DAZ aktuell

Trotz Kritik: Mehrheit für Reform bahnt sich an

BERLIN (ks). Das Gesetzgebungsverfahren zur Gesundheitsreform geht in die Schlussphase. Läuft alles nach Plan, wird das Reformpaket in einem Monat unter Dach und Fach sein. Ein Ende der monatelangen Querelen zwischen den Koalitionspartnern ist damit in Sichtweite. Am 15. Januar segnete das SPD-Präsidium den in der Woche zuvor ausgehandelten Kompromiss ab. Noch am selben Tag signalisierte die SPD-Fraktion, dass sie diesen mittragen werde. Auch die Kritik aus den Ländern ist leiser geworden, nachdem die Regierung einige ihrer Änderungswünsche aufgegriffen hat.

Das SPD-Präsidium habe am Montag "einstimmig" festgestellt, dass der Reform-Kompromiss tragfähig sei, sagte Generalsekretär Hubertus Heil nach der Sitzung des Gremiums in Berlin. Die Partei-Linke und Dauer-Kritikerin der Reform, Andrea Nahles, war bei dieser Sitzung allerdings nicht zugegen. Heil zeigte sich zuversichtlich, dass das Reformpaket auch in der SPD-Bundestagsfraktion eine "sehr breite Mehrheit" finden werde. Widerstand drohe nur von den "üblichen Verdächtigen". So machten etwa die SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach und Wolfgang Wodarg keinen Hehl daraus, dass sie wenig von der gefundenen Einigung halten. "Da erkennt man uns nicht wieder", sagte Wodarg. Aus seiner Sicht trägt der Kompromiss dazu bei, dass die private Krankenversicherung (PKV) bessere Geschäfte machen kann. Der Unionsfraktion könne man "nur gratulieren, dass sie ihre Wähler gut bedient hat." Lauterbach sagte, durch die Neuregelungen für die PKV könnten Gutverdiener, die bisher gesetzlich versichert seien, im neuen Basistarif die gleichen Leistungen billiger und besser haben. Er warnte vor einer "Plünderung" der GKV. Zudem kritisierte er, dass die Sparauflagen für Apotheken, Krankenhäuser und Rettungsdienste teilweise fallen gelassen wurden. Allerdings sieht auch Lauterbach keinen Spielraum mehr für Nachverhandlungen: "Jetzt ist der Punkt erreicht, wo die Öffentlichkeit weitere Verhandlungen nicht mehr tolerieren würde."

Überzeugungsarbeit in der SPD-Fraktion

Als am späten Montagnachmittag in der SPD-Fraktion für den Kompromiss geworben wurde, hat es der Gesundheits-Staatssekretärin Marion Caspers-Merk (SPD) zufolge "deutlich mehr Zustimmung als Ablehnung" gegeben. Sie räumte aber ein, dass es nach wie vor Vorbehalte gegen den geplanten Gesundheitsfonds gebe. Die meisten Abgeordneten wollten zunächst einmal die verabredeten Änderungen "schriftlich sehen". Der SPD-Fraktionsvorsitzende Peter Struck sagte, die Debatte in der Fraktion sei "gut" gelaufen. Er zeigte sich überzeugt, dass der Bundestag das Gesetz am 2. Februar verabschiedet und der Bundesrat anschließend ohne Anrufung des Vermittlungsausschusses zustimmen werde. Wenn der Bundesrat das Reformpaket am 16. Februar passieren lässt, ist der Weg für ein Inkrafttreten zum 1. April frei.

Hessen bleibt kritisch

Was die Zustimmungsbereitschaft der Unionsfraktion betrifft, gab sich die gesundheitspolitische Sprecherin Annette Widmann-Mauz ebenfalls zuversichtlich. CSU-Generalsekretär Markus Söder erklärte, die CSU werde dem Kompromiss nun zustimmen. Positive Signale kamen auch aus den anderen unionsgeführten Bundesländern. Lediglich Hessen droht noch mit einer Blockade im Bundesrat. Die hessische Sozialministerin Silke Lautenschläger (CDU) erklärte, den Änderungsanträgen fehlten z. B. noch Regelungen zur Geriatrie, zu den Krankenhäusern und den Arzneimitteln. Kritik übte auch der CDU-Abgeordnete Friedrich Merz, Fraktionsberichterstatter für die Gesundheitsreform im Rechtsausschuss. Gesundheitsministerin Ulla Schmidt sei ihrem Ziel, die PKV abzuschaffen, "einen beachtlichen Schritt näher gekommen", schreibt er in der aktuellen "Wirtschaftswoche".

Gesundheitsausschuss behandelt Änderungsanträge

Auch der Gesundheitsausschuss des Bundestages traf sich am Montag zur Beratung der ersten gut 100 Änderungsanträge der Regierungsfraktionen. Dabei ging es unter anderem um den Sparbeitrag der Apotheken. Vertreter der Koalition verwiesen darauf, dass der Verzicht auf ein Höchstpreissystem für Arzneimittel nicht automatisch zu einem geringeren Sparbeitrag der Apotheken führen werde. Durch die Erhöhung des Apothekenrabatts für die Krankenkassen von 2 auf 2,30 Euro sollen Apotheken jährlich Kosteneinsparungen in Höhe von rund 150 Millionen Euro erbringen. Im Laufe der Zeit werde dies zu höheren Einsparungen führen als die im Entwurf im Zusammenhang mit der Liberalisierung der Apothekenpreise zugrunde gelegten 500 Millionen Euro. Die Beratungen des Gesundheitsausschusses zu den Änderungsanträgen werden in dieser Woche fortgesetzt.

Opposition: unzureichender Kompromiss

Die Opposition übte indessen weiterhin harsche Kritik an der Reform. Der gesundheitspolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Daniel Bahr, sprach von einem "völlig unzureichenden" Kompromiss. Die angestrebten Ziele, die GKV demografiefest und konjunkturunanfällig zu machen, sowie die Arbeitskosten zu entlasten, würden "deutlich verfehlt". Stattdessen halte man an dem Weg in ein zentralistisches, staatlich dominiertes Gesundheitssystem fest. FDP-Chef Guido Westerwelle kündigte eine verfassungsrechtliche Prüfung an. Biggi Bender, gesundheitspolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion, kritisierte, dass von dem Kompromiss lediglich Ärzte, Apotheken und die PKV profitieren. Die Versicherten blieben "wieder einmal außen vor" und seien die Verlierer der "vermurksten Reform". Die Einigung belegt für Bender, dass die Große Koalition "dem Druck der mächtigen Lobbygruppen nicht mehr standhalten" könne. Der Vize-Vorsitzende der Linksfraktion, Klaus Ernst, betonte, die Gesundheitsreform löse keines der Probleme der GKV, sondern wälze sie auf die Versicherten und Patienten ab. Dies zeigten schon die jüngsten Beitragserhöhungen. Aus Sicht seines Fraktionskollegen Dietmar Bartsch ist die Reform "ein völlig unübersichtliches Monstrum, das letztendlich Patienten, Ärzte, Apotheker und Krankenkassen belasten wird".

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.