DAZ aktuell

EuGH: Krankenkassen dürfen Festbeträge festsetzen

LUXEMBURG (ks). Der Europäische Gerichtshof hat am 16. März entschieden, dass es dem europäischen Wettbewerbsrecht nicht zuwider läuft, wenn die Spitzenverbände der gesetzlichen Krankenkassen Festbeträge bestimmen, bis zu deren Erreichen die Krankenkassen die Kosten von Arzneimitteln übernehmen. Die Luxemburger Richter hatten über entsprechende Fragen des Bundesgerichtshofs und des Oberlandesgerichts Düsseldorf zu befinden, die ihnen zur Vorabentscheidung vorgelegt wurden (Urteil vom 16. März 2004, verbundene Rechtssachen C-264/01, C-306/01, C-354/01 und C-355/01).

In den deutschen Ausgangsverfahren hatten verschiedene pharmazeutische Hersteller gegen Krankenkassenverbände geklagt, weil sie das Verfahren der Festbetragssetzung durch die Selbstverwaltung für wettbewerbswidrig hielten. Die deutschen Gerichte setzten ihre Entscheidung aus, um vom EuGH eine Antwort darauf zu erhalten, ob die Wettbewerbsvorschriften des EG-Vertrags Zusammenschlüsse von Krankenkassen wie die Kassenverbände daran hindern, Festbeträge festzusetzen.

Der Bundesgerichtshof wollte ferner wissen, ob bei Bejahung dieser Frage Ansprüche gegen diese Zusammenschlüsse auf Beseitigung und auf Ersatz des durch die Anwendung der Festbeträge entstandenen Schadens bestehen. Mit Letzterem musste sich der EuGH nicht mehr befassen, da er bereits die erste Frage ablehnte: Nach Auffassung der Luxemburger Richter sind die gesetzlichen Krankenkassen in Deutschland keine Unternehmen im Sinne der einschlägigen Vorschriften des EG-Vertrags.

Keine neue Erkenntnis des EuGH

Bereits vor gut elf Jahren hatte der Gerichtshof im Bereich der sozialen Sicherheit entschieden, dass bestimmte Einrichtungen, die mit der Verwaltung gesetzlicher Kranken- und Rentenversicherungssysteme betraut sind, einen rein sozialen Zweck verfolgen und keine wirtschaftliche Tätigkeit ausüben.

Dies ist der Fall bei Krankenkassen, die nur die Gesetze anwenden und keine Möglichkeit haben, auf die Höhe der Beiträge, die Verwendung der Mittel und die Bestimmung des Leistungsumfangs Einfluss zu nehmen. Denn ihre auf dem Grundsatz der nationalen Solidarität beruhende Tätigkeit wird ohne Gewinnerzielungsabsicht ausgeübt, und die Leistungen werden von Gesetzes wegen und unabhängig von der Höhe der Beiträge erbracht (Urteil vom 17. Februar 1993 in den Rechtssachen C-159/91 und C-160/91).

Krankenkassen werden nicht wirtschaftlich tätig ...

Auch in den vorliegenden Fällen kam der EuGH zu dem Schluss, dass die Tätigkeit von Einrichtungen wie den Krankenkassen nicht wirtschaftlicher Art ist. Daher seien sie auch keine Unternehmen im Sinne der Artikel 81 EG und 82 EG. So könnten sie keinen Einfluss auf ihre Leistungen nehmen, da sie ihren Mitgliedern im Wesentlichen gleiche Pflichtleistungen anbieten müssten, die unabhängig von der Beitragshöhe sind.

Zudem konkurrierten sie weder miteinander noch mit den privaten Einrichtungen hinsichtlich der Erbringung der im Bereich der Behandlung oder der Arzneimittel gesetzlich vorgeschriebenen Leistungen, die ihre Hauptaufgabe darstellt.

... auch nicht ausnahmsweise bei Festbeträgen

Das Gericht prüfte auch, ob die Kassenverbände außerhalb ihrer Aufgaben rein sozialer Art im Rahmen der Verwaltung Geschäftstätigkeiten ausüben, die keinen sozialen, sondern einen wirtschaftlichen Zweck haben. In diesem Fall wären die von ihnen zu treffenden Entscheidungen möglicherweise als Beschlüsse von Unternehmen oder Unternehmensvereinigungen anzusehen.

Nach Ansicht der im Ausgangsverfahren klagenden Pharmaunternehmen erlassen die Kassenverbände, wenn sie die Festbeträge festsetzen, Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen, die wirtschaftlicher Art sind. Dem konnte der EuGH jedoch nicht folgen: die Kassenverbände kommen mit der Festsetzung der Festbeträge nur einer Pflicht nach, die ihnen § 35 SGBV auferlegt, um den Fortbestand des deutschen Systems der sozialen Sicherheit sicherzustellen, heißt es im Urteil.

Diese Vorschrift regle ausführlich die Einzelheiten der Festsetzung dieser Beträge und bestimme, dass die Kassenverbände gewisse Qualitäts- und Wirtschaftlichkeitsgebote beachten müssen. Das SGBV sehe auch vor, dass der zuständige Minister die Festbeträge festsetzt, wenn dies den Kassenverbänden nicht gelingt, so die Richter.

Nur die konkrete Höhe der Festbeträge werde nicht durch das Gesetz vorgegeben. Daraus ergebe sich, dass die Kassenverbände bei der Festsetzung der Festbeträge kein eigenes Interesse verfolgen, das sich vom rein sozialen Zweck der Krankenkassen trennen ließe. Vielmehr kommen die Kassenverbände mit dieser Festsetzung einer Pflicht nach, die vollständig zur Tätigkeit der Krankenkassen im Rahmen der deutschen gesetzlichen Krankenversicherung gehört.

Der Europäische Gerichtshof hat am 16. März entschieden, dass es dem europäischen Wettbewerbsrecht nicht zuwider läuft, wenn die Spitzenverbände der gesetzlichen Krankenkassen Festbeträge bestimmen, bis zu deren Erreichen die Krankenkassen die Kosten von Arzneimitteln übernehmen. Die Luxemburger Richter hatten über entsprechende Fragen des Bundesgerichtshofs und des Oberlandesgerichts Düsseldorf zu befinden, die ihnen zur Vorabentscheidung vorgelegt wurden.

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