Europarecht: Sind Krankenkassen Unternehmen im Sinne des EU-Kartellrechts?

Luxemburg/Berlin (ks). Die gesetzlichen Krankenkassen haben aus Luxemburg ein Signal erhalten, dass die deutsche Festbetragsregelung, mit der die Spitzenverbände zur Festsetzung der Erstattungsobergrenzen ermächtigt werden, europakonform sein könnte. Das Oberlandesgericht Düsseldorf und der Bundesgerichtshof hatten dem EuGH bereits im Juli 2001 eine entsprechende Frage vorgelegt.

Ihrer Auffassung nach sind die Spitzenverbände der gesetzlichen Kassen Unternehmensvereinigungen, die unter das europäische Kartellrecht fallen. Ob die Festbetragsreglung dieses Kartellrecht nun verletzt, ist noch nicht entschieden. In einem anderen Fall befanden die Luxemburger Richter jedoch, dass jedenfalls Einrichtungen des spanischen Gesundheitssystems keine Unternehmen seien, die gegen europäische Kartellvorschriften verstoßen könnten (Urteil des EuGH in erster Instanz vom 4. März 2003, Az.: T-319/99).

Dem EuGH lag ein Fall vor, in dem sich ein Verband, in dem die meisten der Unternehmen, die in Spanien medizinische Erzeugnisse vertreiben, zusammengeschlossen sind, gegen verzögerte Zahlungen von Einrichtungen des nationale Gesundheitssystems (Sistema Nacional de Salud, SNS) wandten. Der Verband vertrat die Auffassung, dass die Einrichtungen des SMS eine beherrschende Stellung einnehmen und diese missbrauchen.

Die Europarichter waren anderer Ansicht. Sie bestätigten die Auffassung der Europäischen Kommission, welche die Beschwerde des Verbands zuvor schon zurückgewiesen hatte. Die Kommission war der Ansicht, dass die das SNS verwaltenden Einrichtungen nicht als Unternehmen handelten.

Das Gericht erläuterte in seinem Urteil zunächst den Begriff des Unternehmens im Rahmen des EU-Wettbewerbsrechts: Er umfasse jede Einrichtung, die eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübt, unabhängig von ihrer Rechtsform und der Art ihrer Finanzierung. Was den Begriff der wirtschaftlichen Tätigkeit kennzeichne, sei nicht die Einkaufstätigkeit als solche, sondern das Anbieten von Gütern oder Dienstleistungen auf einem bestimmten Markt.

Somit bestimme der wirtschaftliche oder nichtwirtschaftliche Charakter der späteren Verwendung des erworbenen Erzeugnisses den Charakter der Einkaufstätigkeit. Kaufe eine Einrichtung ein Erzeugnis, um es im Rahmen einer nichtwirtschaftlichen, z. B. einer rein sozialen, Tätigkeit zu verwenden, so werde sie demnach nicht als Unternehmen tätig - selbst wenn sie eine erhebliche Wirtschaftsmacht auszuüben vermag. Aus diesem Grunde seien Einrichtungen, die eine ausschließlich soziale Aufgabe erfüllen, keine Unternehmen. Das spanische SNS funktioniere nach dem Grundsatz der Solidarität, weil es durch Sozialversicherungsbeiträge finanziert werde und seinen Mitgliedern im Rahmen eines umfassenden Versicherungsschutzes unentgeltliche Dienstleistungen anbiete. Es könne daher nicht von einem Unternehmen im Sinne des europäischen Wettbewerbsrechts ausgegangen werden.

Ähnlich könnten die Luxemburger Richter nun auch die Stellung der Krankenkassen und deren Spitzenverbände betrachten. Gewissheit wird jedoch erst ein Urteil in Sachen Festbeträge bringen - und das wird voraussichtlich noch bis zum Herbst auf sich warten lassen.

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