Verfassungsbeschwerden zu Risikostrukturausgleich: Nicht zur Entscheidung angeno

Karlsruhe (ks). Die Verfassungsbeschwerden zweier Betriebskrankenkassen, die sich gegen Zahlungen im Rahmen des Risikostrukturausgleichs (RSA) wandten, sind vom Bundesverfassungsgericht (BVerfG) nicht zur Entscheidung angenommen worden. Den Krankenkassen, so die Richter, mangele es bereits an der für eine Beschwerde notwendigen Grundrechtsfähigkeit. (Beschluss des BVerfG vom 9. Juni 2004, Az.: 2 BvR 1248/03 und 2 BvR 1249/03)

Der 1994 eingeführte RSA soll die unterschiedlichen Risikostrukturen der Krankenkassen ausgleichen. Kassen mit einer ungünstigen Risikostruktur (z. B. hoher Anteil an mitversicherten Familienangehörigen oder an Mitgliedern mit unterdurchschnittlichen Einkünften) erhalten danach Ausgleichszahlungen zu Lasten von Kassen mit einer besseren Struktur. Die beschwerdeführenden Kassen waren für das Streitjahr 1997 zu Ausgleichszahlungen herangezogen worden. Ihre Rechtsmittel hiergegen blieben erfolglos. So rügten sie schließlich vor dem Bundesverfassungsgericht die Verletzung ihrer Grundrechte aus Art. 2 Abs. 1 (Handlungsfreiheit) und Art. 3 Abs. 1 GG (Gleichheitssatz). Das Bundessozialgericht (BSG) verletze zudem ihr Recht auf den gesetzlichen Richter: Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hätte gemeinschaftsrechtliche Fragen vorab entscheiden müssen, so die Kassen.

Krankenkassen keine Grundrechtsträger

Die Verfassungsrichter sahen die Voraussetzungen für eine Verfassungsbeschwerde jedoch nicht gegeben: Die Krankenkassen seien nicht grundrechtsfähig. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung sind die Grundrechte nicht auf juristische Personen des öffentlichen Rechts anwendbar, soweit letztere öffentliche Aufgaben wahrnehmen. Die von den Kassen angegriffenen Regelungen des RSA träfen diese aber gerade in ihrer Funktion als Träger öffentlicher Aufgaben, so die Richter. Der RSA betreffe die gesetzlichen Krankenkassen in ihrer öffentlich-rechtlichen Kernfunktion - nämlich eine auf dem Solidarprinzip gegründete Krankenversicherung zu gewährleisten. Auch die Einführung wettbewerblicher Elemente in der Krankenversicherung führe nicht zur partiellen Grundrechtsfähigkeit, so der Senat. Auch sonst sah das BVerfG keinen Ansatzpunkt, aus dem die Kassen eine Grundrechtsträgerschaft ableiten können: so nicht aus dem Selbstverwaltungsgrundsatz und auch nicht aus der Annahme einer Sachwalterstellung zu Gunsten des einzelnen Mitglieds.

EuGH nicht angerufen

Ebenso wenig konnte das Gericht erkennen, dass das BSG das Recht der Beschwerdeführerinnen auf den gesetzlichen Richter verletzt hat, indem es keine Vorabentscheidung des EuGH herbeigeführt hat. Das BSG habe weder seine Vorlagepflicht grundsätzlich verkannt noch sei es bewusst von der Rechtsprechung des EuGH abgewichen. Vielmehr habe das BSG die Vorschriften des europäischen Wettbewerbsrechts für unanwendbar gehalten, weil die gesetzlichen Krankenkassen keine Unternehmen im Sinne des europäischen Wettbewerbsrechts seien. Diese Auffassung wurde jüngst durch das Urteil des EuGH zur Festsetzung von Festbeträgen für Arzneimittel in der Sache bestätigt (siehe DAZ Nr. 12, 2004, S. 18). Hier urteilten die Luxemburger Richter, dass der RSA als interner Finanzausgleich Solidarität innerhalb des Krankenversicherungssystems garantiere. Als deutsches Instrument zur Verwirklichung des Solidargedankens im Sinne der Rechtsprechung des EuGH spreche dies gegen die Anwendbarkeit des europäischen Wettbewerbsrechts.

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