprechenden Vorschriften im Zuge der Novellierung der Apothekenbetriebsordnung in § 20 präzisiert und verschärft worden sind. Die Information, Beratung und Abgabe haben durch Apotheker oder durch anderes pharmazeutisches Personal unter Aufsicht eines Apothekers zu erfolgen.

Versorgungsauftrag

Apotheken sind verpflichtet, die Bevölkerung flächendeckend und rund um die Uhr mit Arzneimitteln zu versorgen. Die entsprechende Vorschrift in § 1 Abs. 1 Apothekengesetz lautet: "Den Apotheken obliegt die im öffentlichen Interesse gebotene Sicherstellung einer ordnungsgemäßen Arzneimittelversorgung der Bevölkerung." Weitere Gesetze und Verordnungen regulieren detailliert die Pflichten der Apotheken mit Blick auf Versorgungsauftrag (z. B. Öffnungszeiten, Vorratshaltung) und Versorgungsumfang (z. B. Sortimentsbeschränkung). Der Heilberufler Apotheker ist quasi ein "Staatsdiener ohne Beamtenstatus".

Gesetzliche Preisbindung für Rx-FAM

Den Pflichten stehen auch Rechte gegenüber, insbesondere das Exklusivrecht, apothekenpflichtige Arzneimittel abzugeben. Daher gibt es im Gegensatz zu anderen Betrieben keinen Branchen-übergreifenden Wettbewerb um potenzielle Kunden. Eine Werbung wie "Ich kaufe meine Arzneimittel in der Apotheke" ist entbehrlich – es sei denn, die Apotheke will sich gegenüber dem Internethandel profilieren.

Ein weiteres, fundamentales Recht der Apotheken ist (seit 2004 allerdings nur noch für Rx-FAM) die "Preisbindung der zweiten Hand", die bis auf wenige Ausnahmen (wie Bücher, Zeitschriften, Tabakwaren) kartellrechtlich verboten ist. Unter Verweis auf die "Konstitutionen von Melfi", 1241 durch den Stauferkaiser Friedrich II. erlassen, wurden die Arzneimittelpreise gesetzlich festgelegt, "um Preistreiberei zu verhindern".

Diese Rechte bedeuten aber nicht, dass zwischen Apotheken kein Wettbewerb stattfindet. Der Leistungswettbewerb unter den Apotheken ist ein deutliches Beispiele für gelebte Konkurrenz (eher bedenklich ist hingegen der Preiswettbewerb bei OTC-Arzneimitteln).

Deutsche Arzneitaxe seit 1899

Die Geschichte der Deutschen Arzneitaxe (DAT), später als Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisV) bezeichnet, ist eng mit der Geschichte der Gesetzlichen Krankenversicherung, die am 15. Juni 1883 unter Reichskanzler Otto von Bismarck ins Leben gerufen wurde, verbunden. Im Jahre 1899 erhoben die Apotheken auf den Apothekeneinkaufspreis (AEK) einen einheitlichen Aufschlag von 60%, der im Jahr 1927 auf 75% erhöht wurde (Tab. 1).

Tab. 1: Preisbildung durch Aufschlag auf den Apothekeneinkaufspreis (AEK) gemäß Deutscher Arzneitaxe bzw. Arzneimittelpreisverordnung, 1899 bis 2003

AEK
(RM bzw. DM)
Aufschlag
auf AEK
1899
0,01 – ∞
60%
1927
0,01 – ∞
75%
1929
0,01 – 2,50
75%
2,51 – 3,20
1,90 RM
3,21 – ∞
60%
1932
0,01 – 2,50
64%
2,51 – ∞
60%
1933
0,01 – 1,00
70%
1,01 – 1,03
(1,70 RM*)
1,04 – 2,50
64%
2,51 – 2,56
(4,10 RM*)
2,57 – 7,50
60%
7,51 – 8,00
(12,00 RM*)
8,01 – ∞
50%
1952
0,01 – 1,00
70%
1,01 – 1,09
0,70 DM
1,10 – 2,50
64%
2,51 – 2,66
1,60 DM
2,67 – 8,00
60%
8,01 – 9,60
4,80 DM
9,61 – 15,00
50%
15,01 – 16,66
7,50 DM
16,67 – 25,00
45%
25,01 – 28,11
11,25 DM
28,12 – 40,00
40%
40,01 – 48,00
16,00 DM
48,01 – ∞
331 /3 %
1965
0,01 – 2,50
70%
2,51 – 2,72
1,75 DM
2,73 – 8,00
64%
8,01 – 8,52
5,12 DM
8,53 – 15,00
60%
15,01 – 17,99
9,00 DM
18,00 – 25,00
50%
25,01 – 25,77
12,50 DM
27,78 – 40,00
45%
40,01 – 44,99
18,00 DM
45,00 – 60,00
40%
60,01 – 72,00
24,00
72,01 – ∞
331 /3 %
1968
0,01 – 2,40
74%
2,41 – 2,62
1,75 DM
2,63 – 7,60
68%
7,61 – 8,20
5,17 DM
8,21 – 14,28
63%
14,29 – 16,99
9,00 DM
17,00 – 23,75
53%
23,76 – 26,79
12,59 DM
26,80 – 38,00
47%
38,01 – 57,00
17,86 DM
42,53 – 57,00
42%
57,01 – 68,39
23,94 DM
68,40 – ∞
35%
1978 (ab 2002: Euro-Beträge)
0,01 – 2,40
68%
2,41 – 2,64
1,63 DM
2,65 – 7,60
62%
7,61 – 8,27
4,71 DM
8,28 – 14,28
57%
14,29 – 16,97
8,14 DM
16,98 – 23,75
48%
23,76 – 26,52
11,40 DM
26,53 – 38,00
43%
38,01 – 44,17
16,34 DM
44,18 – 57,00
37%
57,01 – 70,30
21,09 DM
70,31 – ∞
30%
* Abgabepreis. Quelle: ABDA

Nach einem Intermezzo – von 1929 bis 1931: Festzuschlagstufe zwischen zwei degressiv ausgestalteten (prozentualen) Aufschlagsätzen; 1932: zwei Aufschlagsätze von 64% bzw. 60% – kam es 1933 erstmals zu einer "ausformulierten Ausgestaltung der DAT in degressiver Form". (Degression bedeutet, dass mit steigendem Einkaufspreis der prozentuale Aufschlagsatz / Rohertrag sinkt.) Bei insgesamt vier prozentualen Zuschlagsätzen (zwischen 70% und 50%) lag zwischen zwei prozentualen Zuschlagsätzen jeweils ein Festzuschlag, der mit dem absoluten Rohertrag des Endpunktes der vorherigen Stufe und des Anfangspunktes der folgenden Stufe übereinstimmte.

In der Bundesrepublik wurde die Taxe 1952 auf insgesamt 13 AEK-Stufen erweitert, von denen für sieben Stufen prozentuale Zuschläge und für die dazwischen liegenden sechs Stufen Festzuschläge (nach dem oben beschriebenen Prinzip) Anwendung fanden.

Bei der nächsten Umstellung im Jahre 1965 wurden wegen der allgemeinen Preisentwicklung die für die Taxierung zugrunde liegenden AEK-Stufen vergrößert, ohne die Zuschlagsystematik im Prinzip zu verändern. So konnte sichergestellt werden, dass nicht zu viele Arzneimittel in die höchsten AEK-Stufen (mit den geringsten prozentualen Zuschlägen) abwanderten. Bereits drei Jahre später wurde die Taxe geringfügig modifiziert und ihre Grundsystematik beibehalten; die Apotheken wurden wirtschaftlich ein wenig besser gestellt. Die vorerst letzte Umstellung der degressiv ausgestalteten AMPreisV trat 1978 in Kraft; die prozentualen Zuschläge und folglich auch die Festzuschläge wurden reduziert, ohne die AEK-Stufen vom Prinzip her zu verändern.

Mit dieser Preisbildungssystematik, die für alle apothekenpflichtigen Arzneimittel und damit für fast das gesamte Apothekensortiment galt, waren zugleich alle Gemeinwohlverpflichtungen (z. B. Not- und Nachtdienst) abgegolten. Die Apotheken lebten damit gut 20 Jahre auskömmlich, auch deshalb, weil zwischenzeitlich der "einheitliche Abgabepreis" gesetzlich festgeschrieben worden war (§ 78 (3) AMG).

Preisbildungssystematik wird problematisch

In den 1990er Jahren verschlechterte sich die wirtschaftliche Situation der Apotheken zunehmend; das Betriebsergebnis vieler Apotheken rutschte in die roten Zahlen. Die Einkaufsrabatte (insbesondere des Großhandels) wurden überlebenswichtig und trugen bis zu zwei Drittel zum Gewinn vor Steuern bei. Da der gewährte Rabatt vom Einkaufsvolumen abhing – je höher der (Großhandels-)Umsatz, desto höher der prozentuale [!] Rabatt – , profitierten umsatzstarke Apotheken davon viel mehr als umsatzschwache Apotheken. Dies war eine gesundheitspolitisch bedenkliche Entwicklung, und es wurde der Vorwurf laut, die apothekerliche Empfehlung oder Auswahl eines Arzneimittels richte sich vornehmlich an der Höhe des Preises aus. In der öffentlichen Wahrnehmung drohten die Begriffe "Heilberuf" und "Apotheker" fast zu unversöhnlichen Gegensätzen zu mutieren. Die Forderung (auch vonseiten des Berufsstandes) nach einer strukturellen Umstellung der Preisbildungssystematik für Arzneimittel stand damit im Raum.

Umstellung auf das Kombimodell

Mit der Einführung des Kombimodells folgte die Politik weitgehend den Vorstellungen der Apothekerschaft. Auf der Basis von Ausgangswerten aus dem Jahre 2002 (Packungen, Umsatz, Apothekeneinkauf und Rohertrag) wurde die AMPreisV in § 3 ab dem 1. Januar 2004 wie folgt neu geregelt:

Bei der Abgabe von (verschreibungspflichtigen) Fertigarzneimitteln, die zur Anwendung bei Menschen bestimmt sind, durch die Apotheken sind zur Berechnung des Apothekenabgabepreises ein Festzuschlag von 3% zuzüglich 8,10 Euro sowie die Umsatzsteuer zu erheben.

Die Umstellung der AMPreisV in dieser Form sollte bewirken, dass die Apotheken – bei der Abgabe von verschreibungspflichtigen Fertigarzneimitteln (Rx-FAM) zulasten der GKV – überdurchschnittlich (zu rund 90%) für ihre heilberufliche (Beratungs-)Leistung honoriert und nur bedingt (zu rund 10%) für ihre kaufmännische Tätigkeit (Bestellung, Lagerung usw.) entlohnt werden (vgl. [1]). Durch einfachen Dreisatz (10% des Rohertrages sollen durch den 3%igen "kaufmännischen Aufschlag" erzielt werden) erkennt man, dass den Apotheken bei der Einführung des Kombimodells für das Jahr 2004 im GKV-Markt ein Aufschlag (netto) von etwa 30% zugestanden werden sollte. (Bei Rx-FAM außerhalb der GKV wurde mit der Umstellung ein Verhältnis "Honorar zu kaufmännischer Komponente" von etwa 92 zu 8 angestrebt; der Nettoaufschlag hätte folglich bei rund 37% gelegen.) Damit wurden quasi die beiden letzten Zuschlagstufen der vorher gültigen AMPreisV von 1978 übernommen, aber zugleich völlig neue Anreize gesetzt: Nicht der Umsatz, sondern die Zahl der abgegebenen Packungen bestimmt seit 2004 die Höhe des Rohertrages im Rx-FAM-Segment. Sollten die Apotheker früher jemals $-Zeichen im Auge gehabt haben, so steht seit 2004 eindeutig der Kunde / Patient im Mittelpunkt! Der Weg "zurück zu den Wurzeln" konnte beginnen.

Die Umstellung der Preissystematik hatte allerding auch einen bitteren Beigeschmack: Seit Anfang 2004 fallen nur noch Rx-FAM unter die neue AMPreisV; die anderen Arzneimittel sind seither dem Preiswettbewerb ausgesetzt.

Umsatz und Rohertrag seit 2004

Die nachfolgende Analyse beschränkt sich weitestgehend auf den GKV-Markt mit Rx-FAM, weil dem Autor verlässliche Daten für den Rx-FAM-Markt außerhalb der GKV für den Zeitraum von 2004 bis 2012 nicht vollständig vorliegen. Dennoch können die Ergebnisse auf den restlichen Rx-FAM-Markt übertragen werden, denn dessen Anteile am Gesamtmarkt bezüglich Herstellerabgabevolumen und Packungen (14%), Umsatz und Mehrwertsteuer (14,5%) und absolutem Rohertrag (knapp 17%) sind im gesamten Zeitraum so gut wie konstant.

Das Kombimodell startete im Jahre 2004 anders als gedacht; mit 14,454 Mrd. Euro lag der AEK der zulasten der GKV abgegebene Rx-FAM um mehr als 1,5 Mrd. (oder um 12%) über Plan, die Zahl der abgegebenen Packungen unterschritt mit 526,5 Mio. dagegen den Sollwert um gut 16 Mio. (bzw. um 3%). Die Gründe dafür sind schnell aufgezählt: Die Industrie hatte sich frühzeitig mit ihrer Packungs- und Preisgestaltung auf das GKV-Modernisierungsgesetz (GMG) eingestellt; und mit Inkrafttreten des GMG änderten die Vertragsärzte ihr Verschreibungsverhalten deutlich.

Obwohl die Apotheken mit einem Rohertragsplus von 45 Mio. Euro am gestiegenen Einkauf partizipierten, blieb das Honorar durch den Festzuschlag in 2004 um weit über 100 Mio. Euro hinter den Erwartungen zurück. Mehr noch als der Ertragsrückgang schmerzte, dass mit dem Einkaufsvolumen zwangsläufig der Umsatz und damit die GKV-Ausgaben für Arzneimittel stiegen, denn dies veranlasste die Politik, (auch) den Apothekern die Daumenschrauben noch fester anzuziehen.

Das AEK-Volumen für GKV-Rx-FAM stieg, von 2006 abgesehen, Jahr für Jahr weiter. Im Jahre 2012 lag es mit 20,258 Mrd. um ca. 5,8 Mrd. Euro über dem Wert in 2004 (Tab. 2); das entspricht einem Zuwachs von mehr als 40%. Der Rohertrag der Apotheken aus der kaufmännischen Komponente (3% auf den AEK) stieg – der Logik des Kombimodells folgend – in derselben prozentualen Größe, und zwar von 434 Mio. auf 608 Mio. Euro.

Tab. 2: Apothekeneinkaufswert (AEK), Apothekenrohertrag, bestehend aus kaufmännischer Komponente (kfm. Kp., 3%) und Apothekenhonorar (8,10 Euro Festzuschlag minus Kassenrabatt), Nettoumsatz, Mehrwertsteuer (MwSt.) und Bruttoumsatz (abzgl. jeweils gültigem Kassenrabatt gemäß § 130 SGB V) für zulasten der GKV abgegebene verschreibungspflichtige Fertigarzneimittel seit 2004. Alle Angaben: Millionen Euro

Jahr
AEK
Rohertrag
Umsatz
netto
MwSt.
Umsatz
brutto
kfm. Kp.
Honorar
insges.
2002
12.909
2004
14.454
434
3.357
3.791
18.244
2.919
21.163
2005
16.043
481
3.522
4.003
20.046
3.207
23.253
2006
15.833
475
3.453
3.928
19.760
3.162
22.922
2007
16.873
506
3.450
3.956
20.829
3.957
24.786
2008
18.160
545
3.579
4.124
22.284
4.234
26.518
2009
19.213
576
3.845
4.421
23.634
4.490
28.124
2010
19.448
584
3.876
4.460
23.908
4.543
28.451
2011
19.677
590
3.752
4.342
24.019
4.564
28.583
2012
20.258
608
3.749
4.357
24.615
4.677
29.292
Anstieg
2004 – 2012
40,2%
40,2%
11,7%
14,9%
34,9%
60,2%
38,4%
Quellen: 2002: BMG; ab 2004: INSIGHT Health; eigene Berechnungen

Mit diesem Zuwachs beim Apothekeneinkaufsvolumen konnte die Zahl der abgegebenen Rx-FAM-Packungen nicht Schritt halten; sie stieg von 526,5 Mio. in 2004 auf 587,8 Mio. in 2012, d. h. um 11,6% (Tab. 3). So legte der AEK eines zulasten der GKV abgegebenen Rx-FAM von 2004 bis 2012 um mehr als 25% zu; unter Berücksichtigung der wachsenden Anteile der Generika und (seit 2007) der rabattbegünstigten Arzneimittel ist dies ein Indiz dafür, dass die Ärzte vermehrt Großpackungen verordnet haben.

Anteil des Honorars am Rohertrag rückläufig

Mit der Zunahme der abgegebenen Menge (Absatz) stieg auch das Apothekenhonorar (in prozentual gleicher Höhe) von 3,357 Mrd. auf 3,749 Mrd. Euro (Tab. 2), allerdings mit spürbaren Ausschlägen in Abhängigkeit von der jeweiligen Höhe des Kassenabschlags nach § 130 SGB V. Durch den höheren Kassenabschlag in 2011 und 2012 (2,05 Euro je Rx-FAM) unterschritt das Apothekenhonorar im Jahre 2012 (3,752 Mrd. Euro) dasjenige aus dem Jahre 2009 (3,845 Mrd. Euro) um 93 Mio. Euro, obwohl die Apotheken im Jahr 2012 über 7,8 Mio. GKV-Rx-FAM mehr abgegeben hatten als 2009.

Die unterschiedliche Entwicklung von Einkaufs- und Absatzvolumen bei den GKV-Rx-FAM macht sich beim Apothekenrohertrag insgesamt deutlich bemerkbar; er ist von 3,791 Mrd. Euro im Jahre 2004 um 566 Mio. auf 4,357 Mrd. Euro in 2012 (d. h. um 14,9%) angestiegen (Tab. 2). In diesem Zusammenhang ist besonders beachtenswert, dass der Rohertrag aus der kaufmännischen Komponente fast dreieinhalb Mal schneller gestiegen ist als derjenige aus dem Honorar; folglich ist der Anteil des Honorars am gesamten Rohertrag von 88,6% auf 86,0% gefallen, und der Anteil der kaufmännischen Komponente ist von 11,4% auf 14,0% gestiegen.

Die Ausgaben-dämpfende Konstruktion des Kombimodells wird mit Blick auf die Umsatzentwicklung (netto) deutlich. Stieg das Einkaufsvolumen im Berichtszeitraum um 40,2%, so legte der Nettoumsatz nur um 34,9% zu. Der Bruttoumsatz (= GKV-Ausgaben zzgl. Zuzahlungen der Versicherten) für Rx-FAM ist aber deutlich stärker als der Nettoumsatz gestiegen, nämlich von 21,161 Mrd. in 2004 um 8,131 Mrd. auf 29,292 Mrd. Euro in 2012, d. h. um 38,4%. Größter Nutznießer dieser Entwicklung war der Staat; denn die anteilige Mehrwertsteuer, die Anfang 2007 von 16% auf 19% erhöht wurde, wuchs von 2,919 Mrd. auf 4,677 Mrd. Euro, d. h. um 60,2%!

Rohertragsentwicklung unzureichend

Der Rohertragszuwachs der Apotheken von 14,9% (Tab. 2) resultiert insbesondere aus dem oben dargestellten Mengenzuwachs von 11,6%, der mit entsprechenden Mehraufwendungen der Apotheken (insbesondere an qualifizierten Mitarbeitern) verbunden war. Im Ergebnis liegt der Absatz-bereinigte Rohertragszuwachs (nach AMPreisV), d. h. die Rohertragssteigerung je abgegebenem GKV-Rx-FAM, bei 0,21 Euro (7,20 Euro in 2004; 7,41 Euro in 2012), also bei unter 3%. Die aufwandsträchtigen Verpflichtungen der Apotheken zur Abgabe von rabattbegünstigten Arzneimitteln (gemäß § 130a Abs. 8 SGB V; vgl. hierzu [2]) seit 2007 sind dabei noch nicht berücksichtigt, eine angemessene Würdigung steht vielmehr (noch) aus!

Besonders deutlich wird die unzureichende Rohertragsentwicklung, wenn man einerseits die Entwicklung der anteiligen Mehrwertsteuer (Tab. 2), andererseits den Anstieg der Verbraucherpreise zum Vergleich heranzieht (Tab. 3). Während der erwirtschaftete Rohertrag der Apotheken aus zulasten der GKV abgegebenen Rx-FAM im Jahre 2004 noch das 1,3-Fache der anteiligen Mehrwertsteuer ausmachte, zogen die beiden Größen im Jahre 2007, dem Jahr der Umsatzsteuererhöhung, gleich. Und im Jahre 2012 lag der gesamte Rohertrag der Apotheken aus GKV-Rx-FAM bereits um rund 7% unter den Einnahmen des Staates aus anteiliger Mehrwertsteuer! Damit erhält der Staat heute mehr an MwSt. aus der ordnungsgemäßen Arzneimittelversorgung der GKV-Versicherten, als die Apotheken an Rohertrag (≠ Gewinn!) erwirtschaften.

Tab. 3: Anzahl der seit 2002 zulasten der GKV abgegebenen
Rx-FAM-Packungen und Anstieg der Verbraucherpreise seit 2004

Jahr
Rx-FAM-
in Mio.
Verbr.-Preise
2002
542,7
2004
526,5
2005
546,8
1,5%
2006
541,5
3,1%
2007
553,7
5,5%
2008
580,3
8,2%
2009
580,0
8,6%
2010
584,7
9,8%
2011
588,3
12,4%
2012
587,8
14,6%
Anstieg
2004 – 2012
11,6%
14,6%

Quellen: 2002: BMG; ab 2004: INSIGHT Health;
Statistisches Bundesamt; eigene Berechnungen

In diesem Zusammenhang muss festgehalten werden, dass die Handelsspanne aus GKV-Rx-FAM (gemäß AMPreisV) von 17,9% des Bruttoumsatzes im Jahre 2004 auf 14,9% in 2012 gefallen ist, der Handelsaufschlag netto folglich – entgegen den ursprünglich geplanten 30% – von 26,2% auf 21,5% gesunken ist.

Die Entwicklung außerhalb des GKV-Marktes ist noch schlechter gelaufen. Der Handelsaufschlag (netto) für Rx-FAM außerhalb der GKV lag 2012 bei 26,6% und ist damit noch weiter vom (in 2002) geplanten Zielwert von rund 37% entfernt, als dies im GKV-Markt der Fall ist.

Vergleich mit Verbraucherpreisen

Auch ein Vergleich der Entwicklung der Roherträge mit der Entwicklung der Verbraucherpreise lohnt. Während die Verbraucherpreise von 2004 bis 2012 um 14,6% zugelegt haben (Tab. 3), lag die Rohertragssteigerung je GKV-Rx-FAM, wie oben dargestellt, unter 3%. Folglich betrug der reale Rohertrag je GKV-Rx-FAM im Jahre 2012 nur noch etwa 89,8% des Wertes von 2004. Die Apotheken haben demnach von 2004 bis 2012 einen inflationsbedingten Rohertragsverlust von 10,2% je abgegebenem GKV-Rx-FAM hinnehmen müssen. Die seit Inkrafttreten des GMG gesetzlich verordneten Reduktionen von (ehemals existenziellen) Einkaufsvorteilen – erinnert sei nur an die Rabattverträge gemäß § 130a Abs. 8 SGB V zwischen Herstellern und Krankenkassen, die mehrfache Kürzung der Großhandelsmarge und die Verschärfung des Heilmittelwerbegesetzes (HWG), insbesondere in § 7 – sind dabei nicht einmal berücksichtigt.

Wenn an dieser Stelle die Aussage getroffen wird, der Staat sei seiner Fürsorgepflicht gegenüber den Apotheken (nach § 78 (1) AMG) in der Vergangenheit nicht ausreichend nachgekommen, ist dem wohl nicht zu widersprechen.

Ausblick

Nachdem die Diskussion über eine Erhöhung des Festzuschlags endlich in Gang gekommen war, hatte der Verordnungsgeber eine Anpassung (von 8,10 Euro auf 8,35 Euro) ab dem 1. Januar 2013 beschlossen. Das entspricht einer Anhebung um 3% nach acht Jahren des absoluten Stillstands.

Um die wirtschaftlichen Auswirkungen dieser Anpassung für 2013 zu analysieren, bedarf es vorab einiger Annahmen:

  • Allgemeine Preissteigerung gegenüber Vorjahr: 2,0% (niedrig geschätzt);
  • Anzahl der abgegebenen Rx-FAM: wie Vorjahr;
  • Steigerung des Umsatzvolumens AEK: 2,0%;
  • Kassenabschlag je Rx-FAM: 1,75 Euro.

Gemäß diesen Vorgaben steigt das Einkaufsvolumen der zulasten der GKV verordneten Rx-FAM um gut 405 Mio. auf knapp 20,664 Mrd. Euro (aus zum Teil gegenläufigen Gründen: mehr Generika, mehr rabattbegünstigte Arzneimittel und mehr Großpackungen). Folglich legt der Rohertrag der Apotheken aus der kaufmännischen Komponente um 12 Mio. Euro auf 620 Mio. Euro zu.

Die Anpassung des Festzuschlags auf 8,35 Euro, verbunden mit dem vor AMNOG verrechneten Kassenabschlag von 1,75 Euro je Rx-FAM, führt bei gleichbleibender Anzahl der abgegebenen GKV-Rx-FAM zu einem Apothekenhonorar von 4,044 Mrd. Euro.

Der gesamte Rohertrag der Apotheken aus GKV-Rx-FAM beträgt demnach 4,664 Mrd. Euro und übersteigt damit das Vorjahresniveau um 7%.

Der Rohertrag je GKV-Rx-FAM beträgt dann 7,93 Euro; gegenüber den 7,20 Euro in 2004 ist dies ein nominaler Anstieg von 10,2%. Unter der optimistischen Annahme, dass der Verbraucherpreis-Index in 2013 gegenüber dem Vorjahr nur um 2% steigt, liegt der reale, also preisbereinigte Rohertrag je Packung damit immer noch 5,7% unter dem Ausgangswert des Jahres 2004! Eine aus Apothekersicht in jeder Weise unbefriedigende Situation.

Da der Markt der Rx-FAM außerhalb der GKV unter den zuvor gemachten Annahmen eine ähnliche Entwicklung, allerdings auf leicht höherem Niveau, vollzieht, deckt das Kombimodell längst nicht mehr die Kosten der Apotheken aus ihren Allgemeinwohlverpflichtungen ab, wie das bis zum Ende des letzten Jahrhunderts noch der Fall gewesen ist.

Gerade mit Blick auf die demografische Entwicklung, durch die in einigen Landesteilen die medizinische Versorgung und die Arzneimittelversorgung bedroht sind, ist die Politik aufgerufen, über ergänzende Formen apothekerlicher Honorierung, die über das Kombimodell hinausgehen, nachzudenken – und diese möglichst bald auf den Weg zu bringen.


Literatur

[1] Hüsgen U. Neue Arzneimittelpreisverordnung – Fluch oder Segen? Dtsch Apoth Ztg 2011;151(4):452 – 456.

[2] Hüsgen U. Aufwand honorieren! Rabattbegünstigte Arzneimittel verursachen höheren Beratungsbedarf. Dtsch Apoth Ztg 2013;153(8): 696 – 704.


Autor

Dipl.-Math. Uwe Hüsgen, Essen, war langjähriger Geschäftsführer des Apothekerverbandes Nordrhein e.V. E-Mail: uwe.huesgen@web.de

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